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12. Internet 31.12.2016
Ja – das Internet. Ohne das Internet und vor allem ohne Facebook hätte ich überhaupt keine Ahnung, wie doof Deutschland zum Teil ist. Vor 16 Jahren hatte ich so meine ersten Online-Gehversuche. Damals gab es noch AOL mit seinen Chatrooms. Da passten so 40 Leute rein, und die Konversation wurde immer mit einem „Hallo“ eröffnet und spätestens nach dem ersten Rechtschreibfehler stürzte sich die Meute auf den vermeintlichen Analphabeten. Aber wie gesagt, das war in einem „Onlineraum“ mit abgezählter Belegschaft und es gab einige Leute die da halt ihren Frust aufs Leben los gelassen haben. Dasselbe passiert heute auf Facebook, bevorzugt unter Pressemitteilungen aber auch wenn ein sogenannter „Star“ nicht so spurt wie es die Menge wünscht rauscht mal eben ein Shitstorm über ihn hinweg. Ja wir leben in schwierigen Zeiten. Obwohl – ich denke die Zeiten waren immer schwierig, wir haben es nur nicht so mitbekommen und nicht jeder Klevi und Plevi konnte sich zum Experten für so ziemlich jedes Thema aufspielen.
Aber das Internet bietet auch Möglichkeiten die ich echt klasse finde. Ich habe lange verschollene Freunde wieder gefunden und pflege Kontakte, zu Freunden die weit weg wohnen, viel einfacher (Christiane in Calgary erscheint mir oft nur eine Ortschaft entfernt) – und man mag es kaum glauben, ich habe tolle Menschen hier kennen gelernt. Nicht in der großen Masse aber manchmal bemerkt man am Schreibstil einer Person ob es passt oder nicht.
Rosi war die erste. Wir haben uns nicht bei Facebook kennen gelernt sondern bei der damalig deutschen Alternative „wer-kennt-wen?“ Ich habe keine Ahnung mehr wie wir das angestellt haben aber Rosi und ich haben sozusagen „gematcht“ (soll heißen gemätscht – hihi). Rosi ist über die Jahre eine so gute Freundin geworden, man mag es kaum glauben, dass wir uns noch nie live gesehen haben. Als meine Haare von der Chemo ausfielen, lag am gleichen Tag ein Päckchen vor der Tür mit einer selbst gehäkelten Mütze – natürlich von Rosi. Ich bekam übrigens noch eine zweite Mütze von Annette, die ich aus dem Golfclub kenne und mit der ich gar nicht sooo eng bin – auch das hat mich total gerührt. Ein Treffen von Rosi und mir ist für 2017 auf jeden Fall gesetzt!!!
Als nächstes hab ich Manu aus Berlin kennengelernt – über das selten blöde Spiel „Monstergarten“. Und auch wir sind über die Jahre aneinander hängen geblieben. Und ich hoffe, dass wir uns im März in Berlin kennen lernen.
Und meine neueste Seelenverwandte heißt Lisa! Lisa hat wie ich ALS. Schon etwas länger als ich und sie hat die bulbäre Form – soll heißen es begann in der Zunge und sie kann schon etwas länger nicht mehr sprechen und muss sich über eine PEG ernähren. Im Internet merkt man von unseren „Einschränkungen“ nichts. Das Hirn ist hellwach und solange wir einen Finger bewegen können, wird getippt und wenn das nicht mehr geht gibt’s die Computer mit Augensteuerung. Und das sieht dann immer aus als wären wir alle kerngesund.
Lisa hat einen ähnlichen Humor wie ich. Meiner war schon immer schwarz und mit fortschreitender Krankheit wird er auch immer schwärzer und ich hatte das Gefühl, dass es bei Lisa ähnlich ist. Nun wohnt sie zwar nicht um die Ecke aber doch für einen Tagesausflug in erreichbarer Nähe und so haben wir uns vergangenen Donnerstag getroffen.
Nun ist es ja sowieso schon aufregend einen neuen Menschen kennenzulernen. Aber für mich war es der erste Kontakt mit einer Leidensgenossin und ich war unheimlich gespannt, wie das so laufen würde. Und ganz ehrlich – besser hätte es nicht gehen können. Lisa ist noch unheimlich gut auf den Beinen unterwegs, wie gesagt, Sprechen geht halt nicht mehr und der linke Arm hat ebenfalls seinen Geist aufgegeben. Und so öffnete Sie die Tür, hüpfte halbwegs vor mir her immer gestikulierend (fand ich auch recht gut verständlich) und ich torkelte ununterbrochen quatschend hinter ihr her.
Kommunikation lief 1 A! Ich redete – sie hörte zu! Mit dem Tablett und der Voice App konnten wir uns gut verständigen und später kam ihr Mann dazu und die Zeit verflog wahnsinnig schnell.
Ja… Internet! Ohne Internet wüsste ich nicht wie doof manche Menschen sind. Herzlos, hasserfüllt, ungebildet, wütend, negativ, neidisch und ängstlich. Ohne Internet würde ich aber nicht diese unglaublichen Menschen, die mein Leben bereichern, kennen lernen und dafür nehme ich die Anderen gerne in Kauf.
11. Zeit 29.12.2016
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie lange das Leben dauert, wenn man jung ist und dringend auf etwas wartet? Wie endlos lange hat es gedauert bis ich endlich 10 war und in der Pubertät gab es doch nichts Wichtigeres als endlich volljährig und unabhängig von den Eltern zu werden. Wie albern – als ob man mit 18 unabhängig wäre. Das einzige was man kann ist Kaufverträge abschließen, die sich nur noch sehr schwer bis gar nicht rückgängig machen lassen oder wählen zu dürfen obwohl man von Politik überhaupt keine Ahnung hat weil die Party nächstes Wochenende wesentlich interessanter ist.
Irgendwann geht dann eine mehr oder weniger ernsthafte Suche nach dem richtigen Partner los – man will ja auch eine eigene Familie – Kloster hatte ich zu Schulzeiten schon genug, das war keine Option. Und ich muss zugeben DAS war nicht so ganz einfach. Ich habe zum Leidwesen meiner Mutter nämlich viele Frösche geküsst bis ich meinen Traumprinzen gefunden habe.
Ich bin vom Sternzeichen Löwe. Ich glaube zwar nicht an Horoskope aber an den Charaktereigenschaften bestimmter Sternzeichen ist meiner Meinung wirklich etwas dran. Ich bin nämlich eine ganz typische Löwin. Wenn ich auf eine Party gehe und es beachtet mich keiner gehe ich nach spätestens 10 Minuten wieder…. Aber das ist ja zum Glück noch nie passiert :)
Nun hatte ich als junges Mädchen einen Faible für Männer mit großem Ego und noch größerem Mundwerk. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert - wir drängelten immer gemeinsam durch die Tür und blieben im wahrsten Sinne des Wortes stecken – in der Tür und in der Beziehung, die auch nie allzu lange dauerte. Ab und an hatte ich dann mal einen Frosch, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas….ja.. GÄHN….. wie langweilig war DAS denn?
Ich war also auf der Suche nach einem selbstbewussten Mann mit einer mir adäquaten Bildung - nicht dass ich mich für so wahnsinnig schlau halte (oder doch?) – einen, der mich bewundert und gleichzeitig am Zügel hält. Mein Vater hat - wenn ich richtig informiert bin - mit 17 Abitur gemacht und 2 Klassen übersprungen, also irgendwas in die Richtung musste es schon sein! Ich habe dann schon mal angefangen Backmischungen zusammen zu stellen und als ich glaubte, das wird wohl nix mehr, vielleicht doch Kloster oder Emanze, lief mir mein Traumprinz über den Weg. In diesem Jahr werden wir 32 Jahre verheiratet sein und jetzt kommt der Blick andersrum: Wo zum Kuckuck ist die Zeit geblieben?
Schaut Ihr manchmal in Eurem Leben zurück? Bevor ich krank wurde, habe ich das eigentlich nie gemacht. Ich habe – wenn etwas mal so total daneben lief gesagt, dass ich DAS ganz bestimmt nicht mehr machen würde – aber im Grunde hatte man nette Erinnerungen an Urlaube oder irgendwelche Highlights oder lustige Wutausbrüche von mir (ich glaube, denen muss ich irgendwann auch noch ein Kapitel widmen) aber das wars dann auch. Gut – ab und an kam aus irgendeiner Ecke meiner Gehirnwindungen eine Erinnerung, die ich gar nicht haben wollte und die ich ganz schnell wieder dahin schob, woher sie gekommen ist.
Aber jetzt schaue ich öfter zurück. Man kann ja nichts ungeschehen machen und im Wissen um seine eigenen Möglichkeiten könnte ich auch nichts ändern wenn ich die Chance hätte, die Dinge nochmal neu anzugehen. Und ich muss im Großen und Ganzen sagen, ich hatte bis jetzt ein tolles Leben. Wir konnten keine eigenen Kinder bekommen, also haben wir 2 Mädchen adoptiert - jetzt haben wir 2 wundervolle Enkeltöchter. Habe ich schon erwähnt, dass wir die wundervollsten Enkeltöchter der Welt haben? Nein? Ihr werdet es sicher noch öfter lesen!
Ich bin immernoch gerne mit meinem Mann zusammen – er ist mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Ich musste lernen, meine Ungeduld zu zügeln. Ein schnelles „Ja“ kommt ihm nicht immer so einfach über die Lippen – aber es kommt, ich muss nur warten können. Er glaubt manchmal dass ich ihn manipuliere ….. (kopfschüttel – NEIN…niemals …. Oder vielleicht? Ein kleines bisschen???)
Ich habe unglaubliche Freunde, Freunde die mir helfen, die für mich da sind, die mich kritisieren (ganz vorsichtig…haha) und die Kritik von mir aushalten weil sie wissen, dass ich es nie tun würde, wenn sie mir nicht so sehr am Herzen liegen würden. Freunde, die nicht verschwinden wenn es brenzlig wird – ganz im Gegenteil. Und Freunde die nachhaltig sind, die immer parat stehen, wenn ich nur piep sage – und überwiegend brauche ich noch nicht mal zu piepen – sie stehen schon vor der Tür.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Ich habe viel und ausnahmslos geliebt, ich kann so wütend und laut werden, dass die Nachbarn jedes Wort verstehen ohne die Fenster aufzumachen. Ich kann pampig und ungerecht und verletzend sein aber ich kann auch reumütig zu Kreuze kriechen und mich entschuldigen und zwar so lange wie es braucht bis man mir verzeiht! Und ich kann verzeihen wenn ich echte Reue spüre und ich bin überhaupt nicht nachtragend wenn ein Streit beendet ist. Ist er es aber nicht bin ich noch Jahre später völlig angepisst.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Und ich werde es genießen bis zum Ende!
10. ...und Sport hilft doch! 27.12.2016
Hallellluuuhhhjaaaa…..christmas is over! Nicht dass es nicht schön war. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal hatte ich alles was ich wollte und keine, null, nada Arbeit. Ok, die Gans ist dieses Jahr zum ersten Mal etwas trocken geworden – vermutlich in memoriam an das schöne Wellness-Wochenende mit meiner Schwester Elke Anfang Dezember in Bad Sachsa. Dort hatte ich furztrockene Gans mit Grünkohl. Umpf! Ich neige gelegentlich zu kulinarischem Masochismus. An der Gans würde ich heute noch rumkauen, wenn ich nicht irgendwann aufgegeben hätte. Und der Grünkohl zur Gans – welcher Teufel hat mich geritten? Aber wer den Schaden hat muss nicht lange auf den Spott warten. Elke hat natürlich alles genauestens dokumentiert und in die Welt getragen und die einzige Chance da einigermaßen heil wieder raus zu kommen …. Es gab keine!
Und weil es dort grad so schön war, war unsere Weihnachtsgans eben auch ein bisschen trocken. Nur den Grünkohl habe ich mir verkniffen…… ich wollte meine Ehe nicht mutwillig aufs Spiel setzen!
Trotzdem bin ich froh, dass es vorbei ist. Ich hatte in den letzten Tagen viele Momente an denen ein innerer Wasserhahn aufgedreht wurde und ich einfach heulend rum saß. Die Psychologen meinen immer, das würde mir zustehen, das wäre normal, das darf ich zulassen. Jaaa – aber es bringt mir keine Erleichterung. Ich fühle mich danach nicht besser, ich sehe nur beschissener aus. Gestern Vormittag war es besonders schlimm. Ich konnte mich nachts schlecht bewegen und war morgens schon müde, kam vom Sitzen nicht gut hoch. Wir wollen eigentlich ins Fitness-Studio und ich hatte richtig Panik davor, wollte es Matthias aber nicht vermiesen und als die Sporttaschen gepackt waren stand ich (wiedermal heulend „genervtguck“) im Flur. Matthias wäre sofort mit mir zuhause geblieben aber in mir regte sich der typische Eva – Trotz und ich biss die Zähne zusammen und bin mitgegangen. Schließlich habe ich 2 Wochen keine Physiotherapie und ich muss schauen, dass die Rumpfmuskulatur, die ich zur Atmung brauche so lange wie möglich intakt bleibt.
Ja – und was soll ich sagen. Ich habe brav 40 Minuten an den Geräten trainiert und mit jeder Minute wurde meine Stimmung besser und meine Bewegungen geschmeidiger. Danach noch ein Saunagang und ich war mental wie körperlich wieder hergestellt! Was lernen wir daraus? Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst: NUR NICHT DEN KOPF HÄNGEN LASSEN!!! Und immer schön am eigenen Kragen hoch ziehen – es wird schon wieder.
Was ich noch gelernt habe: Je schlechter mein mentaler Zustand, desto schlechter reagiert auch mein Körper. Wenn ich traurig bin, mag er nicht mehr aufstehen. Darum heißt es mehr denn jemals zuvor. Lebe! Liebe! Lache! Und tu was Dir gut tut und Dich glücklich macht!!!
Aber es gibt noch einen anderen Grund warum ich froh bin, dass Weihnachten nun vorbei ist. Ich bin guter Hoffnung, dass unsere netten italienischen/griechischen Nachbarn ihre Weihnachtsdekoration um ihre Fenster bald abnehmen werden. Da wir nachts bei offenem Fenster schlafen, schien mir diese Hochleistungsdekoration immer direkt auf meine Bettseite und unterband sofort jegliche Melatonin-Produktion im Hirn. Ich musste meine Bettdecke also kunstvoll so vor mich drapieren, dass ich mit den Augen dahinter verschwand oder über eine Schlafmaske nachdenken…..
Ich hoffe sehr, dass die Dekoration nicht bis Ostern hängen bleibt…… ich kann mich noch an den Besuch bei einem Arbeitskollegen von Matthias erinnern, da stand kurz vor Ostern noch der komplette geschmückte Weihnachtsbaum, mit winterlicher Eisenbahn-Romantik-Welt darunter – allerdings weitestgehend von den Nadeln befreit, im Wohnzimmer. Ich hatte große Mühe nicht schallend zu lachen - das hätte sonst die verbliebenen 10 Nadeln vom Baum gefegt.
9. Heilig Abend 25.12.2016
Das war ein schöner heiliger Abend! Unsere Tochter und Schwiegersohn haben es richtig schön für uns gestaltet, unsere Emma rief bei jedem Päckchen „Boaaahhh“ egal ob es für sie war oder nicht und beide Mädchen waren mit ihren Geschenken beschäftigt. Ok – die Geschenke der Größeren (Mia) waren natürlich viel interessanter als die eigenen – aber die beiden Mädchen bekommen das immer erstaunlich reibungslos gebacken ohne sich in die Wolle zu kriegen.
Matthias und ich hatten dann Fondue zu Zweit. Zugegeben – ich hatte im Vorfeld ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Mein Leben lang habe ich immer versucht den Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich glaubte dass andere sie an mich stellen. Und wenn ich im Nachhinein dann gesagt hatte, dass es mir eigentlich zu viel war, wurde mir immer wieder gesagt, dass ich das hätte artikulieren müssen. Nun, das habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal getan. Es war ungewohnt aber gestern war ich sooo froh, es gemacht zu haben. Das Sprechen fällt mir gegen Abend immer recht schwer und ich gammel am liebsten auf meiner Couch rum, daddel auf dem Handy oder schau in die Glotze und hab dabei die Füße oben. Meine Ansprüche werden momentan immer weniger.
Langsam sehne ich den Treppenlift herbei. Unser Schlafzimmer mit unserem Boxspringbett, welches ich so unbedingt haben wollte, ist nun mal im oberen Stockwerk und es ist jeden Abend ein Geschiebe und Gezerre von Matthias und mir, mich nach oben zu bringen. Ich hätte ja noch unser altes Bett unten – aber unten ist das Bad wiederum zu klein und der Einstieg in die Dusche zu hoch – und außerdem, ich lass mir von ALS doch nicht vorschreiben wo ich zu schlafen habe, soweit kommts noch! Aber bis März werde ich wohl noch durchhalten müssen, das Teil ist mit Aufmaß gerade in der Schweiz und über Weihnachten passiert da auch nicht viel.
So…. das muss für heute genügen. Mein Mann hat sich geweigert am Freitag den „Kleinen Lord“ mit mir zu gucken. Er meinte er hätte ihn letztes Jahr gesehen –und das Jahr davor – und das Jahr davor – es reicht ihm jetzt. ABER… er wird gleich wiederholt….hähä… und DA muss er jetzt durch…. Ich glaub, wir haben auch noch Wäsche im Keller falls er nach einer Alternative sucht :)
8. Umbau 24.12.2016
Es gibt einen Spruch bei dem mein Mann regelmäßig behauptet er hätte ihn wirklich noch nie gehört. Kann eigentlich gar nicht sein, ich benutze ihn seit vielen Jahren regelmäßig.
Und zwar „Alles im Leben hat seinen Sinn“.
Manchmal sehen wir ihn nur nicht sofort. Gut – man könnte jetzt fragen worin der Sinn liegt, dass ich ALS bekommen habe. Aber ich bin mir sicher, es gibt einen. Und wenn ich nur einem einzigen Menschen ein bisschen Mut machen kann oder ihn zum Lachen bringen kann, dann ist das für mich auch schon irgendwie sinnvoll.
Aber ich wollte jetzt nicht anfangen zu philosophieren – ich wollte eher auf die praktische Schiene kommen.
Matthias wird im Sommer 60. Ursprünglich wollten wir diesen Geburtstag mit unserer ältesten und besten Freundin (das älteste bezieht sich auf die Dauer der Freundschaft – ich glaube es sind jetzt 42 Jahre oder so) in Calgary/Canada feiern. Canada war und ist immer ein Urlaubstraumland von uns gewesen und wir haben viele tolle Urlaubsreisen fast immer mit dem Wohnmobil unternommen und waren jedesmal begeistert.
Als sich meine zunehmende Unbeweglichkeit manifestierte und wir von unserer Mittelmeerkreuzfahrt ebenfalls sehr angetan waren (wobei – ich weiß nach wie vor nicht – wars die Kreuzfahrt oder die Pina Coladas) hatten wir die Idee im Sommer eine Kreuzfahrt ans Nordkap mit Spitzbergen und Island zu machen. Island ist nämlich auch so eine Reise, die ich unbedingt noch machen möchte. Aber Teufel auch - das Schiff war im November bereits völlig ausgebucht!.... HALLO??? Wer bitteschön ausser uns will denn im Sommer ans Nordkap und Spitzbergen? In den Sommerferien? Das ist nix für Kinder!! Viel zu kalt zum Baden und so…..
Nun auch tägliche Versuche des Reisebüros unseres Vertrauens (ich mach jetzt mal Werbung: TUI Reisecenter Aschaffenburg – liebe Susanne, liebe Iris – ihr seid der Hammer!!! Never jemand anders!!) brachten keinen Fortschritt – dieser Kahn war voll bis oben hin. Zwischenzeitlich beschlossen wir dann mit Iris und Frank über Ostern nach New York zu fliegen – auch etwas was ich unbedingt noch sehen will - dann kam der Treppenlift mit schlappen 18.000 Euro dazu, der Umbau des oberen Badezimmers wurde gedanklich auch immer teurer und irgendwann war uns diese Seereise eh ein bisschen zu teuer und wir haben auf Spitzbergen und Island verzichtet und „nur“ 11 Tage ans Nordkap gebucht. Alles gut!!
Ähnlich geht es uns gerade mit unserem Badezimmerumbau. Eigentlich wäre es keine sooo große Geschichte wenn es denn unsere Badezimmerfliesen noch gäbe, die wir vor 10 Jahren eingebaut haben. Die gibt es nämlich nicht mehr – heißt: alle alten Fliesen raus und komplett neue rein. Uff….!!! Teuer!!! Und das größte – ich komme mir bald vor wie in der Werbung der gelben Seiten – ich liege auf der Lauer und warte, dass ein Fliesenleger vorbeikommt. Auf den lass ich mich dann drauf fallen und halte ihn so lange gefangen, bis das Bad fertig ist – soll heißen, die melden sich schon gar nicht oder wenn äußerst widerwillig.
Nun hatten wir ja letzte Woche diesen unnützen Besuch im Sanitätshaus – und dieser Mitarbeiter, der dafür gesorgt hat, dass dieses Sanitätshaus nicht in die engere Wahl kommt, hat mich trotzdem auf eine Idee gebracht. Er fragte nämlich ob wir einen Badewannenlift bräuchten. Nein eigentlich nicht – unser Whirlpool sollte ja raus. Aber heute Morgen stand ich so in unserem Bad und dachte – warum eigentlich nicht alles so lassen wie es ist und einen Badewannen-Schwenklift einbauen. Dann kann ich in der Wanne gewaschen werden, Matthias behält seine Dusche – eventuell muss nur ein Waschbecken raus und gut ist.
Also: alles im Leben hat seinen Sinn!!! Danke ihr lieben Fliesenleger fürs „Nicht-Melden“!!! Für die gesparte Kohle machen wir lieber noch eine andere tolle Reise!!!
7. Weihnachten 2016 23.12.2016
Morgen ist Heilig Abend. Weihnachten ist immer eine sentimentale Zeit aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. Ich bekomme viel mehr Post als jemals zuvor und heute lag wieder ein Strauß Blumen vor der Tür – diesmal von meinem Zahnarzt und seiner Frau. Von Ute lag ein wunderschöner Kalender im Briefkasten, von Rosi eine Karte mit den Worten: Im Leben zählt dies zu den schönsten Gaben – eine Freundin sein und eine haben. Meine Tante hat mir einen wundervollen Brief geschrieben und mein Chef eine derart nette Email. Ich sitze also ununterbrochen irgendwo heulend in der Ecke – aber nicht weil ich so unglücklich bin, sondern weil ich so gerührt bin. Obwohl – ein bisschen unglücklich bin ich auch. Ich bemühe mich sehr nicht länger als maximal ein halbes Jahr im Voraus zu denken aber manchmal fällt es schwer. Wir waren diese Woche im Sanitätshaus und haben uns nach einem Reiserollstuhl umgesehen. Inkompetenter Mitarbeiter – reine Zeitverschwendung. Und eigentlich war ich froh, dass das Thema Rollstuhl noch ein bisschen aufgeschoben ist denn auch wenn ich mich permanent damit beschäftige – es macht mir eine Höllenangst dass das am Ende wirklich ich sein soll, die da drin sitzt.
Auch dieses Weihnachten ist anders als sonst. So viele Jahre hat sich die Familie bei uns versammelt, dies ist das erste Jahr an dem wir nachmittags bei meiner Tochter und ihrer Familie sind und abends allein zuhause. Wobei das „allein“ ist kein Problem – nur dass es schon wieder eine Veränderung ist. Das geht alles so schnell, obwohl ich eigentlich dankbar sein muss. Obwohl im Sommer 2015 die ersten Symptome auftauchten kann ich immer noch laufen.
So!! Jetzt ist aber gut mit dem Gejammer! Aufstehn – Krone richten – Mittelfinger raus - weiter geht’s!
Im August hatte ich den ersten Termin in der DKD. Wieder Blutabnahme, Ultraschall, neurologische Untersuchung - und bei jedem negativen Befund hangelten wir uns weiter vorwärts. Schädel- und Halswirbel MRT, Lumbalpunktion und ständige Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen. Irgendwann hab ich gesagt: Ich will nur irgendeine Diagnose – aber nur 1 Tag später hab ich das korrigiert in: Ich will nur irgendeine Diagnose AUSSER ALS. Komischerweise – obwohl ich so wenig von der Krankheit wußte, hatte ich ein ungutes Gefühl und bei Dr. Google landete ich bei meinen Symptomen leider auch immer wieder auf den ALS – Seiten.
Irgendwann kam dann ein auf Motoneuronenkrankheiten spezialisierter Arzt ins Spiel, der mich auch noch mal ausgiebig untersuchte und dann ließen mich 2 Dinge aufmerken A) er meinte, die bisherigen Einschränkungen wären wohl nicht rückgängig zu machen und B) ich solle das nächste Mal meinen Mann mitbringen. Dazwischen lag noch eine Mittelmeerkreuzfahrt und eine nicht unerhebliche Anzahl von Pina Coladas liesen mich diesen Termin vergessen.
Der 19. Oktober war dann DER Tag. Der Arzt wurschtelte umständlich auf seinem Schreibtisch rum und schob einen Papierstapel hin und her und ich hatte schon den Eindruck, er muss erst noch überlegen wie er anfängt. Und dann kam der Satz, der mein Leben veränderte: Kennen Sie Amyotrophe Lateralsklerose? Ja verdammt!!! Hab ich denn genuschelt als ich sagte: Alles AUSSER ALS???? ALS = Aller Letzte Scheiße!
6. Hinfallen und Aufstehen 22.12.2016
Den nächsten Freiflug hatte ich direkt am 2.Tag unserer Reha. Wir kamen vom Frühstück, Matthias lief etwas vor mir und auf einmal segelte ich in gestrecktem Galopp wie ein gefällter Baum vor seine Füße. Standardfrage ist von Umstehenden immer: oh Gott, ist ihnen schlecht? – Nein schlecht war mir nicht – ich musste jetzt erst mal ganz vorsichtig alles bewegen und testen ob es noch ging – und es rannte auch schon einer los, eine Schwester zu holen. Und es kam auch ein zierliches junges Mädchen mit Rollstuhl um die Ecke geschossen. „Ach Gott“ rief sie „Diese blöde Treppe“. Ich: „ Äh, nein, die Treppe hat nichts damit zu tun“. Sie: „Die ist aber auch steil“ Ich: „Nein, ich bin die Treppe nicht runterfallen“ Sie: „Ich rechne immer damit, dass da mal jemand runterfällt“ Ich: „ICH BIN DIE TREPPE NCHT RUNTER GEFALLEN!!!“.
Soweit so gut… mit vereinter Hilfe wurde ich in den Rollstuhl gehievt und ins Arztzimmer geschoben. Der Doktor (irgendein osteurpäischer Name) „Gutän Taag – waas iest passiert?“ – Die Schwester: „Die Dame ist die Treppe runtergefallen“ …….AAAARRRRGGGGGGHHHHH!
Ok, wir konnten zu guter Letzt klären, dass ich nicht die Treppe runtergefallen bin und der Dottore diagnostizierte „Muhskälschwäääche“ – toll, da wäre ich von allein ja nie drauf gekommen!
Ich hatte jedenfalls Prellungen an beiden Armen aber gebrochen war zum Glück nix. Ich konnte mich zwar weder anziehen, noch Schuhe binden, noch eine Tür aufmachen oder ein Stück Fleisch schneiden aber heute sehe ich es als Vorbereitung für meinen Mann – das muss er in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich eh machen. Und ich wurde zum Laufen mit Rollator verdonnert. Boah Leute – echt jetzt – DAS war furchtbar!!! Mit diesem Omateil durch die Gegend zu schieben und rechts und links von jeder 70jährigen überholt zu werden. Mein Ego konnte sich sehr lange überhaupt nicht daran gewöhnen und ich hab mich irgendwie geschämt. Zumal man in den Rehakliniken auch mit unhandlichen Traktoren ausgestattet wird. Ausserdem ging dieses Teil fast nicht ins Auto - und da das Essen in dieser Klinik (im Gegensatz zu Freiburg das Jahr davor) eher nicht so prickelnd war, sind wir am Wochenende immer nach Kappeln abgehauen (dort wurde übrigens der „Landarzt“ gedreht – wunderschöne Ortschaft) um Essen zu gehen. Wir haben dann mal bei Amazon geschaut, einen zusammenklappbaren Leichtrollator gab es da schon für 100 Euro und ich dachte – wenn ich den nicht mehr brauche, kann ihn Mutter kriegen. Ich hatte jedenfalls nicht vor, mich an dieses Teil zu gewöhnen. Den haben wir dann bestellt und das war wenigstens eine kleine optische Verbesserung.
5. noch mehr Krebs 20.12.2016
Am 16. Juni 2015 war es dann endlich so weit. Matthias (mein Mann) saß hier schon im gepackten Wohnwagen, ich eilte zur letzten Bestrahlung und zur Abschlussbesprechung und schon waren wir auf dem Weg nach Südtirol. Eigentlich wollten wir nach Kärnten aber das Wetter war in Meran einfach besser und ich war soooo glücklich…. Fertig mit der ganzen Kacke – FUCK YOU CANCER. Mich hat er nicht gekriegt!!! Es war ein wunderschöner, erholsamer Urlaub. Endlich wieder Golfen und als wir die Seiser Alm entdeckten hatten wir wunderschöne Wanderungen auf dem Programm. In bisschen komisch fand ich, dass ich steile Wege nur sehr schwer hoch kam und relativ schnell aus der Puste war. Das kannte ich von mir ja überhaupt nicht. Auf der anderen Seite – 10 Monate Chemo und Bestrahlung – das kann einen vermutlich schon fertig machen. Ich vertraute darauf, dass sich das im Laufe der Zeit schon geben wird. Direkt im Anschluss an den Urlaub hatte ich 3 Wochen Anschlussheilbehandlung in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg und die würden mich schon wieder auf Vordermann bringen.
Nach dem Urlaub blieben mir dann auch genau 3 Tage Zeit, meine Wäsche zu waschen und neu zu packen und dann düste ich nach Freiburg im Breisgau und trat meine 3 wöchige Reha an. Freiburg ist eine tolle Stadt und die Patienten der Rehaklinik haben im Mittel auch eher so meinen Altersdurchschnitt, was ich sehr angenehm empfand. Die Zimmer waren sehr schön, in die eine Richtung lief man 20 min. in die Innenstadt, in die andere war man in 20 min. an einem Badesee mit Biergarten und wenn es nicht so affenartig heiß gewesen wäre ( immer locker über 35 Grad) wäre es gar nicht zu aushalten gewesen.
Leider waren auch ein paar sehr junge Menschen dort zur Reha – ein junger Mann mit Mitte 20 nach Leukämie und einige jüngere sehr attraktive Frauen wie ich nach Brustkrebs. Das Gebalze der männlichen Patienten um diese jüngeren Mädels war ausgesprochen erheiternd. Die Mädels hatten alle gesunde und wie ich bei Besuchen feststellen konnte auch attraktive Ehemänner zuhause – aber da glaubten doch wirklich ein paar, sie würden diese für einen krebskranken älteren Herrn verlassen. Naja.. auch hier stirbt anscheinend die Hoffnung zuletzt.
An den Wochenenden kam Matthias und wir gingen überwiegend zu Golfen. Unter der Woche war ich in so ziemlich jeder Sportgruppe die es gab und es funktionierte alles prima. Komisch fand ich nur, dass es mir zunehmend schwerer fiel, aus der Hocke freihändig hoch zu kommen und hohe Stufen konnte ich auch kaum noch ohne Handlauf schaffen. Da mein Krebs hormonabhängig war nahm ich zu diesem Zeitpunkt schon Aromatasehemmer – ein Medikament zur Unterdrückung von Hormonen. Das sollte eine Wiederkehr oder Metastasen verhindern. Dummerweise hatte ich vorher den Beipackzettel gelesen und in meinen diversen Brustkrebsforen wurde auch über die Nebenwirkungen um Wette gejammert – und so schob auch ich jedes Wehwehchen (eben diese Schwäche in den Beinen oder eine Steifheit in den Beinen morgens) auf dieses Medikament. Laufen wurde irgendwie immer anstrengender aber mit Schmerzmitteln kam ich komischerweise ganz gut klar. Eigenartig war auch, dass ich nach ein bisschen Anstrengung auf einmal tagelang Muskelkater bekam. Aber wie gesagt, für mich war Anastrozol daran schuld – und ansonsten machte ich mir keine weiteren Gedanken.
Im Winter 2016 wurden meine kleinen Unpässlichkeiten auf einmal völlig unwichtig. Wurde doch bei meinem Mann Schilddrüsenkrebs festgestellt. Er stand seit Jahren unter Beobachtung einiger kalter Knoten und da diese wieder minimal gewachsen waren, meinte sein Radiologe, es wäre Zeit eine Biopsie zu machen. Diese Biopsie brachte kein eindeutiges Ergebnis und so beschlossen wir, den größeren Knoten auf der einen Seite entfernen zu lassen. Zeitgleich fing ich auf einmal an zu Watscheln wie eine Ente. Ich bekam den Fuß nicht mehr abgerollt und es fühlte sich komisch an zu Laufen – das war der Moment an welchem ich beschloss bei meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung diesen Aromatasehemmer abzusetzen, ich wollte aber erst die Meinung meiner Onkologin, der ich sehr vertraue.
Die OP von Matthias ergab, dass dieser Knoten bösartig war. Ich saß an dem Tag in meinem Büro auf der Arbeit und heulte was das Zeug hielt. Eine Schreitherapie im Wald wäre die einzige Möglichkeit gewesen, meine Angst, meine Wut und meinen Frust raus zu brüllen – aber pflichtbewußt wie ich bin, blieb ich brav sitzen.
Matthias kam am nächsten Tag gleich wieder unters Messer, die komplette Schilddrüse wurde entfernt und leider war auch schon ein Lymphknoten befallen. Nun ist Schilddrüsenkrebs zum Glück ein Krebs mit extrem guten Heilungschancen. Er musste auch keine Chemo oder Bestrahlung machen. Er verschwand für 4 Tage in der Radiologie in Würzburg, bekam radioaktives Jod, strahlte ein paar Tage wie ein Kernkraftwerk und kam wieder nach Hause. Das wars! (Ok, die Prozedur wurde im Oktober nochmal wiederholt und im Januar werden wir dann wissen ob alles weg ist)
Im April hatte ich dann meine Nachsorge. Entgegen meiner sonstigen Art saß ich heulend im Arztzimmer und jammerte dass ich diese Tabletten nicht mehr will und überhaupt – ich kann nicht mehr ordentlich laufen und auch sonst ist irgendwas anders als sonst. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich für den nächsten Tag einen Termin beim Neurologen.
Im April ging es also los mit der Suche nach dieser geheimnisvollen Muskelschwäche. Erst wurde ein Lendenwirbel MRT gemacht – nichts. Blutuntersuchung – nichts. Elektromyograhie ergab eine Schädigung der Muskeln in den Beinen. Aber das hätte alles eine späte Nebenwirkung der Chemotherapie sein können.
Und so ging ich wieder nach Hause, mit dem Ratschlag – wenn es nicht besser wird, soll ich mich in der Diagnose Klinik Deutschland in Wiesbaden um einen Termin bemühen.
Also hab ich erstmal abgewartet. Die Ligasaison im Golfclub ging wieder los – ich hatte meinen alten Job als Kapitänin wieder, konnte aber nicht mitspielen weil ich einfach zu langsam beim Laufen war. Wir fuhren in die Toskana – die Ruhe, das viele Liegen taten mir sehr gut und ich dachte –ui, es wird besser! Alles gut, war doch nur eine Nebenwirkung.
Zurück zu Hause wurde es aber wieder eher schlechter und ab Ende Mai bemerkte ich eine leichte Veränderung meiner Sprache. Sie wurde etwas verwaschener und manche Buchstabenkombinationen wie z.B. „tz“ wurden zu Zungenbrechern. Ich informierte erstmal meinen Chef darüber – nicht dass er am Ende auf die Idee kommt, ich hätte meinen Flachmann im Büro. Er lachte und meinte: Ok – aber das ist kein Freibrief!!
Zeitgleich machte ich nun doch mal einen Termin in der DKD in Wiesbaden. Da Matthias und ich eine gemeinsame onkologische Reha im Sommer an der Ostsee genehmigt bekommen haben, bat ich darum den Termin auf Mitte August zu legen – und so bekam ich ihn auch direkt im Anschluss an die Reha.
Im Sommer hatten wir dann 5 wundervolle Wochen geplant –erst 2 Wochen zusammen mit meiner Schwester und meinem Schwager Camping in der Nähe von Kiel, diekt an der Ostsee und danach in Schönhagen 3 Wochen Reha.
Im Urlaub flog ich das erste Mal der Länge nach hin – auf dem Campingplatz auf einer Wiese. Ich saß also auf der Wiese und rief nach meinem Mann. Irgendwie war meine Stimme nur nicht mehr so kraftvoll wie früher und er hörte mich nicht. Dafür kam aus einem Wohnwagen eine Frau gerannt, die mir helfen wollte – nun bin ich ja kein Leichtgewicht und von alleine kam ich einfach nicht mehr hoch. Ich schickte sie zu Matthias, der kam und half mir hoch. Und das war der Moment wo mir klar wurde – Scheiße, ich glaube das ist nix gutes – das könnte schief laufen!
Wir redeten es uns schön – da war bestimmt ein Loch, in welches ich rein getreten bin…. Und das wird schon wieder. Meine Freundin Andrea versuchte über Onkologin und Neurologen meinen Termin in der DKD vor zu verlegen – das klappte allerdings nicht und im Nachhinein war ich auch ganz froh drüber.
4. Mutter 19.12.2016
Im Sommer 2014 ist dann noch etwas passiert. Da meine Mutter ziemlich allein in Würzburg saß und ihre Gesundheit nicht die allerbeste war, hielt ich es für eine gute Idee, sie hier in den Ort zu holen. Erst wollte sie nicht – aber nach einer weiteren Bronchitis hat sie zögernd ja gesagt und wir haben erstaunlicherweise auch sofort eine schöne Wohnung im Erdgeschoss mit Balkon gefunden. Kurz danach war ich dann zeitweise nicht mehr der Meinung eine gute Idee gehabt zu haben. Die Küche, die sie übernehmen musste, war schrecklich (also für sie nicht für mich), das Bad war schrecklich, die Kinder die vor dem Haus spielten waren viel zu laut, die Haustüre wurde morgens zu laut zugeknallt, die Kellertür abends übrigens auch – und irgendwie zog ich mir jeden Schuh an und fühlte mich ununterbrochen schuldig ihr dies alles angetan zu haben. Dann wurde ich im September krank. Das rettete mich aber nur ca. 7 Wochen – denn dann bekam sie die Diagnose Speiseröhrenkrebs – und zwar schon so weit fortgeschritten dass sie kaum noch schlucken konnte und ihr eine PEG gelegt werden musste. Dr. Google warf aus, dass Speiseröhrenkrebs eine Überlebenschance von 20% hat und das auch nur wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Meine arme Schwester saß in Norddeutschland und reiste ununterbrochen an um ihre verkrebste Familie zu unterstützen und da der Krebs von Mutter natürlich schlimmer war als meiner geriet ich ein bisschen in den Hintergrund. Ich war einfach auch immer viel zu gut drauf als dass man meine Krankheit wirklich ernst nehmen musste (damit meine ich nicht dich Elke –das weißt du). Mutter kam dann in Blöcken zur Chemo und gleichzeitigen Bestrahlung ins Krankenhaus - natürlich ins schlimmste Krankenhaus aller Zeiten (es reihte sich nahtlos an Küche, Bad, laute Kinder und knallende Kellertür) und die Tage nach ihren Krankenhausaufenthalten waren die reinste Hölle. Ihr ging es mega schlecht und ich sprang zwischen Mutter, eigener Chemo und eigenen Infekten hin und her. Meine Schwester reiste wieder an um mir Mutter zumindest für die ersten Tage abzunehmen. Aber sie hatte auch noch Job und Mann und eine Kneipe zu führen und fing an, sich selber zwischen dem ganzen Fiasko aufzureiben. Damals knickte ich schon die ersten Male mit dem Fuß um und so humpelte ich mit dickem Knöchel in der Gegend herum, mein Optimismus ging langsam gleitend den Bach runter. Irgendwann war ich mental so fertig, dass ein falsches Wort mich explodieren ließ und ich meiner Mutter vorwarf, wenn es so weiter ginge, würde sie am Ende leben und ich wäre tot. Jaaaa… ich weiß, das war nicht nett – aber „nichtnett“ kann ich ab und an auch sehr gut. Ich hätte trotzdem meine Klappe halten sollen, scheinbar hatte ich noch nie was von „self fulfilling prophecys“ gehört. Aber gesagt ist halt gesagt. Das war alles im Frühjahr 2015 und meine Mutter lebt immer noch. Unglaublich - ihr Krebs war und ist weg. Ich habe jetzt ALS.
Bei mir ging ab April der Block mit den Bestrahlungen los. Das war eigentlich nur noch lästig. Die täglichen Fahrten ins Klinikum - ein paar Minuten piep piep piep von allen Seiten und fertig. Blöderweise bildete sich unterhalb der Brust eine offene Stelle und da ich auf gar keinen Fall auch noch die Bestrahlung aussetzen wollte besorgte mir mein Mann einen kleinen Handföhn und ich lag zuhause wie ein Maikäfer auf dem Rücken und föhnte meine Brust in der Hoffnung das ganze austrocknen zu können. Natürlich wollte ich jetzt auch endlich wieder Golf spielen und ich hatte meiner Freundin Karin versprochen ihr bei einem Ligaspiel sowohl als Captain als auch als Spielerin auszuhelfen. Diese offene Stelle an der Brust war aber ein echtes Problem. Der BH rieb genau dort und es war heiß, ich schwitzte und die Drehbewegung beim Schlag war ausgesprochen kontraproduktiv.
Nun hab ich ja hin und wieder ganz gute Einfälle also habe ich bei Aldi bei meinem nächsten Einkauf Damenbinden gegen Inkontinenz besorgt und sie mir in den BH gestopft. Das Gesicht der Kassiererin war Gold wert. Es stand ihr auf der Stirn was sie dachte: „Die arme Frau…… keine Haare auf dem Kopf und in die Hose püschert sie auch“ Aber egal – es hat funktioniert und ich habe sogar ziemlich gut gespielt.
3. Paris 18.12.2016
Der Unterschied zwischen Krebs und ALS liegt definitiv in der Möglichkeit der Wahl. Bei Krebs hatte ich eine Wahl der Behandlung – bei ALS hab ich nur blöd aus der Wäsche geguckt. Obwohl – soooo einfach war das auch wieder nicht. Nach der OP im September war der Krebs weg und die beiden Wächterlymphknoten frei, bis auf eine Delle im rechten Mops war alles gut. Ich dachte – prima, das wars – Arrivederci Krankenhaus! Aber weit gefehlt. Standardprocedere ist OP – Chemo (16 Stück) und Bestrahlung. Die Überlebenschancen sinken mit jeweils 30 % wenn man eine Komponente auslässt. Nun - es gibt Dinge von denen ich einfach keine Ahnung habe. Politik zum Beispiel. Da habe ich eine Meinung und ich informiere mich aber ich maße mir wirklich nicht an, Hintergründe zu verstehen oder es in irgendeiner Art besser machen zu können. Medizin ist auch so ein Bereich. Ich bin zwar Stammgast bei Dr. Google und weiß wie man Ohrenschmerzen mit Zwiebelsäckchen oder Fieber mit Wadenwickeln bekämpft– aber damit sind meine Kenntnisse auch schon weitestgehend erschöpft. Also da sitzt man nun und schaut sich den entsprechenden Arzt an und entscheidet mehr oder weniger nach Vertrauen. Und eins kann ich sagen – ich hatte tolle Ärzte, menschlich wie fachlich. Und da ich nicht schuld sein wollte wenn der Krebs wiederkommt habe ich dem ganzen Block zugestimmt.
Mein größtes Problem war eigentlich unsere Paris – Reise, die genau zwischen die erste und zweite Chemo fallen sollte. Aber nach Rücksprache mit meiner Onkologin haben wir die Reise angetreten. Paris war wunderschön, wir hatten Anfang November 20 Grad, die Sonne schien und ich wurde gleich erstmal krank. Was ich erst später mitbekam – nach jeder Chemo donnerten meine Blutwerte in den Keller. Die Chemo als solches habe ich gar nicht als sooo schlimm empfunden, daß ich permanent einen Infekt hatte und immer gleich flach lag, hat mich echt genervt – zumal ich ständig eine Chemo ausfallen lassen musste, weil nicht auf einen Infekt drauf therapiert wird und somit zog und zog sich die Behandlung immer weiter in die Länge.
Gut, das französische Gesundheitssystem hatte ich damit auch kennen gelernt und mit Antibiotika und Schmerztabletten bewaffnet habe ich den Aufenthalt trotzdem sehr genossen. Meine Haare waren auch so lieb und haben Paris noch gehalten – auf dem Weg zurück hatte ich dann das erste Büschel in den Händen. Innerhalb von 10 Tagen hatte war der Kopf kahl und ich fand sogar, dass es mir stand. Es war nur ungewohnt kalt am Kopf! Die nächste Zeit verbrachte ich mit dem Kauf von Mützen und Schals, eine Perücke hatten wir schon vorsorglich ausgesucht – ja und so dauerte es bis Anfang April bis ich mit dem ganzen Mist durch war.
Wer jetzt glaubt, bei einer Chemo hängt man kotzend über der Toilettenschüssel…. Weit gefehlt! Cortison und eine Menge anderer Medikamente verhindern dies erfolgreich – mit dem doofen Nebeneffekt: Ich war wild auf Käsekuchen! Und man mag es kaum glauben - innerhalb von 3 Monaten waren meine 15 kg wieder drauf und dank des Cortisons sah ich aus wie ein Mondkalb. Das Mondkalb verschwand langsam – die 15 kg blieben
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2. Knitterfreies Wasser 17.12.2016
Und so fuhren Karin und ich dann auch im September 2014 zusammen nach Würzburg. Das war keine große Geschichte – die Biopsie wurde gemacht, die Diagnose wurde mir in homöopatischen Dosen verabreicht aber dieser Tag wird mir aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben. Mein Schätzlein Karin brauchte dringend ein neues Make up. Und so fielen wir auf dem Rückweg zum Auto in einer der nobleren Parfümerien Würzburgs ein. Man muss erklären, ich halte mich nicht für unattraktiv – aber mit Makeup hab ich es nicht so – und neben meiner wunderschönen, zierlichen, mit langen schwarzen Haaren ausgestatteten Freundin Karin komme ich mir nun mal vor wie der allerletzte Bauerntrampel vom Dorf. Der offensichtlich nicht wirklich an Frauen interessierte (ich meine das jetzt rein sexuell) Verkäufer (ich glaube es war der Juniorchef) wuselte auch gleich hektisch um Karin, das Make up das ihr fehlte war natürlich kein Discounterprodukt. Er holte gleich noch Puder, Lipgloss, und ein Gesichtswasser das alle Falten wie durch Zauberhand entknittert und so pinselte und sprühte er an Karin rum und ja…… sie sah in der Tat NOCH besser aus als vorher. Nachdem er mit ihr fertig war ruhte sein Blick auf mir und auf einmal stand die Frage im Raum: Wollen Sie auch mal? Ich hab die Backen aufgeblasen, mit den Schultern gezuckt und sowas wie ein „ja“ gemurmelt! „Ich seh schon“ sagte er „sie sind eher der puristische Typ“…. Ja wo er Recht hat hat er Recht! Aber auch ich wurde bepinselt und besprüht und vor allem dieses „Knitterfrei-Wasser“ hatte es mir angetan. Also das musste ich haben – und das Puder! Schnell ein Blick auf die Marke – aha Chanel – naja, man gönnt sich ja sonst nichts! Und dieses Wasser (pffff…Wasser in einer Dose, was kann das schon kosten) Um es kurz zu machen - das Wasser kostete 80 Euro, es wäre mir peinlich gewesen, es zurück zu geben, Karin stellte ihres diskret wieder ins Regal und am Ende sind wir beide mit ca. 300 Euro Kosmetika lachend aus der Parfümerie gedappelt und ich überlegte wie ich meinem Mann ein Wasser für 80 Euro erklären werde.
1. Icebucket Challenge 16.12.2016
Wie konnte mir DAS passieren?
Vor 2 Jahren habe ich als lebhafte Facebook-Userin kleine Filmchen gesehen wo sich mehr oder weniger bekannte Menschen einen Eimer Eiswasser über die Rübe geschüttet haben. Als dann auch meine Schwester und diverse Freunde nass wurden habe ich mal vorsichtig nachgefragt, worum es hier überhaupt geht. Elke (meine Schwester) informierte mich kurz über ALS – Amyotrophe Laterealsklerose – eine sehr seltene neuromuskuläre Erkrankung für die es keine Heilung gibt. Da aber eine Person aus ihrem Bekanntenkreis daran erkrankt wäre, würde sie sehr gerne mitmachen. So weit so gut – es gibt ja einige furchtbare Krankheiten. Und selten klingt ja auch gar nicht schlimm – selten ist auch ein Lottogewinn und da war man trotz dem Risiko mitzuspielen auch noch nie dran. Damit hatte ich von ALS gehört, die Kampagne fand ich prima, die Aktion fand im Sommer 2014 statt, ich war kerngesund und freute mich auf einen Urlaub in Cornwall.
Vor diesem Urlaub bekam ich wieder mal die zweijährige Aufforderung, mich zur Mammographie einzufinden, was ich in der Vergangenheit sehr gerne ignorierte. Das war vielleicht ein bisschen leichtsinnig, war doch meine Oma daran gestorben und meine Mutter mit Mitte 50 ebenfalls daran erkrankt – aber MIR passiert sowas doch nicht. Ich ernähre mich streng nach den Regeln der Weightwatcher (was natürlich erkennen lässt dass ich mein Leben lang mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte – es gibt 2 große Unternehmen deren Hauptverwaltungen ich mitfinanziert habe: immer im Wechsel Weightwatchers oder Ulla Popken) – ich rauche nicht…äh… fast nicht…also nur manchmal … im Sommer….über meinen Alkoholverbrauch schreibe ich nichts!!!! Der Schuss ginge nach hinten los.
Aber egal, ich war ja gesund und fit, mir tat nichts weh und ich hatte gerade mal wieder 15 kg abgenommen und fühlte mich ausgesprochen attraktiv.
Irgendetwas hat mich dann aber doch veranlasst nach dem Urlaub zu dieser Mammographie zu gehen und als eine Woche später Post im Briefkasten war hatte ich erst überhaupt keine Lust diese aufzumachen. Umso mehr traf mich der Schlag als ich lesen musste, ich solle mich doch bitte in Würzburg zur genaueren Abklärung einfinden und nachdem man mir am Telefon sagte, ich solle eine Begleitperson mitnehmen, da ich nach einer möglichen Biopsie nicht selber fahren kann, habe ich dann doch die linke Augenbraue hoch gezogen.
Da mein Göttergatte keine Zeit hatte, mich nach Würzburg zu fahren fragte ich meine Freundin Karin, die sich auch sofort bereit erklärte.
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12. Internet 31.12.2016
Ja – das Internet. Ohne das Internet und vor allem ohne Facebook hätte ich überhaupt keine Ahnung, wie doof Deutschland zum Teil ist. Vor 16 Jahren hatte ich so meine ersten Online-Gehversuche. Damals gab es noch AOL mit seinen Chatrooms. Da passten so 40 Leute rein, und die Konversation wurde immer mit einem „Hallo“ eröffnet und spätestens nach dem ersten Rechtschreibfehler stürzte sich die Meute auf den vermeintlichen Analphabeten. Aber wie gesagt, das war in einem „Onlineraum“ mit abgezählter Belegschaft und es gab einige Leute die da halt ihren Frust aufs Leben los gelassen haben. Dasselbe passiert heute auf Facebook, bevorzugt unter Pressemitteilungen aber auch wenn ein sogenannter „Star“ nicht so spurt wie es die Menge wünscht rauscht mal eben ein Shitstorm über ihn hinweg. Ja wir leben in schwierigen Zeiten. Obwohl – ich denke die Zeiten waren immer schwierig, wir haben es nur nicht so mitbekommen und nicht jeder Klevi und Plevi konnte sich zum Experten für so ziemlich jedes Thema aufspielen.
Aber das Internet bietet auch Möglichkeiten die ich echt klasse finde. Ich habe lange verschollene Freunde wieder gefunden und pflege Kontakte, zu Freunden die weit weg wohnen, viel einfacher (Christiane in Calgary erscheint mir oft nur eine Ortschaft entfernt) – und man mag es kaum glauben, ich habe tolle Menschen hier kennen gelernt. Nicht in der großen Masse aber manchmal bemerkt man am Schreibstil einer Person ob es passt oder nicht.
Rosi war die erste. Wir haben uns nicht bei Facebook kennen gelernt sondern bei der damalig deutschen Alternative „wer-kennt-wen?“ Ich habe keine Ahnung mehr wie wir das angestellt haben aber Rosi und ich haben sozusagen „gematcht“ (soll heißen gemätscht – hihi). Rosi ist über die Jahre eine so gute Freundin geworden, man mag es kaum glauben, dass wir uns noch nie live gesehen haben. Als meine Haare von der Chemo ausfielen, lag am gleichen Tag ein Päckchen vor der Tür mit einer selbst gehäkelten Mütze – natürlich von Rosi. Ich bekam übrigens noch eine zweite Mütze von Annette, die ich aus dem Golfclub kenne und mit der ich gar nicht sooo eng bin – auch das hat mich total gerührt. Ein Treffen von Rosi und mir ist für 2017 auf jeden Fall gesetzt!!!
Als nächstes hab ich Manu aus Berlin kennengelernt – über das selten blöde Spiel „Monstergarten“. Und auch wir sind über die Jahre aneinander hängen geblieben. Und ich hoffe, dass wir uns im März in Berlin kennen lernen.
Und meine neueste Seelenverwandte heißt Lisa! Lisa hat wie ich ALS. Schon etwas länger als ich und sie hat die bulbäre Form – soll heißen es begann in der Zunge und sie kann schon etwas länger nicht mehr sprechen und muss sich über eine PEG ernähren. Im Internet merkt man von unseren „Einschränkungen“ nichts. Das Hirn ist hellwach und solange wir einen Finger bewegen können, wird getippt und wenn das nicht mehr geht gibt’s die Computer mit Augensteuerung. Und das sieht dann immer aus als wären wir alle kerngesund.
Lisa hat einen ähnlichen Humor wie ich. Meiner war schon immer schwarz und mit fortschreitender Krankheit wird er auch immer schwärzer und ich hatte das Gefühl, dass es bei Lisa ähnlich ist. Nun wohnt sie zwar nicht um die Ecke aber doch für einen Tagesausflug in erreichbarer Nähe und so haben wir uns vergangenen Donnerstag getroffen.
Nun ist es ja sowieso schon aufregend einen neuen Menschen kennenzulernen. Aber für mich war es der erste Kontakt mit einer Leidensgenossin und ich war unheimlich gespannt, wie das so laufen würde. Und ganz ehrlich – besser hätte es nicht gehen können. Lisa ist noch unheimlich gut auf den Beinen unterwegs, wie gesagt, Sprechen geht halt nicht mehr und der linke Arm hat ebenfalls seinen Geist aufgegeben. Und so öffnete Sie die Tür, hüpfte halbwegs vor mir her immer gestikulierend (fand ich auch recht gut verständlich) und ich torkelte ununterbrochen quatschend hinter ihr her.
Kommunikation lief 1 A! Ich redete – sie hörte zu! Mit dem Tablett und der Voice App konnten wir uns gut verständigen und später kam ihr Mann dazu und die Zeit verflog wahnsinnig schnell.
Ja… Internet! Ohne Internet wüsste ich nicht wie doof manche Menschen sind. Herzlos, hasserfüllt, ungebildet, wütend, negativ, neidisch und ängstlich. Ohne Internet würde ich aber nicht diese unglaublichen Menschen, die mein Leben bereichern, kennen lernen und dafür nehme ich die Anderen gerne in Kauf.
11. Zeit 29.12.2016
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie lange das Leben dauert, wenn man jung ist und dringend auf etwas wartet? Wie endlos lange hat es gedauert bis ich endlich 10 war und in der Pubertät gab es doch nichts Wichtigeres als endlich volljährig und unabhängig von den Eltern zu werden. Wie albern – als ob man mit 18 unabhängig wäre. Das einzige was man kann ist Kaufverträge abschließen, die sich nur noch sehr schwer bis gar nicht rückgängig machen lassen oder wählen zu dürfen obwohl man von Politik überhaupt keine Ahnung hat weil die Party nächstes Wochenende wesentlich interessanter ist.
Irgendwann geht dann eine mehr oder weniger ernsthafte Suche nach dem richtigen Partner los – man will ja auch eine eigene Familie – Kloster hatte ich zu Schulzeiten schon genug, das war keine Option. Und ich muss zugeben DAS war nicht so ganz einfach. Ich habe zum Leidwesen meiner Mutter nämlich viele Frösche geküsst bis ich meinen Traumprinzen gefunden habe.
Ich bin vom Sternzeichen Löwe. Ich glaube zwar nicht an Horoskope aber an den Charaktereigenschaften bestimmter Sternzeichen ist meiner Meinung wirklich etwas dran. Ich bin nämlich eine ganz typische Löwin. Wenn ich auf eine Party gehe und es beachtet mich keiner gehe ich nach spätestens 10 Minuten wieder…. Aber das ist ja zum Glück noch nie passiert :)
Nun hatte ich als junges Mädchen einen Faible für Männer mit großem Ego und noch größerem Mundwerk. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert - wir drängelten immer gemeinsam durch die Tür und blieben im wahrsten Sinne des Wortes stecken – in der Tür und in der Beziehung, die auch nie allzu lange dauerte. Ab und an hatte ich dann mal einen Frosch, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas….ja.. GÄHN….. wie langweilig war DAS denn?
Ich war also auf der Suche nach einem selbstbewussten Mann mit einer mir adäquaten Bildung - nicht dass ich mich für so wahnsinnig schlau halte (oder doch?) – einen, der mich bewundert und gleichzeitig am Zügel hält. Mein Vater hat - wenn ich richtig informiert bin - mit 17 Abitur gemacht und 2 Klassen übersprungen, also irgendwas in die Richtung musste es schon sein! Ich habe dann schon mal angefangen Backmischungen zusammen zu stellen und als ich glaubte, das wird wohl nix mehr, vielleicht doch Kloster oder Emanze, lief mir mein Traumprinz über den Weg. In diesem Jahr werden wir 32 Jahre verheiratet sein und jetzt kommt der Blick andersrum: Wo zum Kuckuck ist die Zeit geblieben?
Schaut Ihr manchmal in Eurem Leben zurück? Bevor ich krank wurde, habe ich das eigentlich nie gemacht. Ich habe – wenn etwas mal so total daneben lief gesagt, dass ich DAS ganz bestimmt nicht mehr machen würde – aber im Grunde hatte man nette Erinnerungen an Urlaube oder irgendwelche Highlights oder lustige Wutausbrüche von mir (ich glaube, denen muss ich irgendwann auch noch ein Kapitel widmen) aber das wars dann auch. Gut – ab und an kam aus irgendeiner Ecke meiner Gehirnwindungen eine Erinnerung, die ich gar nicht haben wollte und die ich ganz schnell wieder dahin schob, woher sie gekommen ist.
Aber jetzt schaue ich öfter zurück. Man kann ja nichts ungeschehen machen und im Wissen um seine eigenen Möglichkeiten könnte ich auch nichts ändern wenn ich die Chance hätte, die Dinge nochmal neu anzugehen. Und ich muss im Großen und Ganzen sagen, ich hatte bis jetzt ein tolles Leben. Wir konnten keine eigenen Kinder bekommen, also haben wir 2 Mädchen adoptiert - jetzt haben wir 2 wundervolle Enkeltöchter. Habe ich schon erwähnt, dass wir die wundervollsten Enkeltöchter der Welt haben? Nein? Ihr werdet es sicher noch öfter lesen!
Ich bin immernoch gerne mit meinem Mann zusammen – er ist mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Ich musste lernen, meine Ungeduld zu zügeln. Ein schnelles „Ja“ kommt ihm nicht immer so einfach über die Lippen – aber es kommt, ich muss nur warten können. Er glaubt manchmal dass ich ihn manipuliere ….. (kopfschüttel – NEIN…niemals …. Oder vielleicht? Ein kleines bisschen???)
Ich habe unglaubliche Freunde, Freunde die mir helfen, die für mich da sind, die mich kritisieren (ganz vorsichtig…haha) und die Kritik von mir aushalten weil sie wissen, dass ich es nie tun würde, wenn sie mir nicht so sehr am Herzen liegen würden. Freunde, die nicht verschwinden wenn es brenzlig wird – ganz im Gegenteil. Und Freunde die nachhaltig sind, die immer parat stehen, wenn ich nur piep sage – und überwiegend brauche ich noch nicht mal zu piepen – sie stehen schon vor der Tür.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Ich habe viel und ausnahmslos geliebt, ich kann so wütend und laut werden, dass die Nachbarn jedes Wort verstehen ohne die Fenster aufzumachen. Ich kann pampig und ungerecht und verletzend sein aber ich kann auch reumütig zu Kreuze kriechen und mich entschuldigen und zwar so lange wie es braucht bis man mir verzeiht! Und ich kann verzeihen wenn ich echte Reue spüre und ich bin überhaupt nicht nachtragend wenn ein Streit beendet ist. Ist er es aber nicht bin ich noch Jahre später völlig angepisst.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Und ich werde es genießen bis zum Ende!
10. ...und Sport hilft doch! 27.12.2016
Hallellluuuhhhjaaaa…..christmas is over! Nicht dass es nicht schön war. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal hatte ich alles was ich wollte und keine, null, nada Arbeit. Ok, die Gans ist dieses Jahr zum ersten Mal etwas trocken geworden – vermutlich in memoriam an das schöne Wellness-Wochenende mit meiner Schwester Elke Anfang Dezember in Bad Sachsa. Dort hatte ich furztrockene Gans mit Grünkohl. Umpf! Ich neige gelegentlich zu kulinarischem Masochismus. An der Gans würde ich heute noch rumkauen, wenn ich nicht irgendwann aufgegeben hätte. Und der Grünkohl zur Gans – welcher Teufel hat mich geritten? Aber wer den Schaden hat muss nicht lange auf den Spott warten. Elke hat natürlich alles genauestens dokumentiert und in die Welt getragen und die einzige Chance da einigermaßen heil wieder raus zu kommen …. Es gab keine!
Und weil es dort grad so schön war, war unsere Weihnachtsgans eben auch ein bisschen trocken. Nur den Grünkohl habe ich mir verkniffen…… ich wollte meine Ehe nicht mutwillig aufs Spiel setzen!
Trotzdem bin ich froh, dass es vorbei ist. Ich hatte in den letzten Tagen viele Momente an denen ein innerer Wasserhahn aufgedreht wurde und ich einfach heulend rum saß. Die Psychologen meinen immer, das würde mir zustehen, das wäre normal, das darf ich zulassen. Jaaa – aber es bringt mir keine Erleichterung. Ich fühle mich danach nicht besser, ich sehe nur beschissener aus. Gestern Vormittag war es besonders schlimm. Ich konnte mich nachts schlecht bewegen und war morgens schon müde, kam vom Sitzen nicht gut hoch. Wir wollen eigentlich ins Fitness-Studio und ich hatte richtig Panik davor, wollte es Matthias aber nicht vermiesen und als die Sporttaschen gepackt waren stand ich (wiedermal heulend „genervtguck“) im Flur. Matthias wäre sofort mit mir zuhause geblieben aber in mir regte sich der typische Eva – Trotz und ich biss die Zähne zusammen und bin mitgegangen. Schließlich habe ich 2 Wochen keine Physiotherapie und ich muss schauen, dass die Rumpfmuskulatur, die ich zur Atmung brauche so lange wie möglich intakt bleibt.
Ja – und was soll ich sagen. Ich habe brav 40 Minuten an den Geräten trainiert und mit jeder Minute wurde meine Stimmung besser und meine Bewegungen geschmeidiger. Danach noch ein Saunagang und ich war mental wie körperlich wieder hergestellt! Was lernen wir daraus? Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst: NUR NICHT DEN KOPF HÄNGEN LASSEN!!! Und immer schön am eigenen Kragen hoch ziehen – es wird schon wieder.
Was ich noch gelernt habe: Je schlechter mein mentaler Zustand, desto schlechter reagiert auch mein Körper. Wenn ich traurig bin, mag er nicht mehr aufstehen. Darum heißt es mehr denn jemals zuvor. Lebe! Liebe! Lache! Und tu was Dir gut tut und Dich glücklich macht!!!
Aber es gibt noch einen anderen Grund warum ich froh bin, dass Weihnachten nun vorbei ist. Ich bin guter Hoffnung, dass unsere netten italienischen/griechischen Nachbarn ihre Weihnachtsdekoration um ihre Fenster bald abnehmen werden. Da wir nachts bei offenem Fenster schlafen, schien mir diese Hochleistungsdekoration immer direkt auf meine Bettseite und unterband sofort jegliche Melatonin-Produktion im Hirn. Ich musste meine Bettdecke also kunstvoll so vor mich drapieren, dass ich mit den Augen dahinter verschwand oder über eine Schlafmaske nachdenken…..
Ich hoffe sehr, dass die Dekoration nicht bis Ostern hängen bleibt…… ich kann mich noch an den Besuch bei einem Arbeitskollegen von Matthias erinnern, da stand kurz vor Ostern noch der komplette geschmückte Weihnachtsbaum, mit winterlicher Eisenbahn-Romantik-Welt darunter – allerdings weitestgehend von den Nadeln befreit, im Wohnzimmer. Ich hatte große Mühe nicht schallend zu lachen - das hätte sonst die verbliebenen 10 Nadeln vom Baum gefegt.
9. Heilig Abend 25.12.2016
Das war ein schöner heiliger Abend! Unsere Tochter und Schwiegersohn haben es richtig schön für uns gestaltet, unsere Emma rief bei jedem Päckchen „Boaaahhh“ egal ob es für sie war oder nicht und beide Mädchen waren mit ihren Geschenken beschäftigt. Ok – die Geschenke der Größeren (Mia) waren natürlich viel interessanter als die eigenen – aber die beiden Mädchen bekommen das immer erstaunlich reibungslos gebacken ohne sich in die Wolle zu kriegen.
Matthias und ich hatten dann Fondue zu Zweit. Zugegeben – ich hatte im Vorfeld ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Mein Leben lang habe ich immer versucht den Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich glaubte dass andere sie an mich stellen. Und wenn ich im Nachhinein dann gesagt hatte, dass es mir eigentlich zu viel war, wurde mir immer wieder gesagt, dass ich das hätte artikulieren müssen. Nun, das habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal getan. Es war ungewohnt aber gestern war ich sooo froh, es gemacht zu haben. Das Sprechen fällt mir gegen Abend immer recht schwer und ich gammel am liebsten auf meiner Couch rum, daddel auf dem Handy oder schau in die Glotze und hab dabei die Füße oben. Meine Ansprüche werden momentan immer weniger.
Langsam sehne ich den Treppenlift herbei. Unser Schlafzimmer mit unserem Boxspringbett, welches ich so unbedingt haben wollte, ist nun mal im oberen Stockwerk und es ist jeden Abend ein Geschiebe und Gezerre von Matthias und mir, mich nach oben zu bringen. Ich hätte ja noch unser altes Bett unten – aber unten ist das Bad wiederum zu klein und der Einstieg in die Dusche zu hoch – und außerdem, ich lass mir von ALS doch nicht vorschreiben wo ich zu schlafen habe, soweit kommts noch! Aber bis März werde ich wohl noch durchhalten müssen, das Teil ist mit Aufmaß gerade in der Schweiz und über Weihnachten passiert da auch nicht viel.
So…. das muss für heute genügen. Mein Mann hat sich geweigert am Freitag den „Kleinen Lord“ mit mir zu gucken. Er meinte er hätte ihn letztes Jahr gesehen –und das Jahr davor – und das Jahr davor – es reicht ihm jetzt. ABER… er wird gleich wiederholt….hähä… und DA muss er jetzt durch…. Ich glaub, wir haben auch noch Wäsche im Keller falls er nach einer Alternative sucht :)
8. Umbau 24.12.2016
Es gibt einen Spruch bei dem mein Mann regelmäßig behauptet er hätte ihn wirklich noch nie gehört. Kann eigentlich gar nicht sein, ich benutze ihn seit vielen Jahren regelmäßig.
Und zwar „Alles im Leben hat seinen Sinn“.
Manchmal sehen wir ihn nur nicht sofort. Gut – man könnte jetzt fragen worin der Sinn liegt, dass ich ALS bekommen habe. Aber ich bin mir sicher, es gibt einen. Und wenn ich nur einem einzigen Menschen ein bisschen Mut machen kann oder ihn zum Lachen bringen kann, dann ist das für mich auch schon irgendwie sinnvoll.
Aber ich wollte jetzt nicht anfangen zu philosophieren – ich wollte eher auf die praktische Schiene kommen.
Matthias wird im Sommer 60. Ursprünglich wollten wir diesen Geburtstag mit unserer ältesten und besten Freundin (das älteste bezieht sich auf die Dauer der Freundschaft – ich glaube es sind jetzt 42 Jahre oder so) in Calgary/Canada feiern. Canada war und ist immer ein Urlaubstraumland von uns gewesen und wir haben viele tolle Urlaubsreisen fast immer mit dem Wohnmobil unternommen und waren jedesmal begeistert.
Als sich meine zunehmende Unbeweglichkeit manifestierte und wir von unserer Mittelmeerkreuzfahrt ebenfalls sehr angetan waren (wobei – ich weiß nach wie vor nicht – wars die Kreuzfahrt oder die Pina Coladas) hatten wir die Idee im Sommer eine Kreuzfahrt ans Nordkap mit Spitzbergen und Island zu machen. Island ist nämlich auch so eine Reise, die ich unbedingt noch machen möchte. Aber Teufel auch - das Schiff war im November bereits völlig ausgebucht!.... HALLO??? Wer bitteschön ausser uns will denn im Sommer ans Nordkap und Spitzbergen? In den Sommerferien? Das ist nix für Kinder!! Viel zu kalt zum Baden und so…..
Nun auch tägliche Versuche des Reisebüros unseres Vertrauens (ich mach jetzt mal Werbung: TUI Reisecenter Aschaffenburg – liebe Susanne, liebe Iris – ihr seid der Hammer!!! Never jemand anders!!) brachten keinen Fortschritt – dieser Kahn war voll bis oben hin. Zwischenzeitlich beschlossen wir dann mit Iris und Frank über Ostern nach New York zu fliegen – auch etwas was ich unbedingt noch sehen will - dann kam der Treppenlift mit schlappen 18.000 Euro dazu, der Umbau des oberen Badezimmers wurde gedanklich auch immer teurer und irgendwann war uns diese Seereise eh ein bisschen zu teuer und wir haben auf Spitzbergen und Island verzichtet und „nur“ 11 Tage ans Nordkap gebucht. Alles gut!!
Ähnlich geht es uns gerade mit unserem Badezimmerumbau. Eigentlich wäre es keine sooo große Geschichte wenn es denn unsere Badezimmerfliesen noch gäbe, die wir vor 10 Jahren eingebaut haben. Die gibt es nämlich nicht mehr – heißt: alle alten Fliesen raus und komplett neue rein. Uff….!!! Teuer!!! Und das größte – ich komme mir bald vor wie in der Werbung der gelben Seiten – ich liege auf der Lauer und warte, dass ein Fliesenleger vorbeikommt. Auf den lass ich mich dann drauf fallen und halte ihn so lange gefangen, bis das Bad fertig ist – soll heißen, die melden sich schon gar nicht oder wenn äußerst widerwillig.
Nun hatten wir ja letzte Woche diesen unnützen Besuch im Sanitätshaus – und dieser Mitarbeiter, der dafür gesorgt hat, dass dieses Sanitätshaus nicht in die engere Wahl kommt, hat mich trotzdem auf eine Idee gebracht. Er fragte nämlich ob wir einen Badewannenlift bräuchten. Nein eigentlich nicht – unser Whirlpool sollte ja raus. Aber heute Morgen stand ich so in unserem Bad und dachte – warum eigentlich nicht alles so lassen wie es ist und einen Badewannen-Schwenklift einbauen. Dann kann ich in der Wanne gewaschen werden, Matthias behält seine Dusche – eventuell muss nur ein Waschbecken raus und gut ist.
Also: alles im Leben hat seinen Sinn!!! Danke ihr lieben Fliesenleger fürs „Nicht-Melden“!!! Für die gesparte Kohle machen wir lieber noch eine andere tolle Reise!!!
7. Weihnachten 2016 23.12.2016
Morgen ist Heilig Abend. Weihnachten ist immer eine sentimentale Zeit aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. Ich bekomme viel mehr Post als jemals zuvor und heute lag wieder ein Strauß Blumen vor der Tür – diesmal von meinem Zahnarzt und seiner Frau. Von Ute lag ein wunderschöner Kalender im Briefkasten, von Rosi eine Karte mit den Worten: Im Leben zählt dies zu den schönsten Gaben – eine Freundin sein und eine haben. Meine Tante hat mir einen wundervollen Brief geschrieben und mein Chef eine derart nette Email. Ich sitze also ununterbrochen irgendwo heulend in der Ecke – aber nicht weil ich so unglücklich bin, sondern weil ich so gerührt bin. Obwohl – ein bisschen unglücklich bin ich auch. Ich bemühe mich sehr nicht länger als maximal ein halbes Jahr im Voraus zu denken aber manchmal fällt es schwer. Wir waren diese Woche im Sanitätshaus und haben uns nach einem Reiserollstuhl umgesehen. Inkompetenter Mitarbeiter – reine Zeitverschwendung. Und eigentlich war ich froh, dass das Thema Rollstuhl noch ein bisschen aufgeschoben ist denn auch wenn ich mich permanent damit beschäftige – es macht mir eine Höllenangst dass das am Ende wirklich ich sein soll, die da drin sitzt.
Auch dieses Weihnachten ist anders als sonst. So viele Jahre hat sich die Familie bei uns versammelt, dies ist das erste Jahr an dem wir nachmittags bei meiner Tochter und ihrer Familie sind und abends allein zuhause. Wobei das „allein“ ist kein Problem – nur dass es schon wieder eine Veränderung ist. Das geht alles so schnell, obwohl ich eigentlich dankbar sein muss. Obwohl im Sommer 2015 die ersten Symptome auftauchten kann ich immer noch laufen.
So!! Jetzt ist aber gut mit dem Gejammer! Aufstehn – Krone richten – Mittelfinger raus - weiter geht’s!
Im August hatte ich den ersten Termin in der DKD. Wieder Blutabnahme, Ultraschall, neurologische Untersuchung - und bei jedem negativen Befund hangelten wir uns weiter vorwärts. Schädel- und Halswirbel MRT, Lumbalpunktion und ständige Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen. Irgendwann hab ich gesagt: Ich will nur irgendeine Diagnose – aber nur 1 Tag später hab ich das korrigiert in: Ich will nur irgendeine Diagnose AUSSER ALS. Komischerweise – obwohl ich so wenig von der Krankheit wußte, hatte ich ein ungutes Gefühl und bei Dr. Google landete ich bei meinen Symptomen leider auch immer wieder auf den ALS – Seiten.
Irgendwann kam dann ein auf Motoneuronenkrankheiten spezialisierter Arzt ins Spiel, der mich auch noch mal ausgiebig untersuchte und dann ließen mich 2 Dinge aufmerken A) er meinte, die bisherigen Einschränkungen wären wohl nicht rückgängig zu machen und B) ich solle das nächste Mal meinen Mann mitbringen. Dazwischen lag noch eine Mittelmeerkreuzfahrt und eine nicht unerhebliche Anzahl von Pina Coladas liesen mich diesen Termin vergessen.
Der 19. Oktober war dann DER Tag. Der Arzt wurschtelte umständlich auf seinem Schreibtisch rum und schob einen Papierstapel hin und her und ich hatte schon den Eindruck, er muss erst noch überlegen wie er anfängt. Und dann kam der Satz, der mein Leben veränderte: Kennen Sie Amyotrophe Lateralsklerose? Ja verdammt!!! Hab ich denn genuschelt als ich sagte: Alles AUSSER ALS???? ALS = Aller Letzte Scheiße!
6. Hinfallen und Aufstehen 22.12.2016
Den nächsten Freiflug hatte ich direkt am 2.Tag unserer Reha. Wir kamen vom Frühstück, Matthias lief etwas vor mir und auf einmal segelte ich in gestrecktem Galopp wie ein gefällter Baum vor seine Füße. Standardfrage ist von Umstehenden immer: oh Gott, ist ihnen schlecht? – Nein schlecht war mir nicht – ich musste jetzt erst mal ganz vorsichtig alles bewegen und testen ob es noch ging – und es rannte auch schon einer los, eine Schwester zu holen. Und es kam auch ein zierliches junges Mädchen mit Rollstuhl um die Ecke geschossen. „Ach Gott“ rief sie „Diese blöde Treppe“. Ich: „ Äh, nein, die Treppe hat nichts damit zu tun“. Sie: „Die ist aber auch steil“ Ich: „Nein, ich bin die Treppe nicht runterfallen“ Sie: „Ich rechne immer damit, dass da mal jemand runterfällt“ Ich: „ICH BIN DIE TREPPE NCHT RUNTER GEFALLEN!!!“.
Soweit so gut… mit vereinter Hilfe wurde ich in den Rollstuhl gehievt und ins Arztzimmer geschoben. Der Doktor (irgendein osteurpäischer Name) „Gutän Taag – waas iest passiert?“ – Die Schwester: „Die Dame ist die Treppe runtergefallen“ …….AAAARRRRGGGGGGHHHHH!
Ok, wir konnten zu guter Letzt klären, dass ich nicht die Treppe runtergefallen bin und der Dottore diagnostizierte „Muhskälschwäääche“ – toll, da wäre ich von allein ja nie drauf gekommen!
Ich hatte jedenfalls Prellungen an beiden Armen aber gebrochen war zum Glück nix. Ich konnte mich zwar weder anziehen, noch Schuhe binden, noch eine Tür aufmachen oder ein Stück Fleisch schneiden aber heute sehe ich es als Vorbereitung für meinen Mann – das muss er in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich eh machen. Und ich wurde zum Laufen mit Rollator verdonnert. Boah Leute – echt jetzt – DAS war furchtbar!!! Mit diesem Omateil durch die Gegend zu schieben und rechts und links von jeder 70jährigen überholt zu werden. Mein Ego konnte sich sehr lange überhaupt nicht daran gewöhnen und ich hab mich irgendwie geschämt. Zumal man in den Rehakliniken auch mit unhandlichen Traktoren ausgestattet wird. Ausserdem ging dieses Teil fast nicht ins Auto - und da das Essen in dieser Klinik (im Gegensatz zu Freiburg das Jahr davor) eher nicht so prickelnd war, sind wir am Wochenende immer nach Kappeln abgehauen (dort wurde übrigens der „Landarzt“ gedreht – wunderschöne Ortschaft) um Essen zu gehen. Wir haben dann mal bei Amazon geschaut, einen zusammenklappbaren Leichtrollator gab es da schon für 100 Euro und ich dachte – wenn ich den nicht mehr brauche, kann ihn Mutter kriegen. Ich hatte jedenfalls nicht vor, mich an dieses Teil zu gewöhnen. Den haben wir dann bestellt und das war wenigstens eine kleine optische Verbesserung.
5. noch mehr Krebs 20.12.2016
Am 16. Juni 2015 war es dann endlich so weit. Matthias (mein Mann) saß hier schon im gepackten Wohnwagen, ich eilte zur letzten Bestrahlung und zur Abschlussbesprechung und schon waren wir auf dem Weg nach Südtirol. Eigentlich wollten wir nach Kärnten aber das Wetter war in Meran einfach besser und ich war soooo glücklich…. Fertig mit der ganzen Kacke – FUCK YOU CANCER. Mich hat er nicht gekriegt!!! Es war ein wunderschöner, erholsamer Urlaub. Endlich wieder Golfen und als wir die Seiser Alm entdeckten hatten wir wunderschöne Wanderungen auf dem Programm. In bisschen komisch fand ich, dass ich steile Wege nur sehr schwer hoch kam und relativ schnell aus der Puste war. Das kannte ich von mir ja überhaupt nicht. Auf der anderen Seite – 10 Monate Chemo und Bestrahlung – das kann einen vermutlich schon fertig machen. Ich vertraute darauf, dass sich das im Laufe der Zeit schon geben wird. Direkt im Anschluss an den Urlaub hatte ich 3 Wochen Anschlussheilbehandlung in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg und die würden mich schon wieder auf Vordermann bringen.
Nach dem Urlaub blieben mir dann auch genau 3 Tage Zeit, meine Wäsche zu waschen und neu zu packen und dann düste ich nach Freiburg im Breisgau und trat meine 3 wöchige Reha an. Freiburg ist eine tolle Stadt und die Patienten der Rehaklinik haben im Mittel auch eher so meinen Altersdurchschnitt, was ich sehr angenehm empfand. Die Zimmer waren sehr schön, in die eine Richtung lief man 20 min. in die Innenstadt, in die andere war man in 20 min. an einem Badesee mit Biergarten und wenn es nicht so affenartig heiß gewesen wäre ( immer locker über 35 Grad) wäre es gar nicht zu aushalten gewesen.
Leider waren auch ein paar sehr junge Menschen dort zur Reha – ein junger Mann mit Mitte 20 nach Leukämie und einige jüngere sehr attraktive Frauen wie ich nach Brustkrebs. Das Gebalze der männlichen Patienten um diese jüngeren Mädels war ausgesprochen erheiternd. Die Mädels hatten alle gesunde und wie ich bei Besuchen feststellen konnte auch attraktive Ehemänner zuhause – aber da glaubten doch wirklich ein paar, sie würden diese für einen krebskranken älteren Herrn verlassen. Naja.. auch hier stirbt anscheinend die Hoffnung zuletzt.
An den Wochenenden kam Matthias und wir gingen überwiegend zu Golfen. Unter der Woche war ich in so ziemlich jeder Sportgruppe die es gab und es funktionierte alles prima. Komisch fand ich nur, dass es mir zunehmend schwerer fiel, aus der Hocke freihändig hoch zu kommen und hohe Stufen konnte ich auch kaum noch ohne Handlauf schaffen. Da mein Krebs hormonabhängig war nahm ich zu diesem Zeitpunkt schon Aromatasehemmer – ein Medikament zur Unterdrückung von Hormonen. Das sollte eine Wiederkehr oder Metastasen verhindern. Dummerweise hatte ich vorher den Beipackzettel gelesen und in meinen diversen Brustkrebsforen wurde auch über die Nebenwirkungen um Wette gejammert – und so schob auch ich jedes Wehwehchen (eben diese Schwäche in den Beinen oder eine Steifheit in den Beinen morgens) auf dieses Medikament. Laufen wurde irgendwie immer anstrengender aber mit Schmerzmitteln kam ich komischerweise ganz gut klar. Eigenartig war auch, dass ich nach ein bisschen Anstrengung auf einmal tagelang Muskelkater bekam. Aber wie gesagt, für mich war Anastrozol daran schuld – und ansonsten machte ich mir keine weiteren Gedanken.
Im Winter 2016 wurden meine kleinen Unpässlichkeiten auf einmal völlig unwichtig. Wurde doch bei meinem Mann Schilddrüsenkrebs festgestellt. Er stand seit Jahren unter Beobachtung einiger kalter Knoten und da diese wieder minimal gewachsen waren, meinte sein Radiologe, es wäre Zeit eine Biopsie zu machen. Diese Biopsie brachte kein eindeutiges Ergebnis und so beschlossen wir, den größeren Knoten auf der einen Seite entfernen zu lassen. Zeitgleich fing ich auf einmal an zu Watscheln wie eine Ente. Ich bekam den Fuß nicht mehr abgerollt und es fühlte sich komisch an zu Laufen – das war der Moment an welchem ich beschloss bei meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung diesen Aromatasehemmer abzusetzen, ich wollte aber erst die Meinung meiner Onkologin, der ich sehr vertraue.
Die OP von Matthias ergab, dass dieser Knoten bösartig war. Ich saß an dem Tag in meinem Büro auf der Arbeit und heulte was das Zeug hielt. Eine Schreitherapie im Wald wäre die einzige Möglichkeit gewesen, meine Angst, meine Wut und meinen Frust raus zu brüllen – aber pflichtbewußt wie ich bin, blieb ich brav sitzen.
Matthias kam am nächsten Tag gleich wieder unters Messer, die komplette Schilddrüse wurde entfernt und leider war auch schon ein Lymphknoten befallen. Nun ist Schilddrüsenkrebs zum Glück ein Krebs mit extrem guten Heilungschancen. Er musste auch keine Chemo oder Bestrahlung machen. Er verschwand für 4 Tage in der Radiologie in Würzburg, bekam radioaktives Jod, strahlte ein paar Tage wie ein Kernkraftwerk und kam wieder nach Hause. Das wars! (Ok, die Prozedur wurde im Oktober nochmal wiederholt und im Januar werden wir dann wissen ob alles weg ist)
Im April hatte ich dann meine Nachsorge. Entgegen meiner sonstigen Art saß ich heulend im Arztzimmer und jammerte dass ich diese Tabletten nicht mehr will und überhaupt – ich kann nicht mehr ordentlich laufen und auch sonst ist irgendwas anders als sonst. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich für den nächsten Tag einen Termin beim Neurologen.
Im April ging es also los mit der Suche nach dieser geheimnisvollen Muskelschwäche. Erst wurde ein Lendenwirbel MRT gemacht – nichts. Blutuntersuchung – nichts. Elektromyograhie ergab eine Schädigung der Muskeln in den Beinen. Aber das hätte alles eine späte Nebenwirkung der Chemotherapie sein können.
Und so ging ich wieder nach Hause, mit dem Ratschlag – wenn es nicht besser wird, soll ich mich in der Diagnose Klinik Deutschland in Wiesbaden um einen Termin bemühen.
Also hab ich erstmal abgewartet. Die Ligasaison im Golfclub ging wieder los – ich hatte meinen alten Job als Kapitänin wieder, konnte aber nicht mitspielen weil ich einfach zu langsam beim Laufen war. Wir fuhren in die Toskana – die Ruhe, das viele Liegen taten mir sehr gut und ich dachte –ui, es wird besser! Alles gut, war doch nur eine Nebenwirkung.
Zurück zu Hause wurde es aber wieder eher schlechter und ab Ende Mai bemerkte ich eine leichte Veränderung meiner Sprache. Sie wurde etwas verwaschener und manche Buchstabenkombinationen wie z.B. „tz“ wurden zu Zungenbrechern. Ich informierte erstmal meinen Chef darüber – nicht dass er am Ende auf die Idee kommt, ich hätte meinen Flachmann im Büro. Er lachte und meinte: Ok – aber das ist kein Freibrief!!
Zeitgleich machte ich nun doch mal einen Termin in der DKD in Wiesbaden. Da Matthias und ich eine gemeinsame onkologische Reha im Sommer an der Ostsee genehmigt bekommen haben, bat ich darum den Termin auf Mitte August zu legen – und so bekam ich ihn auch direkt im Anschluss an die Reha.
Im Sommer hatten wir dann 5 wundervolle Wochen geplant –erst 2 Wochen zusammen mit meiner Schwester und meinem Schwager Camping in der Nähe von Kiel, diekt an der Ostsee und danach in Schönhagen 3 Wochen Reha.
Im Urlaub flog ich das erste Mal der Länge nach hin – auf dem Campingplatz auf einer Wiese. Ich saß also auf der Wiese und rief nach meinem Mann. Irgendwie war meine Stimme nur nicht mehr so kraftvoll wie früher und er hörte mich nicht. Dafür kam aus einem Wohnwagen eine Frau gerannt, die mir helfen wollte – nun bin ich ja kein Leichtgewicht und von alleine kam ich einfach nicht mehr hoch. Ich schickte sie zu Matthias, der kam und half mir hoch. Und das war der Moment wo mir klar wurde – Scheiße, ich glaube das ist nix gutes – das könnte schief laufen!
Wir redeten es uns schön – da war bestimmt ein Loch, in welches ich rein getreten bin…. Und das wird schon wieder. Meine Freundin Andrea versuchte über Onkologin und Neurologen meinen Termin in der DKD vor zu verlegen – das klappte allerdings nicht und im Nachhinein war ich auch ganz froh drüber.
4. Mutter 19.12.2016
Im Sommer 2014 ist dann noch etwas passiert. Da meine Mutter ziemlich allein in Würzburg saß und ihre Gesundheit nicht die allerbeste war, hielt ich es für eine gute Idee, sie hier in den Ort zu holen. Erst wollte sie nicht – aber nach einer weiteren Bronchitis hat sie zögernd ja gesagt und wir haben erstaunlicherweise auch sofort eine schöne Wohnung im Erdgeschoss mit Balkon gefunden. Kurz danach war ich dann zeitweise nicht mehr der Meinung eine gute Idee gehabt zu haben. Die Küche, die sie übernehmen musste, war schrecklich (also für sie nicht für mich), das Bad war schrecklich, die Kinder die vor dem Haus spielten waren viel zu laut, die Haustüre wurde morgens zu laut zugeknallt, die Kellertür abends übrigens auch – und irgendwie zog ich mir jeden Schuh an und fühlte mich ununterbrochen schuldig ihr dies alles angetan zu haben. Dann wurde ich im September krank. Das rettete mich aber nur ca. 7 Wochen – denn dann bekam sie die Diagnose Speiseröhrenkrebs – und zwar schon so weit fortgeschritten dass sie kaum noch schlucken konnte und ihr eine PEG gelegt werden musste. Dr. Google warf aus, dass Speiseröhrenkrebs eine Überlebenschance von 20% hat und das auch nur wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Meine arme Schwester saß in Norddeutschland und reiste ununterbrochen an um ihre verkrebste Familie zu unterstützen und da der Krebs von Mutter natürlich schlimmer war als meiner geriet ich ein bisschen in den Hintergrund. Ich war einfach auch immer viel zu gut drauf als dass man meine Krankheit wirklich ernst nehmen musste (damit meine ich nicht dich Elke –das weißt du). Mutter kam dann in Blöcken zur Chemo und gleichzeitigen Bestrahlung ins Krankenhaus - natürlich ins schlimmste Krankenhaus aller Zeiten (es reihte sich nahtlos an Küche, Bad, laute Kinder und knallende Kellertür) und die Tage nach ihren Krankenhausaufenthalten waren die reinste Hölle. Ihr ging es mega schlecht und ich sprang zwischen Mutter, eigener Chemo und eigenen Infekten hin und her. Meine Schwester reiste wieder an um mir Mutter zumindest für die ersten Tage abzunehmen. Aber sie hatte auch noch Job und Mann und eine Kneipe zu führen und fing an, sich selber zwischen dem ganzen Fiasko aufzureiben. Damals knickte ich schon die ersten Male mit dem Fuß um und so humpelte ich mit dickem Knöchel in der Gegend herum, mein Optimismus ging langsam gleitend den Bach runter. Irgendwann war ich mental so fertig, dass ein falsches Wort mich explodieren ließ und ich meiner Mutter vorwarf, wenn es so weiter ginge, würde sie am Ende leben und ich wäre tot. Jaaaa… ich weiß, das war nicht nett – aber „nichtnett“ kann ich ab und an auch sehr gut. Ich hätte trotzdem meine Klappe halten sollen, scheinbar hatte ich noch nie was von „self fulfilling prophecys“ gehört. Aber gesagt ist halt gesagt. Das war alles im Frühjahr 2015 und meine Mutter lebt immer noch. Unglaublich - ihr Krebs war und ist weg. Ich habe jetzt ALS.
Bei mir ging ab April der Block mit den Bestrahlungen los. Das war eigentlich nur noch lästig. Die täglichen Fahrten ins Klinikum - ein paar Minuten piep piep piep von allen Seiten und fertig. Blöderweise bildete sich unterhalb der Brust eine offene Stelle und da ich auf gar keinen Fall auch noch die Bestrahlung aussetzen wollte besorgte mir mein Mann einen kleinen Handföhn und ich lag zuhause wie ein Maikäfer auf dem Rücken und föhnte meine Brust in der Hoffnung das ganze austrocknen zu können. Natürlich wollte ich jetzt auch endlich wieder Golf spielen und ich hatte meiner Freundin Karin versprochen ihr bei einem Ligaspiel sowohl als Captain als auch als Spielerin auszuhelfen. Diese offene Stelle an der Brust war aber ein echtes Problem. Der BH rieb genau dort und es war heiß, ich schwitzte und die Drehbewegung beim Schlag war ausgesprochen kontraproduktiv.
Nun hab ich ja hin und wieder ganz gute Einfälle also habe ich bei Aldi bei meinem nächsten Einkauf Damenbinden gegen Inkontinenz besorgt und sie mir in den BH gestopft. Das Gesicht der Kassiererin war Gold wert. Es stand ihr auf der Stirn was sie dachte: „Die arme Frau…… keine Haare auf dem Kopf und in die Hose püschert sie auch“ Aber egal – es hat funktioniert und ich habe sogar ziemlich gut gespielt.
3. Paris 18.12.2016
Der Unterschied zwischen Krebs und ALS liegt definitiv in der Möglichkeit der Wahl. Bei Krebs hatte ich eine Wahl der Behandlung – bei ALS hab ich nur blöd aus der Wäsche geguckt. Obwohl – soooo einfach war das auch wieder nicht. Nach der OP im September war der Krebs weg und die beiden Wächterlymphknoten frei, bis auf eine Delle im rechten Mops war alles gut. Ich dachte – prima, das wars – Arrivederci Krankenhaus! Aber weit gefehlt. Standardprocedere ist OP – Chemo (16 Stück) und Bestrahlung. Die Überlebenschancen sinken mit jeweils 30 % wenn man eine Komponente auslässt. Nun - es gibt Dinge von denen ich einfach keine Ahnung habe. Politik zum Beispiel. Da habe ich eine Meinung und ich informiere mich aber ich maße mir wirklich nicht an, Hintergründe zu verstehen oder es in irgendeiner Art besser machen zu können. Medizin ist auch so ein Bereich. Ich bin zwar Stammgast bei Dr. Google und weiß wie man Ohrenschmerzen mit Zwiebelsäckchen oder Fieber mit Wadenwickeln bekämpft– aber damit sind meine Kenntnisse auch schon weitestgehend erschöpft. Also da sitzt man nun und schaut sich den entsprechenden Arzt an und entscheidet mehr oder weniger nach Vertrauen. Und eins kann ich sagen – ich hatte tolle Ärzte, menschlich wie fachlich. Und da ich nicht schuld sein wollte wenn der Krebs wiederkommt habe ich dem ganzen Block zugestimmt.
Mein größtes Problem war eigentlich unsere Paris – Reise, die genau zwischen die erste und zweite Chemo fallen sollte. Aber nach Rücksprache mit meiner Onkologin haben wir die Reise angetreten. Paris war wunderschön, wir hatten Anfang November 20 Grad, die Sonne schien und ich wurde gleich erstmal krank. Was ich erst später mitbekam – nach jeder Chemo donnerten meine Blutwerte in den Keller. Die Chemo als solches habe ich gar nicht als sooo schlimm empfunden, daß ich permanent einen Infekt hatte und immer gleich flach lag, hat mich echt genervt – zumal ich ständig eine Chemo ausfallen lassen musste, weil nicht auf einen Infekt drauf therapiert wird und somit zog und zog sich die Behandlung immer weiter in die Länge.
Gut, das französische Gesundheitssystem hatte ich damit auch kennen gelernt und mit Antibiotika und Schmerztabletten bewaffnet habe ich den Aufenthalt trotzdem sehr genossen. Meine Haare waren auch so lieb und haben Paris noch gehalten – auf dem Weg zurück hatte ich dann das erste Büschel in den Händen. Innerhalb von 10 Tagen hatte war der Kopf kahl und ich fand sogar, dass es mir stand. Es war nur ungewohnt kalt am Kopf! Die nächste Zeit verbrachte ich mit dem Kauf von Mützen und Schals, eine Perücke hatten wir schon vorsorglich ausgesucht – ja und so dauerte es bis Anfang April bis ich mit dem ganzen Mist durch war.
Wer jetzt glaubt, bei einer Chemo hängt man kotzend über der Toilettenschüssel…. Weit gefehlt! Cortison und eine Menge anderer Medikamente verhindern dies erfolgreich – mit dem doofen Nebeneffekt: Ich war wild auf Käsekuchen! Und man mag es kaum glauben - innerhalb von 3 Monaten waren meine 15 kg wieder drauf und dank des Cortisons sah ich aus wie ein Mondkalb. Das Mondkalb verschwand langsam – die 15 kg blieben
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2. Knitterfreies Wasser 17.12.2016
Und so fuhren Karin und ich dann auch im September 2014 zusammen nach Würzburg. Das war keine große Geschichte – die Biopsie wurde gemacht, die Diagnose wurde mir in homöopatischen Dosen verabreicht aber dieser Tag wird mir aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben. Mein Schätzlein Karin brauchte dringend ein neues Make up. Und so fielen wir auf dem Rückweg zum Auto in einer der nobleren Parfümerien Würzburgs ein. Man muss erklären, ich halte mich nicht für unattraktiv – aber mit Makeup hab ich es nicht so – und neben meiner wunderschönen, zierlichen, mit langen schwarzen Haaren ausgestatteten Freundin Karin komme ich mir nun mal vor wie der allerletzte Bauerntrampel vom Dorf. Der offensichtlich nicht wirklich an Frauen interessierte (ich meine das jetzt rein sexuell) Verkäufer (ich glaube es war der Juniorchef) wuselte auch gleich hektisch um Karin, das Make up das ihr fehlte war natürlich kein Discounterprodukt. Er holte gleich noch Puder, Lipgloss, und ein Gesichtswasser das alle Falten wie durch Zauberhand entknittert und so pinselte und sprühte er an Karin rum und ja…… sie sah in der Tat NOCH besser aus als vorher. Nachdem er mit ihr fertig war ruhte sein Blick auf mir und auf einmal stand die Frage im Raum: Wollen Sie auch mal? Ich hab die Backen aufgeblasen, mit den Schultern gezuckt und sowas wie ein „ja“ gemurmelt! „Ich seh schon“ sagte er „sie sind eher der puristische Typ“…. Ja wo er Recht hat hat er Recht! Aber auch ich wurde bepinselt und besprüht und vor allem dieses „Knitterfrei-Wasser“ hatte es mir angetan. Also das musste ich haben – und das Puder! Schnell ein Blick auf die Marke – aha Chanel – naja, man gönnt sich ja sonst nichts! Und dieses Wasser (pffff…Wasser in einer Dose, was kann das schon kosten) Um es kurz zu machen - das Wasser kostete 80 Euro, es wäre mir peinlich gewesen, es zurück zu geben, Karin stellte ihres diskret wieder ins Regal und am Ende sind wir beide mit ca. 300 Euro Kosmetika lachend aus der Parfümerie gedappelt und ich überlegte wie ich meinem Mann ein Wasser für 80 Euro erklären werde.
1. Icebucket Challenge 16.12.2016
Wie konnte mir DAS passieren?
Vor 2 Jahren habe ich als lebhafte Facebook-Userin kleine Filmchen gesehen wo sich mehr oder weniger bekannte Menschen einen Eimer Eiswasser über die Rübe geschüttet haben. Als dann auch meine Schwester und diverse Freunde nass wurden habe ich mal vorsichtig nachgefragt, worum es hier überhaupt geht. Elke (meine Schwester) informierte mich kurz über ALS – Amyotrophe Laterealsklerose – eine sehr seltene neuromuskuläre Erkrankung für die es keine Heilung gibt. Da aber eine Person aus ihrem Bekanntenkreis daran erkrankt wäre, würde sie sehr gerne mitmachen. So weit so gut – es gibt ja einige furchtbare Krankheiten. Und selten klingt ja auch gar nicht schlimm – selten ist auch ein Lottogewinn und da war man trotz dem Risiko mitzuspielen auch noch nie dran. Damit hatte ich von ALS gehört, die Kampagne fand ich prima, die Aktion fand im Sommer 2014 statt, ich war kerngesund und freute mich auf einen Urlaub in Cornwall.
Vor diesem Urlaub bekam ich wieder mal die zweijährige Aufforderung, mich zur Mammographie einzufinden, was ich in der Vergangenheit sehr gerne ignorierte. Das war vielleicht ein bisschen leichtsinnig, war doch meine Oma daran gestorben und meine Mutter mit Mitte 50 ebenfalls daran erkrankt – aber MIR passiert sowas doch nicht. Ich ernähre mich streng nach den Regeln der Weightwatcher (was natürlich erkennen lässt dass ich mein Leben lang mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte – es gibt 2 große Unternehmen deren Hauptverwaltungen ich mitfinanziert habe: immer im Wechsel Weightwatchers oder Ulla Popken) – ich rauche nicht…äh… fast nicht…also nur manchmal … im Sommer….über meinen Alkoholverbrauch schreibe ich nichts!!!! Der Schuss ginge nach hinten los.
Aber egal, ich war ja gesund und fit, mir tat nichts weh und ich hatte gerade mal wieder 15 kg abgenommen und fühlte mich ausgesprochen attraktiv.
Irgendetwas hat mich dann aber doch veranlasst nach dem Urlaub zu dieser Mammographie zu gehen und als eine Woche später Post im Briefkasten war hatte ich erst überhaupt keine Lust diese aufzumachen. Umso mehr traf mich der Schlag als ich lesen musste, ich solle mich doch bitte in Würzburg zur genaueren Abklärung einfinden und nachdem man mir am Telefon sagte, ich solle eine Begleitperson mitnehmen, da ich nach einer möglichen Biopsie nicht selber fahren kann, habe ich dann doch die linke Augenbraue hoch gezogen.
Da mein Göttergatte keine Zeit hatte, mich nach Würzburg zu fahren fragte ich meine Freundin Karin, die sich auch sofort bereit erklärte.
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12. Internet 31.12.2016
Ja – das Internet. Ohne das Internet und vor allem ohne Facebook hätte ich überhaupt keine Ahnung, wie doof Deutschland zum Teil ist. Vor 16 Jahren hatte ich so meine ersten Online-Gehversuche. Damals gab es noch AOL mit seinen Chatrooms. Da passten so 40 Leute rein, und die Konversation wurde immer mit einem „Hallo“ eröffnet und spätestens nach dem ersten Rechtschreibfehler stürzte sich die Meute auf den vermeintlichen Analphabeten. Aber wie gesagt, das war in einem „Onlineraum“ mit abgezählter Belegschaft und es gab einige Leute die da halt ihren Frust aufs Leben los gelassen haben. Dasselbe passiert heute auf Facebook, bevorzugt unter Pressemitteilungen aber auch wenn ein sogenannter „Star“ nicht so spurt wie es die Menge wünscht rauscht mal eben ein Shitstorm über ihn hinweg. Ja wir leben in schwierigen Zeiten. Obwohl – ich denke die Zeiten waren immer schwierig, wir haben es nur nicht so mitbekommen und nicht jeder Klevi und Plevi konnte sich zum Experten für so ziemlich jedes Thema aufspielen.
Aber das Internet bietet auch Möglichkeiten die ich echt klasse finde. Ich habe lange verschollene Freunde wieder gefunden und pflege Kontakte, zu Freunden die weit weg wohnen, viel einfacher (Christiane in Calgary erscheint mir oft nur eine Ortschaft entfernt) – und man mag es kaum glauben, ich habe tolle Menschen hier kennen gelernt. Nicht in der großen Masse aber manchmal bemerkt man am Schreibstil einer Person ob es passt oder nicht.
Rosi war die erste. Wir haben uns nicht bei Facebook kennen gelernt sondern bei der damalig deutschen Alternative „wer-kennt-wen?“ Ich habe keine Ahnung mehr wie wir das angestellt haben aber Rosi und ich haben sozusagen „gematcht“ (soll heißen gemätscht – hihi). Rosi ist über die Jahre eine so gute Freundin geworden, man mag es kaum glauben, dass wir uns noch nie live gesehen haben. Als meine Haare von der Chemo ausfielen, lag am gleichen Tag ein Päckchen vor der Tür mit einer selbst gehäkelten Mütze – natürlich von Rosi. Ich bekam übrigens noch eine zweite Mütze von Annette, die ich aus dem Golfclub kenne und mit der ich gar nicht sooo eng bin – auch das hat mich total gerührt. Ein Treffen von Rosi und mir ist für 2017 auf jeden Fall gesetzt!!!
Als nächstes hab ich Manu aus Berlin kennengelernt – über das selten blöde Spiel „Monstergarten“. Und auch wir sind über die Jahre aneinander hängen geblieben. Und ich hoffe, dass wir uns im März in Berlin kennen lernen.
Und meine neueste Seelenverwandte heißt Lisa! Lisa hat wie ich ALS. Schon etwas länger als ich und sie hat die bulbäre Form – soll heißen es begann in der Zunge und sie kann schon etwas länger nicht mehr sprechen und muss sich über eine PEG ernähren. Im Internet merkt man von unseren „Einschränkungen“ nichts. Das Hirn ist hellwach und solange wir einen Finger bewegen können, wird getippt und wenn das nicht mehr geht gibt’s die Computer mit Augensteuerung. Und das sieht dann immer aus als wären wir alle kerngesund.
Lisa hat einen ähnlichen Humor wie ich. Meiner war schon immer schwarz und mit fortschreitender Krankheit wird er auch immer schwärzer und ich hatte das Gefühl, dass es bei Lisa ähnlich ist. Nun wohnt sie zwar nicht um die Ecke aber doch für einen Tagesausflug in erreichbarer Nähe und so haben wir uns vergangenen Donnerstag getroffen.
Nun ist es ja sowieso schon aufregend einen neuen Menschen kennenzulernen. Aber für mich war es der erste Kontakt mit einer Leidensgenossin und ich war unheimlich gespannt, wie das so laufen würde. Und ganz ehrlich – besser hätte es nicht gehen können. Lisa ist noch unheimlich gut auf den Beinen unterwegs, wie gesagt, Sprechen geht halt nicht mehr und der linke Arm hat ebenfalls seinen Geist aufgegeben. Und so öffnete Sie die Tür, hüpfte halbwegs vor mir her immer gestikulierend (fand ich auch recht gut verständlich) und ich torkelte ununterbrochen quatschend hinter ihr her.
Kommunikation lief 1 A! Ich redete – sie hörte zu! Mit dem Tablett und der Voice App konnten wir uns gut verständigen und später kam ihr Mann dazu und die Zeit verflog wahnsinnig schnell.
Ja… Internet! Ohne Internet wüsste ich nicht wie doof manche Menschen sind. Herzlos, hasserfüllt, ungebildet, wütend, negativ, neidisch und ängstlich. Ohne Internet würde ich aber nicht diese unglaublichen Menschen, die mein Leben bereichern, kennen lernen und dafür nehme ich die Anderen gerne in Kauf.
11. Zeit 29.12.2016
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie lange das Leben dauert, wenn man jung ist und dringend auf etwas wartet? Wie endlos lange hat es gedauert bis ich endlich 10 war und in der Pubertät gab es doch nichts Wichtigeres als endlich volljährig und unabhängig von den Eltern zu werden. Wie albern – als ob man mit 18 unabhängig wäre. Das einzige was man kann ist Kaufverträge abschließen, die sich nur noch sehr schwer bis gar nicht rückgängig machen lassen oder wählen zu dürfen obwohl man von Politik überhaupt keine Ahnung hat weil die Party nächstes Wochenende wesentlich interessanter ist.
Irgendwann geht dann eine mehr oder weniger ernsthafte Suche nach dem richtigen Partner los – man will ja auch eine eigene Familie – Kloster hatte ich zu Schulzeiten schon genug, das war keine Option. Und ich muss zugeben DAS war nicht so ganz einfach. Ich habe zum Leidwesen meiner Mutter nämlich viele Frösche geküsst bis ich meinen Traumprinzen gefunden habe.
Ich bin vom Sternzeichen Löwe. Ich glaube zwar nicht an Horoskope aber an den Charaktereigenschaften bestimmter Sternzeichen ist meiner Meinung wirklich etwas dran. Ich bin nämlich eine ganz typische Löwin. Wenn ich auf eine Party gehe und es beachtet mich keiner gehe ich nach spätestens 10 Minuten wieder…. Aber das ist ja zum Glück noch nie passiert :)
Nun hatte ich als junges Mädchen einen Faible für Männer mit großem Ego und noch größerem Mundwerk. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert - wir drängelten immer gemeinsam durch die Tür und blieben im wahrsten Sinne des Wortes stecken – in der Tür und in der Beziehung, die auch nie allzu lange dauerte. Ab und an hatte ich dann mal einen Frosch, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas….ja.. GÄHN….. wie langweilig war DAS denn?
Ich war also auf der Suche nach einem selbstbewussten Mann mit einer mir adäquaten Bildung - nicht dass ich mich für so wahnsinnig schlau halte (oder doch?) – einen, der mich bewundert und gleichzeitig am Zügel hält. Mein Vater hat - wenn ich richtig informiert bin - mit 17 Abitur gemacht und 2 Klassen übersprungen, also irgendwas in die Richtung musste es schon sein! Ich habe dann schon mal angefangen Backmischungen zusammen zu stellen und als ich glaubte, das wird wohl nix mehr, vielleicht doch Kloster oder Emanze, lief mir mein Traumprinz über den Weg. In diesem Jahr werden wir 32 Jahre verheiratet sein und jetzt kommt der Blick andersrum: Wo zum Kuckuck ist die Zeit geblieben?
Schaut Ihr manchmal in Eurem Leben zurück? Bevor ich krank wurde, habe ich das eigentlich nie gemacht. Ich habe – wenn etwas mal so total daneben lief gesagt, dass ich DAS ganz bestimmt nicht mehr machen würde – aber im Grunde hatte man nette Erinnerungen an Urlaube oder irgendwelche Highlights oder lustige Wutausbrüche von mir (ich glaube, denen muss ich irgendwann auch noch ein Kapitel widmen) aber das wars dann auch. Gut – ab und an kam aus irgendeiner Ecke meiner Gehirnwindungen eine Erinnerung, die ich gar nicht haben wollte und die ich ganz schnell wieder dahin schob, woher sie gekommen ist.
Aber jetzt schaue ich öfter zurück. Man kann ja nichts ungeschehen machen und im Wissen um seine eigenen Möglichkeiten könnte ich auch nichts ändern wenn ich die Chance hätte, die Dinge nochmal neu anzugehen. Und ich muss im Großen und Ganzen sagen, ich hatte bis jetzt ein tolles Leben. Wir konnten keine eigenen Kinder bekommen, also haben wir 2 Mädchen adoptiert - jetzt haben wir 2 wundervolle Enkeltöchter. Habe ich schon erwähnt, dass wir die wundervollsten Enkeltöchter der Welt haben? Nein? Ihr werdet es sicher noch öfter lesen!
Ich bin immernoch gerne mit meinem Mann zusammen – er ist mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Ich musste lernen, meine Ungeduld zu zügeln. Ein schnelles „Ja“ kommt ihm nicht immer so einfach über die Lippen – aber es kommt, ich muss nur warten können. Er glaubt manchmal dass ich ihn manipuliere ….. (kopfschüttel – NEIN…niemals …. Oder vielleicht? Ein kleines bisschen???)
Ich habe unglaubliche Freunde, Freunde die mir helfen, die für mich da sind, die mich kritisieren (ganz vorsichtig…haha) und die Kritik von mir aushalten weil sie wissen, dass ich es nie tun würde, wenn sie mir nicht so sehr am Herzen liegen würden. Freunde, die nicht verschwinden wenn es brenzlig wird – ganz im Gegenteil. Und Freunde die nachhaltig sind, die immer parat stehen, wenn ich nur piep sage – und überwiegend brauche ich noch nicht mal zu piepen – sie stehen schon vor der Tür.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Ich habe viel und ausnahmslos geliebt, ich kann so wütend und laut werden, dass die Nachbarn jedes Wort verstehen ohne die Fenster aufzumachen. Ich kann pampig und ungerecht und verletzend sein aber ich kann auch reumütig zu Kreuze kriechen und mich entschuldigen und zwar so lange wie es braucht bis man mir verzeiht! Und ich kann verzeihen wenn ich echte Reue spüre und ich bin überhaupt nicht nachtragend wenn ein Streit beendet ist. Ist er es aber nicht bin ich noch Jahre später völlig angepisst.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Und ich werde es genießen bis zum Ende!
10. ...und Sport hilft doch! 27.12.2016
Hallellluuuhhhjaaaa…..christmas is over! Nicht dass es nicht schön war. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal hatte ich alles was ich wollte und keine, null, nada Arbeit. Ok, die Gans ist dieses Jahr zum ersten Mal etwas trocken geworden – vermutlich in memoriam an das schöne Wellness-Wochenende mit meiner Schwester Elke Anfang Dezember in Bad Sachsa. Dort hatte ich furztrockene Gans mit Grünkohl. Umpf! Ich neige gelegentlich zu kulinarischem Masochismus. An der Gans würde ich heute noch rumkauen, wenn ich nicht irgendwann aufgegeben hätte. Und der Grünkohl zur Gans – welcher Teufel hat mich geritten? Aber wer den Schaden hat muss nicht lange auf den Spott warten. Elke hat natürlich alles genauestens dokumentiert und in die Welt getragen und die einzige Chance da einigermaßen heil wieder raus zu kommen …. Es gab keine!
Und weil es dort grad so schön war, war unsere Weihnachtsgans eben auch ein bisschen trocken. Nur den Grünkohl habe ich mir verkniffen…… ich wollte meine Ehe nicht mutwillig aufs Spiel setzen!
Trotzdem bin ich froh, dass es vorbei ist. Ich hatte in den letzten Tagen viele Momente an denen ein innerer Wasserhahn aufgedreht wurde und ich einfach heulend rum saß. Die Psychologen meinen immer, das würde mir zustehen, das wäre normal, das darf ich zulassen. Jaaa – aber es bringt mir keine Erleichterung. Ich fühle mich danach nicht besser, ich sehe nur beschissener aus. Gestern Vormittag war es besonders schlimm. Ich konnte mich nachts schlecht bewegen und war morgens schon müde, kam vom Sitzen nicht gut hoch. Wir wollen eigentlich ins Fitness-Studio und ich hatte richtig Panik davor, wollte es Matthias aber nicht vermiesen und als die Sporttaschen gepackt waren stand ich (wiedermal heulend „genervtguck“) im Flur. Matthias wäre sofort mit mir zuhause geblieben aber in mir regte sich der typische Eva – Trotz und ich biss die Zähne zusammen und bin mitgegangen. Schließlich habe ich 2 Wochen keine Physiotherapie und ich muss schauen, dass die Rumpfmuskulatur, die ich zur Atmung brauche so lange wie möglich intakt bleibt.
Ja – und was soll ich sagen. Ich habe brav 40 Minuten an den Geräten trainiert und mit jeder Minute wurde meine Stimmung besser und meine Bewegungen geschmeidiger. Danach noch ein Saunagang und ich war mental wie körperlich wieder hergestellt! Was lernen wir daraus? Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst: NUR NICHT DEN KOPF HÄNGEN LASSEN!!! Und immer schön am eigenen Kragen hoch ziehen – es wird schon wieder.
Was ich noch gelernt habe: Je schlechter mein mentaler Zustand, desto schlechter reagiert auch mein Körper. Wenn ich traurig bin, mag er nicht mehr aufstehen. Darum heißt es mehr denn jemals zuvor. Lebe! Liebe! Lache! Und tu was Dir gut tut und Dich glücklich macht!!!
Aber es gibt noch einen anderen Grund warum ich froh bin, dass Weihnachten nun vorbei ist. Ich bin guter Hoffnung, dass unsere netten italienischen/griechischen Nachbarn ihre Weihnachtsdekoration um ihre Fenster bald abnehmen werden. Da wir nachts bei offenem Fenster schlafen, schien mir diese Hochleistungsdekoration immer direkt auf meine Bettseite und unterband sofort jegliche Melatonin-Produktion im Hirn. Ich musste meine Bettdecke also kunstvoll so vor mich drapieren, dass ich mit den Augen dahinter verschwand oder über eine Schlafmaske nachdenken…..
Ich hoffe sehr, dass die Dekoration nicht bis Ostern hängen bleibt…… ich kann mich noch an den Besuch bei einem Arbeitskollegen von Matthias erinnern, da stand kurz vor Ostern noch der komplette geschmückte Weihnachtsbaum, mit winterlicher Eisenbahn-Romantik-Welt darunter – allerdings weitestgehend von den Nadeln befreit, im Wohnzimmer. Ich hatte große Mühe nicht schallend zu lachen - das hätte sonst die verbliebenen 10 Nadeln vom Baum gefegt.
9. Heilig Abend 25.12.2016
Das war ein schöner heiliger Abend! Unsere Tochter und Schwiegersohn haben es richtig schön für uns gestaltet, unsere Emma rief bei jedem Päckchen „Boaaahhh“ egal ob es für sie war oder nicht und beide Mädchen waren mit ihren Geschenken beschäftigt. Ok – die Geschenke der Größeren (Mia) waren natürlich viel interessanter als die eigenen – aber die beiden Mädchen bekommen das immer erstaunlich reibungslos gebacken ohne sich in die Wolle zu kriegen.
Matthias und ich hatten dann Fondue zu Zweit. Zugegeben – ich hatte im Vorfeld ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Mein Leben lang habe ich immer versucht den Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich glaubte dass andere sie an mich stellen. Und wenn ich im Nachhinein dann gesagt hatte, dass es mir eigentlich zu viel war, wurde mir immer wieder gesagt, dass ich das hätte artikulieren müssen. Nun, das habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal getan. Es war ungewohnt aber gestern war ich sooo froh, es gemacht zu haben. Das Sprechen fällt mir gegen Abend immer recht schwer und ich gammel am liebsten auf meiner Couch rum, daddel auf dem Handy oder schau in die Glotze und hab dabei die Füße oben. Meine Ansprüche werden momentan immer weniger.
Langsam sehne ich den Treppenlift herbei. Unser Schlafzimmer mit unserem Boxspringbett, welches ich so unbedingt haben wollte, ist nun mal im oberen Stockwerk und es ist jeden Abend ein Geschiebe und Gezerre von Matthias und mir, mich nach oben zu bringen. Ich hätte ja noch unser altes Bett unten – aber unten ist das Bad wiederum zu klein und der Einstieg in die Dusche zu hoch – und außerdem, ich lass mir von ALS doch nicht vorschreiben wo ich zu schlafen habe, soweit kommts noch! Aber bis März werde ich wohl noch durchhalten müssen, das Teil ist mit Aufmaß gerade in der Schweiz und über Weihnachten passiert da auch nicht viel.
So…. das muss für heute genügen. Mein Mann hat sich geweigert am Freitag den „Kleinen Lord“ mit mir zu gucken. Er meinte er hätte ihn letztes Jahr gesehen –und das Jahr davor – und das Jahr davor – es reicht ihm jetzt. ABER… er wird gleich wiederholt….hähä… und DA muss er jetzt durch…. Ich glaub, wir haben auch noch Wäsche im Keller falls er nach einer Alternative sucht :)
8. Umbau 24.12.2016
Es gibt einen Spruch bei dem mein Mann regelmäßig behauptet er hätte ihn wirklich noch nie gehört. Kann eigentlich gar nicht sein, ich benutze ihn seit vielen Jahren regelmäßig.
Und zwar „Alles im Leben hat seinen Sinn“.
Manchmal sehen wir ihn nur nicht sofort. Gut – man könnte jetzt fragen worin der Sinn liegt, dass ich ALS bekommen habe. Aber ich bin mir sicher, es gibt einen. Und wenn ich nur einem einzigen Menschen ein bisschen Mut machen kann oder ihn zum Lachen bringen kann, dann ist das für mich auch schon irgendwie sinnvoll.
Aber ich wollte jetzt nicht anfangen zu philosophieren – ich wollte eher auf die praktische Schiene kommen.
Matthias wird im Sommer 60. Ursprünglich wollten wir diesen Geburtstag mit unserer ältesten und besten Freundin (das älteste bezieht sich auf die Dauer der Freundschaft – ich glaube es sind jetzt 42 Jahre oder so) in Calgary/Canada feiern. Canada war und ist immer ein Urlaubstraumland von uns gewesen und wir haben viele tolle Urlaubsreisen fast immer mit dem Wohnmobil unternommen und waren jedesmal begeistert.
Als sich meine zunehmende Unbeweglichkeit manifestierte und wir von unserer Mittelmeerkreuzfahrt ebenfalls sehr angetan waren (wobei – ich weiß nach wie vor nicht – wars die Kreuzfahrt oder die Pina Coladas) hatten wir die Idee im Sommer eine Kreuzfahrt ans Nordkap mit Spitzbergen und Island zu machen. Island ist nämlich auch so eine Reise, die ich unbedingt noch machen möchte. Aber Teufel auch - das Schiff war im November bereits völlig ausgebucht!.... HALLO??? Wer bitteschön ausser uns will denn im Sommer ans Nordkap und Spitzbergen? In den Sommerferien? Das ist nix für Kinder!! Viel zu kalt zum Baden und so…..
Nun auch tägliche Versuche des Reisebüros unseres Vertrauens (ich mach jetzt mal Werbung: TUI Reisecenter Aschaffenburg – liebe Susanne, liebe Iris – ihr seid der Hammer!!! Never jemand anders!!) brachten keinen Fortschritt – dieser Kahn war voll bis oben hin. Zwischenzeitlich beschlossen wir dann mit Iris und Frank über Ostern nach New York zu fliegen – auch etwas was ich unbedingt noch sehen will - dann kam der Treppenlift mit schlappen 18.000 Euro dazu, der Umbau des oberen Badezimmers wurde gedanklich auch immer teurer und irgendwann war uns diese Seereise eh ein bisschen zu teuer und wir haben auf Spitzbergen und Island verzichtet und „nur“ 11 Tage ans Nordkap gebucht. Alles gut!!
Ähnlich geht es uns gerade mit unserem Badezimmerumbau. Eigentlich wäre es keine sooo große Geschichte wenn es denn unsere Badezimmerfliesen noch gäbe, die wir vor 10 Jahren eingebaut haben. Die gibt es nämlich nicht mehr – heißt: alle alten Fliesen raus und komplett neue rein. Uff….!!! Teuer!!! Und das größte – ich komme mir bald vor wie in der Werbung der gelben Seiten – ich liege auf der Lauer und warte, dass ein Fliesenleger vorbeikommt. Auf den lass ich mich dann drauf fallen und halte ihn so lange gefangen, bis das Bad fertig ist – soll heißen, die melden sich schon gar nicht oder wenn äußerst widerwillig.
Nun hatten wir ja letzte Woche diesen unnützen Besuch im Sanitätshaus – und dieser Mitarbeiter, der dafür gesorgt hat, dass dieses Sanitätshaus nicht in die engere Wahl kommt, hat mich trotzdem auf eine Idee gebracht. Er fragte nämlich ob wir einen Badewannenlift bräuchten. Nein eigentlich nicht – unser Whirlpool sollte ja raus. Aber heute Morgen stand ich so in unserem Bad und dachte – warum eigentlich nicht alles so lassen wie es ist und einen Badewannen-Schwenklift einbauen. Dann kann ich in der Wanne gewaschen werden, Matthias behält seine Dusche – eventuell muss nur ein Waschbecken raus und gut ist.
Also: alles im Leben hat seinen Sinn!!! Danke ihr lieben Fliesenleger fürs „Nicht-Melden“!!! Für die gesparte Kohle machen wir lieber noch eine andere tolle Reise!!!
7. Weihnachten 2016 23.12.2016
Morgen ist Heilig Abend. Weihnachten ist immer eine sentimentale Zeit aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. Ich bekomme viel mehr Post als jemals zuvor und heute lag wieder ein Strauß Blumen vor der Tür – diesmal von meinem Zahnarzt und seiner Frau. Von Ute lag ein wunderschöner Kalender im Briefkasten, von Rosi eine Karte mit den Worten: Im Leben zählt dies zu den schönsten Gaben – eine Freundin sein und eine haben. Meine Tante hat mir einen wundervollen Brief geschrieben und mein Chef eine derart nette Email. Ich sitze also ununterbrochen irgendwo heulend in der Ecke – aber nicht weil ich so unglücklich bin, sondern weil ich so gerührt bin. Obwohl – ein bisschen unglücklich bin ich auch. Ich bemühe mich sehr nicht länger als maximal ein halbes Jahr im Voraus zu denken aber manchmal fällt es schwer. Wir waren diese Woche im Sanitätshaus und haben uns nach einem Reiserollstuhl umgesehen. Inkompetenter Mitarbeiter – reine Zeitverschwendung. Und eigentlich war ich froh, dass das Thema Rollstuhl noch ein bisschen aufgeschoben ist denn auch wenn ich mich permanent damit beschäftige – es macht mir eine Höllenangst dass das am Ende wirklich ich sein soll, die da drin sitzt.
Auch dieses Weihnachten ist anders als sonst. So viele Jahre hat sich die Familie bei uns versammelt, dies ist das erste Jahr an dem wir nachmittags bei meiner Tochter und ihrer Familie sind und abends allein zuhause. Wobei das „allein“ ist kein Problem – nur dass es schon wieder eine Veränderung ist. Das geht alles so schnell, obwohl ich eigentlich dankbar sein muss. Obwohl im Sommer 2015 die ersten Symptome auftauchten kann ich immer noch laufen.
So!! Jetzt ist aber gut mit dem Gejammer! Aufstehn – Krone richten – Mittelfinger raus - weiter geht’s!
Im August hatte ich den ersten Termin in der DKD. Wieder Blutabnahme, Ultraschall, neurologische Untersuchung - und bei jedem negativen Befund hangelten wir uns weiter vorwärts. Schädel- und Halswirbel MRT, Lumbalpunktion und ständige Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen. Irgendwann hab ich gesagt: Ich will nur irgendeine Diagnose – aber nur 1 Tag später hab ich das korrigiert in: Ich will nur irgendeine Diagnose AUSSER ALS. Komischerweise – obwohl ich so wenig von der Krankheit wußte, hatte ich ein ungutes Gefühl und bei Dr. Google landete ich bei meinen Symptomen leider auch immer wieder auf den ALS – Seiten.
Irgendwann kam dann ein auf Motoneuronenkrankheiten spezialisierter Arzt ins Spiel, der mich auch noch mal ausgiebig untersuchte und dann ließen mich 2 Dinge aufmerken A) er meinte, die bisherigen Einschränkungen wären wohl nicht rückgängig zu machen und B) ich solle das nächste Mal meinen Mann mitbringen. Dazwischen lag noch eine Mittelmeerkreuzfahrt und eine nicht unerhebliche Anzahl von Pina Coladas liesen mich diesen Termin vergessen.
Der 19. Oktober war dann DER Tag. Der Arzt wurschtelte umständlich auf seinem Schreibtisch rum und schob einen Papierstapel hin und her und ich hatte schon den Eindruck, er muss erst noch überlegen wie er anfängt. Und dann kam der Satz, der mein Leben veränderte: Kennen Sie Amyotrophe Lateralsklerose? Ja verdammt!!! Hab ich denn genuschelt als ich sagte: Alles AUSSER ALS???? ALS = Aller Letzte Scheiße!
6. Hinfallen und Aufstehen 22.12.2016
Den nächsten Freiflug hatte ich direkt am 2.Tag unserer Reha. Wir kamen vom Frühstück, Matthias lief etwas vor mir und auf einmal segelte ich in gestrecktem Galopp wie ein gefällter Baum vor seine Füße. Standardfrage ist von Umstehenden immer: oh Gott, ist ihnen schlecht? – Nein schlecht war mir nicht – ich musste jetzt erst mal ganz vorsichtig alles bewegen und testen ob es noch ging – und es rannte auch schon einer los, eine Schwester zu holen. Und es kam auch ein zierliches junges Mädchen mit Rollstuhl um die Ecke geschossen. „Ach Gott“ rief sie „Diese blöde Treppe“. Ich: „ Äh, nein, die Treppe hat nichts damit zu tun“. Sie: „Die ist aber auch steil“ Ich: „Nein, ich bin die Treppe nicht runterfallen“ Sie: „Ich rechne immer damit, dass da mal jemand runterfällt“ Ich: „ICH BIN DIE TREPPE NCHT RUNTER GEFALLEN!!!“.
Soweit so gut… mit vereinter Hilfe wurde ich in den Rollstuhl gehievt und ins Arztzimmer geschoben. Der Doktor (irgendein osteurpäischer Name) „Gutän Taag – waas iest passiert?“ – Die Schwester: „Die Dame ist die Treppe runtergefallen“ …….AAAARRRRGGGGGGHHHHH!
Ok, wir konnten zu guter Letzt klären, dass ich nicht die Treppe runtergefallen bin und der Dottore diagnostizierte „Muhskälschwäääche“ – toll, da wäre ich von allein ja nie drauf gekommen!
Ich hatte jedenfalls Prellungen an beiden Armen aber gebrochen war zum Glück nix. Ich konnte mich zwar weder anziehen, noch Schuhe binden, noch eine Tür aufmachen oder ein Stück Fleisch schneiden aber heute sehe ich es als Vorbereitung für meinen Mann – das muss er in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich eh machen. Und ich wurde zum Laufen mit Rollator verdonnert. Boah Leute – echt jetzt – DAS war furchtbar!!! Mit diesem Omateil durch die Gegend zu schieben und rechts und links von jeder 70jährigen überholt zu werden. Mein Ego konnte sich sehr lange überhaupt nicht daran gewöhnen und ich hab mich irgendwie geschämt. Zumal man in den Rehakliniken auch mit unhandlichen Traktoren ausgestattet wird. Ausserdem ging dieses Teil fast nicht ins Auto - und da das Essen in dieser Klinik (im Gegensatz zu Freiburg das Jahr davor) eher nicht so prickelnd war, sind wir am Wochenende immer nach Kappeln abgehauen (dort wurde übrigens der „Landarzt“ gedreht – wunderschöne Ortschaft) um Essen zu gehen. Wir haben dann mal bei Amazon geschaut, einen zusammenklappbaren Leichtrollator gab es da schon für 100 Euro und ich dachte – wenn ich den nicht mehr brauche, kann ihn Mutter kriegen. Ich hatte jedenfalls nicht vor, mich an dieses Teil zu gewöhnen. Den haben wir dann bestellt und das war wenigstens eine kleine optische Verbesserung.
5. noch mehr Krebs 20.12.2016
Am 16. Juni 2015 war es dann endlich so weit. Matthias (mein Mann) saß hier schon im gepackten Wohnwagen, ich eilte zur letzten Bestrahlung und zur Abschlussbesprechung und schon waren wir auf dem Weg nach Südtirol. Eigentlich wollten wir nach Kärnten aber das Wetter war in Meran einfach besser und ich war soooo glücklich…. Fertig mit der ganzen Kacke – FUCK YOU CANCER. Mich hat er nicht gekriegt!!! Es war ein wunderschöner, erholsamer Urlaub. Endlich wieder Golfen und als wir die Seiser Alm entdeckten hatten wir wunderschöne Wanderungen auf dem Programm. In bisschen komisch fand ich, dass ich steile Wege nur sehr schwer hoch kam und relativ schnell aus der Puste war. Das kannte ich von mir ja überhaupt nicht. Auf der anderen Seite – 10 Monate Chemo und Bestrahlung – das kann einen vermutlich schon fertig machen. Ich vertraute darauf, dass sich das im Laufe der Zeit schon geben wird. Direkt im Anschluss an den Urlaub hatte ich 3 Wochen Anschlussheilbehandlung in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg und die würden mich schon wieder auf Vordermann bringen.
Nach dem Urlaub blieben mir dann auch genau 3 Tage Zeit, meine Wäsche zu waschen und neu zu packen und dann düste ich nach Freiburg im Breisgau und trat meine 3 wöchige Reha an. Freiburg ist eine tolle Stadt und die Patienten der Rehaklinik haben im Mittel auch eher so meinen Altersdurchschnitt, was ich sehr angenehm empfand. Die Zimmer waren sehr schön, in die eine Richtung lief man 20 min. in die Innenstadt, in die andere war man in 20 min. an einem Badesee mit Biergarten und wenn es nicht so affenartig heiß gewesen wäre ( immer locker über 35 Grad) wäre es gar nicht zu aushalten gewesen.
Leider waren auch ein paar sehr junge Menschen dort zur Reha – ein junger Mann mit Mitte 20 nach Leukämie und einige jüngere sehr attraktive Frauen wie ich nach Brustkrebs. Das Gebalze der männlichen Patienten um diese jüngeren Mädels war ausgesprochen erheiternd. Die Mädels hatten alle gesunde und wie ich bei Besuchen feststellen konnte auch attraktive Ehemänner zuhause – aber da glaubten doch wirklich ein paar, sie würden diese für einen krebskranken älteren Herrn verlassen. Naja.. auch hier stirbt anscheinend die Hoffnung zuletzt.
An den Wochenenden kam Matthias und wir gingen überwiegend zu Golfen. Unter der Woche war ich in so ziemlich jeder Sportgruppe die es gab und es funktionierte alles prima. Komisch fand ich nur, dass es mir zunehmend schwerer fiel, aus der Hocke freihändig hoch zu kommen und hohe Stufen konnte ich auch kaum noch ohne Handlauf schaffen. Da mein Krebs hormonabhängig war nahm ich zu diesem Zeitpunkt schon Aromatasehemmer – ein Medikament zur Unterdrückung von Hormonen. Das sollte eine Wiederkehr oder Metastasen verhindern. Dummerweise hatte ich vorher den Beipackzettel gelesen und in meinen diversen Brustkrebsforen wurde auch über die Nebenwirkungen um Wette gejammert – und so schob auch ich jedes Wehwehchen (eben diese Schwäche in den Beinen oder eine Steifheit in den Beinen morgens) auf dieses Medikament. Laufen wurde irgendwie immer anstrengender aber mit Schmerzmitteln kam ich komischerweise ganz gut klar. Eigenartig war auch, dass ich nach ein bisschen Anstrengung auf einmal tagelang Muskelkater bekam. Aber wie gesagt, für mich war Anastrozol daran schuld – und ansonsten machte ich mir keine weiteren Gedanken.
Im Winter 2016 wurden meine kleinen Unpässlichkeiten auf einmal völlig unwichtig. Wurde doch bei meinem Mann Schilddrüsenkrebs festgestellt. Er stand seit Jahren unter Beobachtung einiger kalter Knoten und da diese wieder minimal gewachsen waren, meinte sein Radiologe, es wäre Zeit eine Biopsie zu machen. Diese Biopsie brachte kein eindeutiges Ergebnis und so beschlossen wir, den größeren Knoten auf der einen Seite entfernen zu lassen. Zeitgleich fing ich auf einmal an zu Watscheln wie eine Ente. Ich bekam den Fuß nicht mehr abgerollt und es fühlte sich komisch an zu Laufen – das war der Moment an welchem ich beschloss bei meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung diesen Aromatasehemmer abzusetzen, ich wollte aber erst die Meinung meiner Onkologin, der ich sehr vertraue.
Die OP von Matthias ergab, dass dieser Knoten bösartig war. Ich saß an dem Tag in meinem Büro auf der Arbeit und heulte was das Zeug hielt. Eine Schreitherapie im Wald wäre die einzige Möglichkeit gewesen, meine Angst, meine Wut und meinen Frust raus zu brüllen – aber pflichtbewußt wie ich bin, blieb ich brav sitzen.
Matthias kam am nächsten Tag gleich wieder unters Messer, die komplette Schilddrüse wurde entfernt und leider war auch schon ein Lymphknoten befallen. Nun ist Schilddrüsenkrebs zum Glück ein Krebs mit extrem guten Heilungschancen. Er musste auch keine Chemo oder Bestrahlung machen. Er verschwand für 4 Tage in der Radiologie in Würzburg, bekam radioaktives Jod, strahlte ein paar Tage wie ein Kernkraftwerk und kam wieder nach Hause. Das wars! (Ok, die Prozedur wurde im Oktober nochmal wiederholt und im Januar werden wir dann wissen ob alles weg ist)
Im April hatte ich dann meine Nachsorge. Entgegen meiner sonstigen Art saß ich heulend im Arztzimmer und jammerte dass ich diese Tabletten nicht mehr will und überhaupt – ich kann nicht mehr ordentlich laufen und auch sonst ist irgendwas anders als sonst. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich für den nächsten Tag einen Termin beim Neurologen.
Im April ging es also los mit der Suche nach dieser geheimnisvollen Muskelschwäche. Erst wurde ein Lendenwirbel MRT gemacht – nichts. Blutuntersuchung – nichts. Elektromyograhie ergab eine Schädigung der Muskeln in den Beinen. Aber das hätte alles eine späte Nebenwirkung der Chemotherapie sein können.
Und so ging ich wieder nach Hause, mit dem Ratschlag – wenn es nicht besser wird, soll ich mich in der Diagnose Klinik Deutschland in Wiesbaden um einen Termin bemühen.
Also hab ich erstmal abgewartet. Die Ligasaison im Golfclub ging wieder los – ich hatte meinen alten Job als Kapitänin wieder, konnte aber nicht mitspielen weil ich einfach zu langsam beim Laufen war. Wir fuhren in die Toskana – die Ruhe, das viele Liegen taten mir sehr gut und ich dachte –ui, es wird besser! Alles gut, war doch nur eine Nebenwirkung.
Zurück zu Hause wurde es aber wieder eher schlechter und ab Ende Mai bemerkte ich eine leichte Veränderung meiner Sprache. Sie wurde etwas verwaschener und manche Buchstabenkombinationen wie z.B. „tz“ wurden zu Zungenbrechern. Ich informierte erstmal meinen Chef darüber – nicht dass er am Ende auf die Idee kommt, ich hätte meinen Flachmann im Büro. Er lachte und meinte: Ok – aber das ist kein Freibrief!!
Zeitgleich machte ich nun doch mal einen Termin in der DKD in Wiesbaden. Da Matthias und ich eine gemeinsame onkologische Reha im Sommer an der Ostsee genehmigt bekommen haben, bat ich darum den Termin auf Mitte August zu legen – und so bekam ich ihn auch direkt im Anschluss an die Reha.
Im Sommer hatten wir dann 5 wundervolle Wochen geplant –erst 2 Wochen zusammen mit meiner Schwester und meinem Schwager Camping in der Nähe von Kiel, diekt an der Ostsee und danach in Schönhagen 3 Wochen Reha.
Im Urlaub flog ich das erste Mal der Länge nach hin – auf dem Campingplatz auf einer Wiese. Ich saß also auf der Wiese und rief nach meinem Mann. Irgendwie war meine Stimme nur nicht mehr so kraftvoll wie früher und er hörte mich nicht. Dafür kam aus einem Wohnwagen eine Frau gerannt, die mir helfen wollte – nun bin ich ja kein Leichtgewicht und von alleine kam ich einfach nicht mehr hoch. Ich schickte sie zu Matthias, der kam und half mir hoch. Und das war der Moment wo mir klar wurde – Scheiße, ich glaube das ist nix gutes – das könnte schief laufen!
Wir redeten es uns schön – da war bestimmt ein Loch, in welches ich rein getreten bin…. Und das wird schon wieder. Meine Freundin Andrea versuchte über Onkologin und Neurologen meinen Termin in der DKD vor zu verlegen – das klappte allerdings nicht und im Nachhinein war ich auch ganz froh drüber.
4. Mutter 19.12.2016
Im Sommer 2014 ist dann noch etwas passiert. Da meine Mutter ziemlich allein in Würzburg saß und ihre Gesundheit nicht die allerbeste war, hielt ich es für eine gute Idee, sie hier in den Ort zu holen. Erst wollte sie nicht – aber nach einer weiteren Bronchitis hat sie zögernd ja gesagt und wir haben erstaunlicherweise auch sofort eine schöne Wohnung im Erdgeschoss mit Balkon gefunden. Kurz danach war ich dann zeitweise nicht mehr der Meinung eine gute Idee gehabt zu haben. Die Küche, die sie übernehmen musste, war schrecklich (also für sie nicht für mich), das Bad war schrecklich, die Kinder die vor dem Haus spielten waren viel zu laut, die Haustüre wurde morgens zu laut zugeknallt, die Kellertür abends übrigens auch – und irgendwie zog ich mir jeden Schuh an und fühlte mich ununterbrochen schuldig ihr dies alles angetan zu haben. Dann wurde ich im September krank. Das rettete mich aber nur ca. 7 Wochen – denn dann bekam sie die Diagnose Speiseröhrenkrebs – und zwar schon so weit fortgeschritten dass sie kaum noch schlucken konnte und ihr eine PEG gelegt werden musste. Dr. Google warf aus, dass Speiseröhrenkrebs eine Überlebenschance von 20% hat und das auch nur wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Meine arme Schwester saß in Norddeutschland und reiste ununterbrochen an um ihre verkrebste Familie zu unterstützen und da der Krebs von Mutter natürlich schlimmer war als meiner geriet ich ein bisschen in den Hintergrund. Ich war einfach auch immer viel zu gut drauf als dass man meine Krankheit wirklich ernst nehmen musste (damit meine ich nicht dich Elke –das weißt du). Mutter kam dann in Blöcken zur Chemo und gleichzeitigen Bestrahlung ins Krankenhaus - natürlich ins schlimmste Krankenhaus aller Zeiten (es reihte sich nahtlos an Küche, Bad, laute Kinder und knallende Kellertür) und die Tage nach ihren Krankenhausaufenthalten waren die reinste Hölle. Ihr ging es mega schlecht und ich sprang zwischen Mutter, eigener Chemo und eigenen Infekten hin und her. Meine Schwester reiste wieder an um mir Mutter zumindest für die ersten Tage abzunehmen. Aber sie hatte auch noch Job und Mann und eine Kneipe zu führen und fing an, sich selber zwischen dem ganzen Fiasko aufzureiben. Damals knickte ich schon die ersten Male mit dem Fuß um und so humpelte ich mit dickem Knöchel in der Gegend herum, mein Optimismus ging langsam gleitend den Bach runter. Irgendwann war ich mental so fertig, dass ein falsches Wort mich explodieren ließ und ich meiner Mutter vorwarf, wenn es so weiter ginge, würde sie am Ende leben und ich wäre tot. Jaaaa… ich weiß, das war nicht nett – aber „nichtnett“ kann ich ab und an auch sehr gut. Ich hätte trotzdem meine Klappe halten sollen, scheinbar hatte ich noch nie was von „self fulfilling prophecys“ gehört. Aber gesagt ist halt gesagt. Das war alles im Frühjahr 2015 und meine Mutter lebt immer noch. Unglaublich - ihr Krebs war und ist weg. Ich habe jetzt ALS.
Bei mir ging ab April der Block mit den Bestrahlungen los. Das war eigentlich nur noch lästig. Die täglichen Fahrten ins Klinikum - ein paar Minuten piep piep piep von allen Seiten und fertig. Blöderweise bildete sich unterhalb der Brust eine offene Stelle und da ich auf gar keinen Fall auch noch die Bestrahlung aussetzen wollte besorgte mir mein Mann einen kleinen Handföhn und ich lag zuhause wie ein Maikäfer auf dem Rücken und föhnte meine Brust in der Hoffnung das ganze austrocknen zu können. Natürlich wollte ich jetzt auch endlich wieder Golf spielen und ich hatte meiner Freundin Karin versprochen ihr bei einem Ligaspiel sowohl als Captain als auch als Spielerin auszuhelfen. Diese offene Stelle an der Brust war aber ein echtes Problem. Der BH rieb genau dort und es war heiß, ich schwitzte und die Drehbewegung beim Schlag war ausgesprochen kontraproduktiv.
Nun hab ich ja hin und wieder ganz gute Einfälle also habe ich bei Aldi bei meinem nächsten Einkauf Damenbinden gegen Inkontinenz besorgt und sie mir in den BH gestopft. Das Gesicht der Kassiererin war Gold wert. Es stand ihr auf der Stirn was sie dachte: „Die arme Frau…… keine Haare auf dem Kopf und in die Hose püschert sie auch“ Aber egal – es hat funktioniert und ich habe sogar ziemlich gut gespielt.
3. Paris 18.12.2016
Der Unterschied zwischen Krebs und ALS liegt definitiv in der Möglichkeit der Wahl. Bei Krebs hatte ich eine Wahl der Behandlung – bei ALS hab ich nur blöd aus der Wäsche geguckt. Obwohl – soooo einfach war das auch wieder nicht. Nach der OP im September war der Krebs weg und die beiden Wächterlymphknoten frei, bis auf eine Delle im rechten Mops war alles gut. Ich dachte – prima, das wars – Arrivederci Krankenhaus! Aber weit gefehlt. Standardprocedere ist OP – Chemo (16 Stück) und Bestrahlung. Die Überlebenschancen sinken mit jeweils 30 % wenn man eine Komponente auslässt. Nun - es gibt Dinge von denen ich einfach keine Ahnung habe. Politik zum Beispiel. Da habe ich eine Meinung und ich informiere mich aber ich maße mir wirklich nicht an, Hintergründe zu verstehen oder es in irgendeiner Art besser machen zu können. Medizin ist auch so ein Bereich. Ich bin zwar Stammgast bei Dr. Google und weiß wie man Ohrenschmerzen mit Zwiebelsäckchen oder Fieber mit Wadenwickeln bekämpft– aber damit sind meine Kenntnisse auch schon weitestgehend erschöpft. Also da sitzt man nun und schaut sich den entsprechenden Arzt an und entscheidet mehr oder weniger nach Vertrauen. Und eins kann ich sagen – ich hatte tolle Ärzte, menschlich wie fachlich. Und da ich nicht schuld sein wollte wenn der Krebs wiederkommt habe ich dem ganzen Block zugestimmt.
Mein größtes Problem war eigentlich unsere Paris – Reise, die genau zwischen die erste und zweite Chemo fallen sollte. Aber nach Rücksprache mit meiner Onkologin haben wir die Reise angetreten. Paris war wunderschön, wir hatten Anfang November 20 Grad, die Sonne schien und ich wurde gleich erstmal krank. Was ich erst später mitbekam – nach jeder Chemo donnerten meine Blutwerte in den Keller. Die Chemo als solches habe ich gar nicht als sooo schlimm empfunden, daß ich permanent einen Infekt hatte und immer gleich flach lag, hat mich echt genervt – zumal ich ständig eine Chemo ausfallen lassen musste, weil nicht auf einen Infekt drauf therapiert wird und somit zog und zog sich die Behandlung immer weiter in die Länge.
Gut, das französische Gesundheitssystem hatte ich damit auch kennen gelernt und mit Antibiotika und Schmerztabletten bewaffnet habe ich den Aufenthalt trotzdem sehr genossen. Meine Haare waren auch so lieb und haben Paris noch gehalten – auf dem Weg zurück hatte ich dann das erste Büschel in den Händen. Innerhalb von 10 Tagen hatte war der Kopf kahl und ich fand sogar, dass es mir stand. Es war nur ungewohnt kalt am Kopf! Die nächste Zeit verbrachte ich mit dem Kauf von Mützen und Schals, eine Perücke hatten wir schon vorsorglich ausgesucht – ja und so dauerte es bis Anfang April bis ich mit dem ganzen Mist durch war.
Wer jetzt glaubt, bei einer Chemo hängt man kotzend über der Toilettenschüssel…. Weit gefehlt! Cortison und eine Menge anderer Medikamente verhindern dies erfolgreich – mit dem doofen Nebeneffekt: Ich war wild auf Käsekuchen! Und man mag es kaum glauben - innerhalb von 3 Monaten waren meine 15 kg wieder drauf und dank des Cortisons sah ich aus wie ein Mondkalb. Das Mondkalb verschwand langsam – die 15 kg blieben
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2. Knitterfreies Wasser 17.12.2016
Und so fuhren Karin und ich dann auch im September 2014 zusammen nach Würzburg. Das war keine große Geschichte – die Biopsie wurde gemacht, die Diagnose wurde mir in homöopatischen Dosen verabreicht aber dieser Tag wird mir aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben. Mein Schätzlein Karin brauchte dringend ein neues Make up. Und so fielen wir auf dem Rückweg zum Auto in einer der nobleren Parfümerien Würzburgs ein. Man muss erklären, ich halte mich nicht für unattraktiv – aber mit Makeup hab ich es nicht so – und neben meiner wunderschönen, zierlichen, mit langen schwarzen Haaren ausgestatteten Freundin Karin komme ich mir nun mal vor wie der allerletzte Bauerntrampel vom Dorf. Der offensichtlich nicht wirklich an Frauen interessierte (ich meine das jetzt rein sexuell) Verkäufer (ich glaube es war der Juniorchef) wuselte auch gleich hektisch um Karin, das Make up das ihr fehlte war natürlich kein Discounterprodukt. Er holte gleich noch Puder, Lipgloss, und ein Gesichtswasser das alle Falten wie durch Zauberhand entknittert und so pinselte und sprühte er an Karin rum und ja…… sie sah in der Tat NOCH besser aus als vorher. Nachdem er mit ihr fertig war ruhte sein Blick auf mir und auf einmal stand die Frage im Raum: Wollen Sie auch mal? Ich hab die Backen aufgeblasen, mit den Schultern gezuckt und sowas wie ein „ja“ gemurmelt! „Ich seh schon“ sagte er „sie sind eher der puristische Typ“…. Ja wo er Recht hat hat er Recht! Aber auch ich wurde bepinselt und besprüht und vor allem dieses „Knitterfrei-Wasser“ hatte es mir angetan. Also das musste ich haben – und das Puder! Schnell ein Blick auf die Marke – aha Chanel – naja, man gönnt sich ja sonst nichts! Und dieses Wasser (pffff…Wasser in einer Dose, was kann das schon kosten) Um es kurz zu machen - das Wasser kostete 80 Euro, es wäre mir peinlich gewesen, es zurück zu geben, Karin stellte ihres diskret wieder ins Regal und am Ende sind wir beide mit ca. 300 Euro Kosmetika lachend aus der Parfümerie gedappelt und ich überlegte wie ich meinem Mann ein Wasser für 80 Euro erklären werde.
1. Icebucket Challenge 16.12.2016
Wie konnte mir DAS passieren?
Vor 2 Jahren habe ich als lebhafte Facebook-Userin kleine Filmchen gesehen wo sich mehr oder weniger bekannte Menschen einen Eimer Eiswasser über die Rübe geschüttet haben. Als dann auch meine Schwester und diverse Freunde nass wurden habe ich mal vorsichtig nachgefragt, worum es hier überhaupt geht. Elke (meine Schwester) informierte mich kurz über ALS – Amyotrophe Laterealsklerose – eine sehr seltene neuromuskuläre Erkrankung für die es keine Heilung gibt. Da aber eine Person aus ihrem Bekanntenkreis daran erkrankt wäre, würde sie sehr gerne mitmachen. So weit so gut – es gibt ja einige furchtbare Krankheiten. Und selten klingt ja auch gar nicht schlimm – selten ist auch ein Lottogewinn und da war man trotz dem Risiko mitzuspielen auch noch nie dran. Damit hatte ich von ALS gehört, die Kampagne fand ich prima, die Aktion fand im Sommer 2014 statt, ich war kerngesund und freute mich auf einen Urlaub in Cornwall.
Vor diesem Urlaub bekam ich wieder mal die zweijährige Aufforderung, mich zur Mammographie einzufinden, was ich in der Vergangenheit sehr gerne ignorierte. Das war vielleicht ein bisschen leichtsinnig, war doch meine Oma daran gestorben und meine Mutter mit Mitte 50 ebenfalls daran erkrankt – aber MIR passiert sowas doch nicht. Ich ernähre mich streng nach den Regeln der Weightwatcher (was natürlich erkennen lässt dass ich mein Leben lang mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte – es gibt 2 große Unternehmen deren Hauptverwaltungen ich mitfinanziert habe: immer im Wechsel Weightwatchers oder Ulla Popken) – ich rauche nicht…äh… fast nicht…also nur manchmal … im Sommer….über meinen Alkoholverbrauch schreibe ich nichts!!!! Der Schuss ginge nach hinten los.
Aber egal, ich war ja gesund und fit, mir tat nichts weh und ich hatte gerade mal wieder 15 kg abgenommen und fühlte mich ausgesprochen attraktiv.
Irgendetwas hat mich dann aber doch veranlasst nach dem Urlaub zu dieser Mammographie zu gehen und als eine Woche später Post im Briefkasten war hatte ich erst überhaupt keine Lust diese aufzumachen. Umso mehr traf mich der Schlag als ich lesen musste, ich solle mich doch bitte in Würzburg zur genaueren Abklärung einfinden und nachdem man mir am Telefon sagte, ich solle eine Begleitperson mitnehmen, da ich nach einer möglichen Biopsie nicht selber fahren kann, habe ich dann doch die linke Augenbraue hoch gezogen.
Da mein Göttergatte keine Zeit hatte, mich nach Würzburg zu fahren fragte ich meine Freundin Karin, die sich auch sofort bereit erklärte.
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12. Internet 31.12.2016
Ja – das Internet. Ohne das Internet und vor allem ohne Facebook hätte ich überhaupt keine Ahnung, wie doof Deutschland zum Teil ist. Vor 16 Jahren hatte ich so meine ersten Online-Gehversuche. Damals gab es noch AOL mit seinen Chatrooms. Da passten so 40 Leute rein, und die Konversation wurde immer mit einem „Hallo“ eröffnet und spätestens nach dem ersten Rechtschreibfehler stürzte sich die Meute auf den vermeintlichen Analphabeten. Aber wie gesagt, das war in einem „Onlineraum“ mit abgezählter Belegschaft und es gab einige Leute die da halt ihren Frust aufs Leben los gelassen haben. Dasselbe passiert heute auf Facebook, bevorzugt unter Pressemitteilungen aber auch wenn ein sogenannter „Star“ nicht so spurt wie es die Menge wünscht rauscht mal eben ein Shitstorm über ihn hinweg. Ja wir leben in schwierigen Zeiten. Obwohl – ich denke die Zeiten waren immer schwierig, wir haben es nur nicht so mitbekommen und nicht jeder Klevi und Plevi konnte sich zum Experten für so ziemlich jedes Thema aufspielen.
Aber das Internet bietet auch Möglichkeiten die ich echt klasse finde. Ich habe lange verschollene Freunde wieder gefunden und pflege Kontakte, zu Freunden die weit weg wohnen, viel einfacher (Christiane in Calgary erscheint mir oft nur eine Ortschaft entfernt) – und man mag es kaum glauben, ich habe tolle Menschen hier kennen gelernt. Nicht in der großen Masse aber manchmal bemerkt man am Schreibstil einer Person ob es passt oder nicht.
Rosi war die erste. Wir haben uns nicht bei Facebook kennen gelernt sondern bei der damalig deutschen Alternative „wer-kennt-wen?“ Ich habe keine Ahnung mehr wie wir das angestellt haben aber Rosi und ich haben sozusagen „gematcht“ (soll heißen gemätscht – hihi). Rosi ist über die Jahre eine so gute Freundin geworden, man mag es kaum glauben, dass wir uns noch nie live gesehen haben. Als meine Haare von der Chemo ausfielen, lag am gleichen Tag ein Päckchen vor der Tür mit einer selbst gehäkelten Mütze – natürlich von Rosi. Ich bekam übrigens noch eine zweite Mütze von Annette, die ich aus dem Golfclub kenne und mit der ich gar nicht sooo eng bin – auch das hat mich total gerührt. Ein Treffen von Rosi und mir ist für 2017 auf jeden Fall gesetzt!!!
Als nächstes hab ich Manu aus Berlin kennengelernt – über das selten blöde Spiel „Monstergarten“. Und auch wir sind über die Jahre aneinander hängen geblieben. Und ich hoffe, dass wir uns im März in Berlin kennen lernen.
Und meine neueste Seelenverwandte heißt Lisa! Lisa hat wie ich ALS. Schon etwas länger als ich und sie hat die bulbäre Form – soll heißen es begann in der Zunge und sie kann schon etwas länger nicht mehr sprechen und muss sich über eine PEG ernähren. Im Internet merkt man von unseren „Einschränkungen“ nichts. Das Hirn ist hellwach und solange wir einen Finger bewegen können, wird getippt und wenn das nicht mehr geht gibt’s die Computer mit Augensteuerung. Und das sieht dann immer aus als wären wir alle kerngesund.
Lisa hat einen ähnlichen Humor wie ich. Meiner war schon immer schwarz und mit fortschreitender Krankheit wird er auch immer schwärzer und ich hatte das Gefühl, dass es bei Lisa ähnlich ist. Nun wohnt sie zwar nicht um die Ecke aber doch für einen Tagesausflug in erreichbarer Nähe und so haben wir uns vergangenen Donnerstag getroffen.
Nun ist es ja sowieso schon aufregend einen neuen Menschen kennenzulernen. Aber für mich war es der erste Kontakt mit einer Leidensgenossin und ich war unheimlich gespannt, wie das so laufen würde. Und ganz ehrlich – besser hätte es nicht gehen können. Lisa ist noch unheimlich gut auf den Beinen unterwegs, wie gesagt, Sprechen geht halt nicht mehr und der linke Arm hat ebenfalls seinen Geist aufgegeben. Und so öffnete Sie die Tür, hüpfte halbwegs vor mir her immer gestikulierend (fand ich auch recht gut verständlich) und ich torkelte ununterbrochen quatschend hinter ihr her.
Kommunikation lief 1 A! Ich redete – sie hörte zu! Mit dem Tablett und der Voice App konnten wir uns gut verständigen und später kam ihr Mann dazu und die Zeit verflog wahnsinnig schnell.
Ja… Internet! Ohne Internet wüsste ich nicht wie doof manche Menschen sind. Herzlos, hasserfüllt, ungebildet, wütend, negativ, neidisch und ängstlich. Ohne Internet würde ich aber nicht diese unglaublichen Menschen, die mein Leben bereichern, kennen lernen und dafür nehme ich die Anderen gerne in Kauf.
11. Zeit 29.12.2016
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie lange das Leben dauert, wenn man jung ist und dringend auf etwas wartet? Wie endlos lange hat es gedauert bis ich endlich 10 war und in der Pubertät gab es doch nichts Wichtigeres als endlich volljährig und unabhängig von den Eltern zu werden. Wie albern – als ob man mit 18 unabhängig wäre. Das einzige was man kann ist Kaufverträge abschließen, die sich nur noch sehr schwer bis gar nicht rückgängig machen lassen oder wählen zu dürfen obwohl man von Politik überhaupt keine Ahnung hat weil die Party nächstes Wochenende wesentlich interessanter ist.
Irgendwann geht dann eine mehr oder weniger ernsthafte Suche nach dem richtigen Partner los – man will ja auch eine eigene Familie – Kloster hatte ich zu Schulzeiten schon genug, das war keine Option. Und ich muss zugeben DAS war nicht so ganz einfach. Ich habe zum Leidwesen meiner Mutter nämlich viele Frösche geküsst bis ich meinen Traumprinzen gefunden habe.
Ich bin vom Sternzeichen Löwe. Ich glaube zwar nicht an Horoskope aber an den Charaktereigenschaften bestimmter Sternzeichen ist meiner Meinung wirklich etwas dran. Ich bin nämlich eine ganz typische Löwin. Wenn ich auf eine Party gehe und es beachtet mich keiner gehe ich nach spätestens 10 Minuten wieder…. Aber das ist ja zum Glück noch nie passiert :)
Nun hatte ich als junges Mädchen einen Faible für Männer mit großem Ego und noch größerem Mundwerk. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert - wir drängelten immer gemeinsam durch die Tür und blieben im wahrsten Sinne des Wortes stecken – in der Tür und in der Beziehung, die auch nie allzu lange dauerte. Ab und an hatte ich dann mal einen Frosch, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas….ja.. GÄHN….. wie langweilig war DAS denn?
Ich war also auf der Suche nach einem selbstbewussten Mann mit einer mir adäquaten Bildung - nicht dass ich mich für so wahnsinnig schlau halte (oder doch?) – einen, der mich bewundert und gleichzeitig am Zügel hält. Mein Vater hat - wenn ich richtig informiert bin - mit 17 Abitur gemacht und 2 Klassen übersprungen, also irgendwas in die Richtung musste es schon sein! Ich habe dann schon mal angefangen Backmischungen zusammen zu stellen und als ich glaubte, das wird wohl nix mehr, vielleicht doch Kloster oder Emanze, lief mir mein Traumprinz über den Weg. In diesem Jahr werden wir 32 Jahre verheiratet sein und jetzt kommt der Blick andersrum: Wo zum Kuckuck ist die Zeit geblieben?
Schaut Ihr manchmal in Eurem Leben zurück? Bevor ich krank wurde, habe ich das eigentlich nie gemacht. Ich habe – wenn etwas mal so total daneben lief gesagt, dass ich DAS ganz bestimmt nicht mehr machen würde – aber im Grunde hatte man nette Erinnerungen an Urlaube oder irgendwelche Highlights oder lustige Wutausbrüche von mir (ich glaube, denen muss ich irgendwann auch noch ein Kapitel widmen) aber das wars dann auch. Gut – ab und an kam aus irgendeiner Ecke meiner Gehirnwindungen eine Erinnerung, die ich gar nicht haben wollte und die ich ganz schnell wieder dahin schob, woher sie gekommen ist.
Aber jetzt schaue ich öfter zurück. Man kann ja nichts ungeschehen machen und im Wissen um seine eigenen Möglichkeiten könnte ich auch nichts ändern wenn ich die Chance hätte, die Dinge nochmal neu anzugehen. Und ich muss im Großen und Ganzen sagen, ich hatte bis jetzt ein tolles Leben. Wir konnten keine eigenen Kinder bekommen, also haben wir 2 Mädchen adoptiert - jetzt haben wir 2 wundervolle Enkeltöchter. Habe ich schon erwähnt, dass wir die wundervollsten Enkeltöchter der Welt haben? Nein? Ihr werdet es sicher noch öfter lesen!
Ich bin immernoch gerne mit meinem Mann zusammen – er ist mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Ich musste lernen, meine Ungeduld zu zügeln. Ein schnelles „Ja“ kommt ihm nicht immer so einfach über die Lippen – aber es kommt, ich muss nur warten können. Er glaubt manchmal dass ich ihn manipuliere ….. (kopfschüttel – NEIN…niemals …. Oder vielleicht? Ein kleines bisschen???)
Ich habe unglaubliche Freunde, Freunde die mir helfen, die für mich da sind, die mich kritisieren (ganz vorsichtig…haha) und die Kritik von mir aushalten weil sie wissen, dass ich es nie tun würde, wenn sie mir nicht so sehr am Herzen liegen würden. Freunde, die nicht verschwinden wenn es brenzlig wird – ganz im Gegenteil. Und Freunde die nachhaltig sind, die immer parat stehen, wenn ich nur piep sage – und überwiegend brauche ich noch nicht mal zu piepen – sie stehen schon vor der Tür.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Ich habe viel und ausnahmslos geliebt, ich kann so wütend und laut werden, dass die Nachbarn jedes Wort verstehen ohne die Fenster aufzumachen. Ich kann pampig und ungerecht und verletzend sein aber ich kann auch reumütig zu Kreuze kriechen und mich entschuldigen und zwar so lange wie es braucht bis man mir verzeiht! Und ich kann verzeihen wenn ich echte Reue spüre und ich bin überhaupt nicht nachtragend wenn ein Streit beendet ist. Ist er es aber nicht bin ich noch Jahre später völlig angepisst.
JA – ich hatte und habe ein gutes Leben! Und ich werde es genießen bis zum Ende!
10. ...und Sport hilft doch! 27.12.2016
Hallellluuuhhhjaaaa…..christmas is over! Nicht dass es nicht schön war. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal hatte ich alles was ich wollte und keine, null, nada Arbeit. Ok, die Gans ist dieses Jahr zum ersten Mal etwas trocken geworden – vermutlich in memoriam an das schöne Wellness-Wochenende mit meiner Schwester Elke Anfang Dezember in Bad Sachsa. Dort hatte ich furztrockene Gans mit Grünkohl. Umpf! Ich neige gelegentlich zu kulinarischem Masochismus. An der Gans würde ich heute noch rumkauen, wenn ich nicht irgendwann aufgegeben hätte. Und der Grünkohl zur Gans – welcher Teufel hat mich geritten? Aber wer den Schaden hat muss nicht lange auf den Spott warten. Elke hat natürlich alles genauestens dokumentiert und in die Welt getragen und die einzige Chance da einigermaßen heil wieder raus zu kommen …. Es gab keine!
Und weil es dort grad so schön war, war unsere Weihnachtsgans eben auch ein bisschen trocken. Nur den Grünkohl habe ich mir verkniffen…… ich wollte meine Ehe nicht mutwillig aufs Spiel setzen!
Trotzdem bin ich froh, dass es vorbei ist. Ich hatte in den letzten Tagen viele Momente an denen ein innerer Wasserhahn aufgedreht wurde und ich einfach heulend rum saß. Die Psychologen meinen immer, das würde mir zustehen, das wäre normal, das darf ich zulassen. Jaaa – aber es bringt mir keine Erleichterung. Ich fühle mich danach nicht besser, ich sehe nur beschissener aus. Gestern Vormittag war es besonders schlimm. Ich konnte mich nachts schlecht bewegen und war morgens schon müde, kam vom Sitzen nicht gut hoch. Wir wollen eigentlich ins Fitness-Studio und ich hatte richtig Panik davor, wollte es Matthias aber nicht vermiesen und als die Sporttaschen gepackt waren stand ich (wiedermal heulend „genervtguck“) im Flur. Matthias wäre sofort mit mir zuhause geblieben aber in mir regte sich der typische Eva – Trotz und ich biss die Zähne zusammen und bin mitgegangen. Schließlich habe ich 2 Wochen keine Physiotherapie und ich muss schauen, dass die Rumpfmuskulatur, die ich zur Atmung brauche so lange wie möglich intakt bleibt.
Ja – und was soll ich sagen. Ich habe brav 40 Minuten an den Geräten trainiert und mit jeder Minute wurde meine Stimmung besser und meine Bewegungen geschmeidiger. Danach noch ein Saunagang und ich war mental wie körperlich wieder hergestellt! Was lernen wir daraus? Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst: NUR NICHT DEN KOPF HÄNGEN LASSEN!!! Und immer schön am eigenen Kragen hoch ziehen – es wird schon wieder.
Was ich noch gelernt habe: Je schlechter mein mentaler Zustand, desto schlechter reagiert auch mein Körper. Wenn ich traurig bin, mag er nicht mehr aufstehen. Darum heißt es mehr denn jemals zuvor. Lebe! Liebe! Lache! Und tu was Dir gut tut und Dich glücklich macht!!!
Aber es gibt noch einen anderen Grund warum ich froh bin, dass Weihnachten nun vorbei ist. Ich bin guter Hoffnung, dass unsere netten italienischen/griechischen Nachbarn ihre Weihnachtsdekoration um ihre Fenster bald abnehmen werden. Da wir nachts bei offenem Fenster schlafen, schien mir diese Hochleistungsdekoration immer direkt auf meine Bettseite und unterband sofort jegliche Melatonin-Produktion im Hirn. Ich musste meine Bettdecke also kunstvoll so vor mich drapieren, dass ich mit den Augen dahinter verschwand oder über eine Schlafmaske nachdenken…..
Ich hoffe sehr, dass die Dekoration nicht bis Ostern hängen bleibt…… ich kann mich noch an den Besuch bei einem Arbeitskollegen von Matthias erinnern, da stand kurz vor Ostern noch der komplette geschmückte Weihnachtsbaum, mit winterlicher Eisenbahn-Romantik-Welt darunter – allerdings weitestgehend von den Nadeln befreit, im Wohnzimmer. Ich hatte große Mühe nicht schallend zu lachen - das hätte sonst die verbliebenen 10 Nadeln vom Baum gefegt.
9. Heilig Abend 25.12.2016
Das war ein schöner heiliger Abend! Unsere Tochter und Schwiegersohn haben es richtig schön für uns gestaltet, unsere Emma rief bei jedem Päckchen „Boaaahhh“ egal ob es für sie war oder nicht und beide Mädchen waren mit ihren Geschenken beschäftigt. Ok – die Geschenke der Größeren (Mia) waren natürlich viel interessanter als die eigenen – aber die beiden Mädchen bekommen das immer erstaunlich reibungslos gebacken ohne sich in die Wolle zu kriegen.
Matthias und ich hatten dann Fondue zu Zweit. Zugegeben – ich hatte im Vorfeld ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Mein Leben lang habe ich immer versucht den Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich glaubte dass andere sie an mich stellen. Und wenn ich im Nachhinein dann gesagt hatte, dass es mir eigentlich zu viel war, wurde mir immer wieder gesagt, dass ich das hätte artikulieren müssen. Nun, das habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal getan. Es war ungewohnt aber gestern war ich sooo froh, es gemacht zu haben. Das Sprechen fällt mir gegen Abend immer recht schwer und ich gammel am liebsten auf meiner Couch rum, daddel auf dem Handy oder schau in die Glotze und hab dabei die Füße oben. Meine Ansprüche werden momentan immer weniger.
Langsam sehne ich den Treppenlift herbei. Unser Schlafzimmer mit unserem Boxspringbett, welches ich so unbedingt haben wollte, ist nun mal im oberen Stockwerk und es ist jeden Abend ein Geschiebe und Gezerre von Matthias und mir, mich nach oben zu bringen. Ich hätte ja noch unser altes Bett unten – aber unten ist das Bad wiederum zu klein und der Einstieg in die Dusche zu hoch – und außerdem, ich lass mir von ALS doch nicht vorschreiben wo ich zu schlafen habe, soweit kommts noch! Aber bis März werde ich wohl noch durchhalten müssen, das Teil ist mit Aufmaß gerade in der Schweiz und über Weihnachten passiert da auch nicht viel.
So…. das muss für heute genügen. Mein Mann hat sich geweigert am Freitag den „Kleinen Lord“ mit mir zu gucken. Er meinte er hätte ihn letztes Jahr gesehen –und das Jahr davor – und das Jahr davor – es reicht ihm jetzt. ABER… er wird gleich wiederholt….hähä… und DA muss er jetzt durch…. Ich glaub, wir haben auch noch Wäsche im Keller falls er nach einer Alternative sucht :)
8. Umbau 24.12.2016
Es gibt einen Spruch bei dem mein Mann regelmäßig behauptet er hätte ihn wirklich noch nie gehört. Kann eigentlich gar nicht sein, ich benutze ihn seit vielen Jahren regelmäßig.
Und zwar „Alles im Leben hat seinen Sinn“.
Manchmal sehen wir ihn nur nicht sofort. Gut – man könnte jetzt fragen worin der Sinn liegt, dass ich ALS bekommen habe. Aber ich bin mir sicher, es gibt einen. Und wenn ich nur einem einzigen Menschen ein bisschen Mut machen kann oder ihn zum Lachen bringen kann, dann ist das für mich auch schon irgendwie sinnvoll.
Aber ich wollte jetzt nicht anfangen zu philosophieren – ich wollte eher auf die praktische Schiene kommen.
Matthias wird im Sommer 60. Ursprünglich wollten wir diesen Geburtstag mit unserer ältesten und besten Freundin (das älteste bezieht sich auf die Dauer der Freundschaft – ich glaube es sind jetzt 42 Jahre oder so) in Calgary/Canada feiern. Canada war und ist immer ein Urlaubstraumland von uns gewesen und wir haben viele tolle Urlaubsreisen fast immer mit dem Wohnmobil unternommen und waren jedesmal begeistert.
Als sich meine zunehmende Unbeweglichkeit manifestierte und wir von unserer Mittelmeerkreuzfahrt ebenfalls sehr angetan waren (wobei – ich weiß nach wie vor nicht – wars die Kreuzfahrt oder die Pina Coladas) hatten wir die Idee im Sommer eine Kreuzfahrt ans Nordkap mit Spitzbergen und Island zu machen. Island ist nämlich auch so eine Reise, die ich unbedingt noch machen möchte. Aber Teufel auch - das Schiff war im November bereits völlig ausgebucht!.... HALLO??? Wer bitteschön ausser uns will denn im Sommer ans Nordkap und Spitzbergen? In den Sommerferien? Das ist nix für Kinder!! Viel zu kalt zum Baden und so…..
Nun auch tägliche Versuche des Reisebüros unseres Vertrauens (ich mach jetzt mal Werbung: TUI Reisecenter Aschaffenburg – liebe Susanne, liebe Iris – ihr seid der Hammer!!! Never jemand anders!!) brachten keinen Fortschritt – dieser Kahn war voll bis oben hin. Zwischenzeitlich beschlossen wir dann mit Iris und Frank über Ostern nach New York zu fliegen – auch etwas was ich unbedingt noch sehen will - dann kam der Treppenlift mit schlappen 18.000 Euro dazu, der Umbau des oberen Badezimmers wurde gedanklich auch immer teurer und irgendwann war uns diese Seereise eh ein bisschen zu teuer und wir haben auf Spitzbergen und Island verzichtet und „nur“ 11 Tage ans Nordkap gebucht. Alles gut!!
Ähnlich geht es uns gerade mit unserem Badezimmerumbau. Eigentlich wäre es keine sooo große Geschichte wenn es denn unsere Badezimmerfliesen noch gäbe, die wir vor 10 Jahren eingebaut haben. Die gibt es nämlich nicht mehr – heißt: alle alten Fliesen raus und komplett neue rein. Uff….!!! Teuer!!! Und das größte – ich komme mir bald vor wie in der Werbung der gelben Seiten – ich liege auf der Lauer und warte, dass ein Fliesenleger vorbeikommt. Auf den lass ich mich dann drauf fallen und halte ihn so lange gefangen, bis das Bad fertig ist – soll heißen, die melden sich schon gar nicht oder wenn äußerst widerwillig.
Nun hatten wir ja letzte Woche diesen unnützen Besuch im Sanitätshaus – und dieser Mitarbeiter, der dafür gesorgt hat, dass dieses Sanitätshaus nicht in die engere Wahl kommt, hat mich trotzdem auf eine Idee gebracht. Er fragte nämlich ob wir einen Badewannenlift bräuchten. Nein eigentlich nicht – unser Whirlpool sollte ja raus. Aber heute Morgen stand ich so in unserem Bad und dachte – warum eigentlich nicht alles so lassen wie es ist und einen Badewannen-Schwenklift einbauen. Dann kann ich in der Wanne gewaschen werden, Matthias behält seine Dusche – eventuell muss nur ein Waschbecken raus und gut ist.
Also: alles im Leben hat seinen Sinn!!! Danke ihr lieben Fliesenleger fürs „Nicht-Melden“!!! Für die gesparte Kohle machen wir lieber noch eine andere tolle Reise!!!
7. Weihnachten 2016 23.12.2016
Morgen ist Heilig Abend. Weihnachten ist immer eine sentimentale Zeit aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. Ich bekomme viel mehr Post als jemals zuvor und heute lag wieder ein Strauß Blumen vor der Tür – diesmal von meinem Zahnarzt und seiner Frau. Von Ute lag ein wunderschöner Kalender im Briefkasten, von Rosi eine Karte mit den Worten: Im Leben zählt dies zu den schönsten Gaben – eine Freundin sein und eine haben. Meine Tante hat mir einen wundervollen Brief geschrieben und mein Chef eine derart nette Email. Ich sitze also ununterbrochen irgendwo heulend in der Ecke – aber nicht weil ich so unglücklich bin, sondern weil ich so gerührt bin. Obwohl – ein bisschen unglücklich bin ich auch. Ich bemühe mich sehr nicht länger als maximal ein halbes Jahr im Voraus zu denken aber manchmal fällt es schwer. Wir waren diese Woche im Sanitätshaus und haben uns nach einem Reiserollstuhl umgesehen. Inkompetenter Mitarbeiter – reine Zeitverschwendung. Und eigentlich war ich froh, dass das Thema Rollstuhl noch ein bisschen aufgeschoben ist denn auch wenn ich mich permanent damit beschäftige – es macht mir eine Höllenangst dass das am Ende wirklich ich sein soll, die da drin sitzt.
Auch dieses Weihnachten ist anders als sonst. So viele Jahre hat sich die Familie bei uns versammelt, dies ist das erste Jahr an dem wir nachmittags bei meiner Tochter und ihrer Familie sind und abends allein zuhause. Wobei das „allein“ ist kein Problem – nur dass es schon wieder eine Veränderung ist. Das geht alles so schnell, obwohl ich eigentlich dankbar sein muss. Obwohl im Sommer 2015 die ersten Symptome auftauchten kann ich immer noch laufen.
So!! Jetzt ist aber gut mit dem Gejammer! Aufstehn – Krone richten – Mittelfinger raus - weiter geht’s!
Im August hatte ich den ersten Termin in der DKD. Wieder Blutabnahme, Ultraschall, neurologische Untersuchung - und bei jedem negativen Befund hangelten wir uns weiter vorwärts. Schädel- und Halswirbel MRT, Lumbalpunktion und ständige Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen. Irgendwann hab ich gesagt: Ich will nur irgendeine Diagnose – aber nur 1 Tag später hab ich das korrigiert in: Ich will nur irgendeine Diagnose AUSSER ALS. Komischerweise – obwohl ich so wenig von der Krankheit wußte, hatte ich ein ungutes Gefühl und bei Dr. Google landete ich bei meinen Symptomen leider auch immer wieder auf den ALS – Seiten.
Irgendwann kam dann ein auf Motoneuronenkrankheiten spezialisierter Arzt ins Spiel, der mich auch noch mal ausgiebig untersuchte und dann ließen mich 2 Dinge aufmerken A) er meinte, die bisherigen Einschränkungen wären wohl nicht rückgängig zu machen und B) ich solle das nächste Mal meinen Mann mitbringen. Dazwischen lag noch eine Mittelmeerkreuzfahrt und eine nicht unerhebliche Anzahl von Pina Coladas liesen mich diesen Termin vergessen.
Der 19. Oktober war dann DER Tag. Der Arzt wurschtelte umständlich auf seinem Schreibtisch rum und schob einen Papierstapel hin und her und ich hatte schon den Eindruck, er muss erst noch überlegen wie er anfängt. Und dann kam der Satz, der mein Leben veränderte: Kennen Sie Amyotrophe Lateralsklerose? Ja verdammt!!! Hab ich denn genuschelt als ich sagte: Alles AUSSER ALS???? ALS = Aller Letzte Scheiße!
6. Hinfallen und Aufstehen 22.12.2016
Den nächsten Freiflug hatte ich direkt am 2.Tag unserer Reha. Wir kamen vom Frühstück, Matthias lief etwas vor mir und auf einmal segelte ich in gestrecktem Galopp wie ein gefällter Baum vor seine Füße. Standardfrage ist von Umstehenden immer: oh Gott, ist ihnen schlecht? – Nein schlecht war mir nicht – ich musste jetzt erst mal ganz vorsichtig alles bewegen und testen ob es noch ging – und es rannte auch schon einer los, eine Schwester zu holen. Und es kam auch ein zierliches junges Mädchen mit Rollstuhl um die Ecke geschossen. „Ach Gott“ rief sie „Diese blöde Treppe“. Ich: „ Äh, nein, die Treppe hat nichts damit zu tun“. Sie: „Die ist aber auch steil“ Ich: „Nein, ich bin die Treppe nicht runterfallen“ Sie: „Ich rechne immer damit, dass da mal jemand runterfällt“ Ich: „ICH BIN DIE TREPPE NCHT RUNTER GEFALLEN!!!“.
Soweit so gut… mit vereinter Hilfe wurde ich in den Rollstuhl gehievt und ins Arztzimmer geschoben. Der Doktor (irgendein osteurpäischer Name) „Gutän Taag – waas iest passiert?“ – Die Schwester: „Die Dame ist die Treppe runtergefallen“ …….AAAARRRRGGGGGGHHHHH!
Ok, wir konnten zu guter Letzt klären, dass ich nicht die Treppe runtergefallen bin und der Dottore diagnostizierte „Muhskälschwäääche“ – toll, da wäre ich von allein ja nie drauf gekommen!
Ich hatte jedenfalls Prellungen an beiden Armen aber gebrochen war zum Glück nix. Ich konnte mich zwar weder anziehen, noch Schuhe binden, noch eine Tür aufmachen oder ein Stück Fleisch schneiden aber heute sehe ich es als Vorbereitung für meinen Mann – das muss er in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich eh machen. Und ich wurde zum Laufen mit Rollator verdonnert. Boah Leute – echt jetzt – DAS war furchtbar!!! Mit diesem Omateil durch die Gegend zu schieben und rechts und links von jeder 70jährigen überholt zu werden. Mein Ego konnte sich sehr lange überhaupt nicht daran gewöhnen und ich hab mich irgendwie geschämt. Zumal man in den Rehakliniken auch mit unhandlichen Traktoren ausgestattet wird. Ausserdem ging dieses Teil fast nicht ins Auto - und da das Essen in dieser Klinik (im Gegensatz zu Freiburg das Jahr davor) eher nicht so prickelnd war, sind wir am Wochenende immer nach Kappeln abgehauen (dort wurde übrigens der „Landarzt“ gedreht – wunderschöne Ortschaft) um Essen zu gehen. Wir haben dann mal bei Amazon geschaut, einen zusammenklappbaren Leichtrollator gab es da schon für 100 Euro und ich dachte – wenn ich den nicht mehr brauche, kann ihn Mutter kriegen. Ich hatte jedenfalls nicht vor, mich an dieses Teil zu gewöhnen. Den haben wir dann bestellt und das war wenigstens eine kleine optische Verbesserung.
5. noch mehr Krebs 20.12.2016
Am 16. Juni 2015 war es dann endlich so weit. Matthias (mein Mann) saß hier schon im gepackten Wohnwagen, ich eilte zur letzten Bestrahlung und zur Abschlussbesprechung und schon waren wir auf dem Weg nach Südtirol. Eigentlich wollten wir nach Kärnten aber das Wetter war in Meran einfach besser und ich war soooo glücklich…. Fertig mit der ganzen Kacke – FUCK YOU CANCER. Mich hat er nicht gekriegt!!! Es war ein wunderschöner, erholsamer Urlaub. Endlich wieder Golfen und als wir die Seiser Alm entdeckten hatten wir wunderschöne Wanderungen auf dem Programm. In bisschen komisch fand ich, dass ich steile Wege nur sehr schwer hoch kam und relativ schnell aus der Puste war. Das kannte ich von mir ja überhaupt nicht. Auf der anderen Seite – 10 Monate Chemo und Bestrahlung – das kann einen vermutlich schon fertig machen. Ich vertraute darauf, dass sich das im Laufe der Zeit schon geben wird. Direkt im Anschluss an den Urlaub hatte ich 3 Wochen Anschlussheilbehandlung in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg und die würden mich schon wieder auf Vordermann bringen.
Nach dem Urlaub blieben mir dann auch genau 3 Tage Zeit, meine Wäsche zu waschen und neu zu packen und dann düste ich nach Freiburg im Breisgau und trat meine 3 wöchige Reha an. Freiburg ist eine tolle Stadt und die Patienten der Rehaklinik haben im Mittel auch eher so meinen Altersdurchschnitt, was ich sehr angenehm empfand. Die Zimmer waren sehr schön, in die eine Richtung lief man 20 min. in die Innenstadt, in die andere war man in 20 min. an einem Badesee mit Biergarten und wenn es nicht so affenartig heiß gewesen wäre ( immer locker über 35 Grad) wäre es gar nicht zu aushalten gewesen.
Leider waren auch ein paar sehr junge Menschen dort zur Reha – ein junger Mann mit Mitte 20 nach Leukämie und einige jüngere sehr attraktive Frauen wie ich nach Brustkrebs. Das Gebalze der männlichen Patienten um diese jüngeren Mädels war ausgesprochen erheiternd. Die Mädels hatten alle gesunde und wie ich bei Besuchen feststellen konnte auch attraktive Ehemänner zuhause – aber da glaubten doch wirklich ein paar, sie würden diese für einen krebskranken älteren Herrn verlassen. Naja.. auch hier stirbt anscheinend die Hoffnung zuletzt.
An den Wochenenden kam Matthias und wir gingen überwiegend zu Golfen. Unter der Woche war ich in so ziemlich jeder Sportgruppe die es gab und es funktionierte alles prima. Komisch fand ich nur, dass es mir zunehmend schwerer fiel, aus der Hocke freihändig hoch zu kommen und hohe Stufen konnte ich auch kaum noch ohne Handlauf schaffen. Da mein Krebs hormonabhängig war nahm ich zu diesem Zeitpunkt schon Aromatasehemmer – ein Medikament zur Unterdrückung von Hormonen. Das sollte eine Wiederkehr oder Metastasen verhindern. Dummerweise hatte ich vorher den Beipackzettel gelesen und in meinen diversen Brustkrebsforen wurde auch über die Nebenwirkungen um Wette gejammert – und so schob auch ich jedes Wehwehchen (eben diese Schwäche in den Beinen oder eine Steifheit in den Beinen morgens) auf dieses Medikament. Laufen wurde irgendwie immer anstrengender aber mit Schmerzmitteln kam ich komischerweise ganz gut klar. Eigenartig war auch, dass ich nach ein bisschen Anstrengung auf einmal tagelang Muskelkater bekam. Aber wie gesagt, für mich war Anastrozol daran schuld – und ansonsten machte ich mir keine weiteren Gedanken.
Im Winter 2016 wurden meine kleinen Unpässlichkeiten auf einmal völlig unwichtig. Wurde doch bei meinem Mann Schilddrüsenkrebs festgestellt. Er stand seit Jahren unter Beobachtung einiger kalter Knoten und da diese wieder minimal gewachsen waren, meinte sein Radiologe, es wäre Zeit eine Biopsie zu machen. Diese Biopsie brachte kein eindeutiges Ergebnis und so beschlossen wir, den größeren Knoten auf der einen Seite entfernen zu lassen. Zeitgleich fing ich auf einmal an zu Watscheln wie eine Ente. Ich bekam den Fuß nicht mehr abgerollt und es fühlte sich komisch an zu Laufen – das war der Moment an welchem ich beschloss bei meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung diesen Aromatasehemmer abzusetzen, ich wollte aber erst die Meinung meiner Onkologin, der ich sehr vertraue.
Die OP von Matthias ergab, dass dieser Knoten bösartig war. Ich saß an dem Tag in meinem Büro auf der Arbeit und heulte was das Zeug hielt. Eine Schreitherapie im Wald wäre die einzige Möglichkeit gewesen, meine Angst, meine Wut und meinen Frust raus zu brüllen – aber pflichtbewußt wie ich bin, blieb ich brav sitzen.
Matthias kam am nächsten Tag gleich wieder unters Messer, die komplette Schilddrüse wurde entfernt und leider war auch schon ein Lymphknoten befallen. Nun ist Schilddrüsenkrebs zum Glück ein Krebs mit extrem guten Heilungschancen. Er musste auch keine Chemo oder Bestrahlung machen. Er verschwand für 4 Tage in der Radiologie in Würzburg, bekam radioaktives Jod, strahlte ein paar Tage wie ein Kernkraftwerk und kam wieder nach Hause. Das wars! (Ok, die Prozedur wurde im Oktober nochmal wiederholt und im Januar werden wir dann wissen ob alles weg ist)
Im April hatte ich dann meine Nachsorge. Entgegen meiner sonstigen Art saß ich heulend im Arztzimmer und jammerte dass ich diese Tabletten nicht mehr will und überhaupt – ich kann nicht mehr ordentlich laufen und auch sonst ist irgendwas anders als sonst. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich für den nächsten Tag einen Termin beim Neurologen.
Im April ging es also los mit der Suche nach dieser geheimnisvollen Muskelschwäche. Erst wurde ein Lendenwirbel MRT gemacht – nichts. Blutuntersuchung – nichts. Elektromyograhie ergab eine Schädigung der Muskeln in den Beinen. Aber das hätte alles eine späte Nebenwirkung der Chemotherapie sein können.
Und so ging ich wieder nach Hause, mit dem Ratschlag – wenn es nicht besser wird, soll ich mich in der Diagnose Klinik Deutschland in Wiesbaden um einen Termin bemühen.
Also hab ich erstmal abgewartet. Die Ligasaison im Golfclub ging wieder los – ich hatte meinen alten Job als Kapitänin wieder, konnte aber nicht mitspielen weil ich einfach zu langsam beim Laufen war. Wir fuhren in die Toskana – die Ruhe, das viele Liegen taten mir sehr gut und ich dachte –ui, es wird besser! Alles gut, war doch nur eine Nebenwirkung.
Zurück zu Hause wurde es aber wieder eher schlechter und ab Ende Mai bemerkte ich eine leichte Veränderung meiner Sprache. Sie wurde etwas verwaschener und manche Buchstabenkombinationen wie z.B. „tz“ wurden zu Zungenbrechern. Ich informierte erstmal meinen Chef darüber – nicht dass er am Ende auf die Idee kommt, ich hätte meinen Flachmann im Büro. Er lachte und meinte: Ok – aber das ist kein Freibrief!!
Zeitgleich machte ich nun doch mal einen Termin in der DKD in Wiesbaden. Da Matthias und ich eine gemeinsame onkologische Reha im Sommer an der Ostsee genehmigt bekommen haben, bat ich darum den Termin auf Mitte August zu legen – und so bekam ich ihn auch direkt im Anschluss an die Reha.
Im Sommer hatten wir dann 5 wundervolle Wochen geplant –erst 2 Wochen zusammen mit meiner Schwester und meinem Schwager Camping in der Nähe von Kiel, diekt an der Ostsee und danach in Schönhagen 3 Wochen Reha.
Im Urlaub flog ich das erste Mal der Länge nach hin – auf dem Campingplatz auf einer Wiese. Ich saß also auf der Wiese und rief nach meinem Mann. Irgendwie war meine Stimme nur nicht mehr so kraftvoll wie früher und er hörte mich nicht. Dafür kam aus einem Wohnwagen eine Frau gerannt, die mir helfen wollte – nun bin ich ja kein Leichtgewicht und von alleine kam ich einfach nicht mehr hoch. Ich schickte sie zu Matthias, der kam und half mir hoch. Und das war der Moment wo mir klar wurde – Scheiße, ich glaube das ist nix gutes – das könnte schief laufen!
Wir redeten es uns schön – da war bestimmt ein Loch, in welches ich rein getreten bin…. Und das wird schon wieder. Meine Freundin Andrea versuchte über Onkologin und Neurologen meinen Termin in der DKD vor zu verlegen – das klappte allerdings nicht und im Nachhinein war ich auch ganz froh drüber.
4. Mutter 19.12.2016
Im Sommer 2014 ist dann noch etwas passiert. Da meine Mutter ziemlich allein in Würzburg saß und ihre Gesundheit nicht die allerbeste war, hielt ich es für eine gute Idee, sie hier in den Ort zu holen. Erst wollte sie nicht – aber nach einer weiteren Bronchitis hat sie zögernd ja gesagt und wir haben erstaunlicherweise auch sofort eine schöne Wohnung im Erdgeschoss mit Balkon gefunden. Kurz danach war ich dann zeitweise nicht mehr der Meinung eine gute Idee gehabt zu haben. Die Küche, die sie übernehmen musste, war schrecklich (also für sie nicht für mich), das Bad war schrecklich, die Kinder die vor dem Haus spielten waren viel zu laut, die Haustüre wurde morgens zu laut zugeknallt, die Kellertür abends übrigens auch – und irgendwie zog ich mir jeden Schuh an und fühlte mich ununterbrochen schuldig ihr dies alles angetan zu haben. Dann wurde ich im September krank. Das rettete mich aber nur ca. 7 Wochen – denn dann bekam sie die Diagnose Speiseröhrenkrebs – und zwar schon so weit fortgeschritten dass sie kaum noch schlucken konnte und ihr eine PEG gelegt werden musste. Dr. Google warf aus, dass Speiseröhrenkrebs eine Überlebenschance von 20% hat und das auch nur wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Meine arme Schwester saß in Norddeutschland und reiste ununterbrochen an um ihre verkrebste Familie zu unterstützen und da der Krebs von Mutter natürlich schlimmer war als meiner geriet ich ein bisschen in den Hintergrund. Ich war einfach auch immer viel zu gut drauf als dass man meine Krankheit wirklich ernst nehmen musste (damit meine ich nicht dich Elke –das weißt du). Mutter kam dann in Blöcken zur Chemo und gleichzeitigen Bestrahlung ins Krankenhaus - natürlich ins schlimmste Krankenhaus aller Zeiten (es reihte sich nahtlos an Küche, Bad, laute Kinder und knallende Kellertür) und die Tage nach ihren Krankenhausaufenthalten waren die reinste Hölle. Ihr ging es mega schlecht und ich sprang zwischen Mutter, eigener Chemo und eigenen Infekten hin und her. Meine Schwester reiste wieder an um mir Mutter zumindest für die ersten Tage abzunehmen. Aber sie hatte auch noch Job und Mann und eine Kneipe zu führen und fing an, sich selber zwischen dem ganzen Fiasko aufzureiben. Damals knickte ich schon die ersten Male mit dem Fuß um und so humpelte ich mit dickem Knöchel in der Gegend herum, mein Optimismus ging langsam gleitend den Bach runter. Irgendwann war ich mental so fertig, dass ein falsches Wort mich explodieren ließ und ich meiner Mutter vorwarf, wenn es so weiter ginge, würde sie am Ende leben und ich wäre tot. Jaaaa… ich weiß, das war nicht nett – aber „nichtnett“ kann ich ab und an auch sehr gut. Ich hätte trotzdem meine Klappe halten sollen, scheinbar hatte ich noch nie was von „self fulfilling prophecys“ gehört. Aber gesagt ist halt gesagt. Das war alles im Frühjahr 2015 und meine Mutter lebt immer noch. Unglaublich - ihr Krebs war und ist weg. Ich habe jetzt ALS.
Bei mir ging ab April der Block mit den Bestrahlungen los. Das war eigentlich nur noch lästig. Die täglichen Fahrten ins Klinikum - ein paar Minuten piep piep piep von allen Seiten und fertig. Blöderweise bildete sich unterhalb der Brust eine offene Stelle und da ich auf gar keinen Fall auch noch die Bestrahlung aussetzen wollte besorgte mir mein Mann einen kleinen Handföhn und ich lag zuhause wie ein Maikäfer auf dem Rücken und föhnte meine Brust in der Hoffnung das ganze austrocknen zu können. Natürlich wollte ich jetzt auch endlich wieder Golf spielen und ich hatte meiner Freundin Karin versprochen ihr bei einem Ligaspiel sowohl als Captain als auch als Spielerin auszuhelfen. Diese offene Stelle an der Brust war aber ein echtes Problem. Der BH rieb genau dort und es war heiß, ich schwitzte und die Drehbewegung beim Schlag war ausgesprochen kontraproduktiv.
Nun hab ich ja hin und wieder ganz gute Einfälle also habe ich bei Aldi bei meinem nächsten Einkauf Damenbinden gegen Inkontinenz besorgt und sie mir in den BH gestopft. Das Gesicht der Kassiererin war Gold wert. Es stand ihr auf der Stirn was sie dachte: „Die arme Frau…… keine Haare auf dem Kopf und in die Hose püschert sie auch“ Aber egal – es hat funktioniert und ich habe sogar ziemlich gut gespielt.
3. Paris 18.12.2016
Der Unterschied zwischen Krebs und ALS liegt definitiv in der Möglichkeit der Wahl. Bei Krebs hatte ich eine Wahl der Behandlung – bei ALS hab ich nur blöd aus der Wäsche geguckt. Obwohl – soooo einfach war das auch wieder nicht. Nach der OP im September war der Krebs weg und die beiden Wächterlymphknoten frei, bis auf eine Delle im rechten Mops war alles gut. Ich dachte – prima, das wars – Arrivederci Krankenhaus! Aber weit gefehlt. Standardprocedere ist OP – Chemo (16 Stück) und Bestrahlung. Die Überlebenschancen sinken mit jeweils 30 % wenn man eine Komponente auslässt. Nun - es gibt Dinge von denen ich einfach keine Ahnung habe. Politik zum Beispiel. Da habe ich eine Meinung und ich informiere mich aber ich maße mir wirklich nicht an, Hintergründe zu verstehen oder es in irgendeiner Art besser machen zu können. Medizin ist auch so ein Bereich. Ich bin zwar Stammgast bei Dr. Google und weiß wie man Ohrenschmerzen mit Zwiebelsäckchen oder Fieber mit Wadenwickeln bekämpft– aber damit sind meine Kenntnisse auch schon weitestgehend erschöpft. Also da sitzt man nun und schaut sich den entsprechenden Arzt an und entscheidet mehr oder weniger nach Vertrauen. Und eins kann ich sagen – ich hatte tolle Ärzte, menschlich wie fachlich. Und da ich nicht schuld sein wollte wenn der Krebs wiederkommt habe ich dem ganzen Block zugestimmt.
Mein größtes Problem war eigentlich unsere Paris – Reise, die genau zwischen die erste und zweite Chemo fallen sollte. Aber nach Rücksprache mit meiner Onkologin haben wir die Reise angetreten. Paris war wunderschön, wir hatten Anfang November 20 Grad, die Sonne schien und ich wurde gleich erstmal krank. Was ich erst später mitbekam – nach jeder Chemo donnerten meine Blutwerte in den Keller. Die Chemo als solches habe ich gar nicht als sooo schlimm empfunden, daß ich permanent einen Infekt hatte und immer gleich flach lag, hat mich echt genervt – zumal ich ständig eine Chemo ausfallen lassen musste, weil nicht auf einen Infekt drauf therapiert wird und somit zog und zog sich die Behandlung immer weiter in die Länge.
Gut, das französische Gesundheitssystem hatte ich damit auch kennen gelernt und mit Antibiotika und Schmerztabletten bewaffnet habe ich den Aufenthalt trotzdem sehr genossen. Meine Haare waren auch so lieb und haben Paris noch gehalten – auf dem Weg zurück hatte ich dann das erste Büschel in den Händen. Innerhalb von 10 Tagen hatte war der Kopf kahl und ich fand sogar, dass es mir stand. Es war nur ungewohnt kalt am Kopf! Die nächste Zeit verbrachte ich mit dem Kauf von Mützen und Schals, eine Perücke hatten wir schon vorsorglich ausgesucht – ja und so dauerte es bis Anfang April bis ich mit dem ganzen Mist durch war.
Wer jetzt glaubt, bei einer Chemo hängt man kotzend über der Toilettenschüssel…. Weit gefehlt! Cortison und eine Menge anderer Medikamente verhindern dies erfolgreich – mit dem doofen Nebeneffekt: Ich war wild auf Käsekuchen! Und man mag es kaum glauben - innerhalb von 3 Monaten waren meine 15 kg wieder drauf und dank des Cortisons sah ich aus wie ein Mondkalb. Das Mondkalb verschwand langsam – die 15 kg blieben
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2. Knitterfreies Wasser 17.12.2016
Und so fuhren Karin und ich dann auch im September 2014 zusammen nach Würzburg. Das war keine große Geschichte – die Biopsie wurde gemacht, die Diagnose wurde mir in homöopatischen Dosen verabreicht aber dieser Tag wird mir aus einem anderen Grund in Erinnerung bleiben. Mein Schätzlein Karin brauchte dringend ein neues Make up. Und so fielen wir auf dem Rückweg zum Auto in einer der nobleren Parfümerien Würzburgs ein. Man muss erklären, ich halte mich nicht für unattraktiv – aber mit Makeup hab ich es nicht so – und neben meiner wunderschönen, zierlichen, mit langen schwarzen Haaren ausgestatteten Freundin Karin komme ich mir nun mal vor wie der allerletzte Bauerntrampel vom Dorf. Der offensichtlich nicht wirklich an Frauen interessierte (ich meine das jetzt rein sexuell) Verkäufer (ich glaube es war der Juniorchef) wuselte auch gleich hektisch um Karin, das Make up das ihr fehlte war natürlich kein Discounterprodukt. Er holte gleich noch Puder, Lipgloss, und ein Gesichtswasser das alle Falten wie durch Zauberhand entknittert und so pinselte und sprühte er an Karin rum und ja…… sie sah in der Tat NOCH besser aus als vorher. Nachdem er mit ihr fertig war ruhte sein Blick auf mir und auf einmal stand die Frage im Raum: Wollen Sie auch mal? Ich hab die Backen aufgeblasen, mit den Schultern gezuckt und sowas wie ein „ja“ gemurmelt! „Ich seh schon“ sagte er „sie sind eher der puristische Typ“…. Ja wo er Recht hat hat er Recht! Aber auch ich wurde bepinselt und besprüht und vor allem dieses „Knitterfrei-Wasser“ hatte es mir angetan. Also das musste ich haben – und das Puder! Schnell ein Blick auf die Marke – aha Chanel – naja, man gönnt sich ja sonst nichts! Und dieses Wasser (pffff…Wasser in einer Dose, was kann das schon kosten) Um es kurz zu machen - das Wasser kostete 80 Euro, es wäre mir peinlich gewesen, es zurück zu geben, Karin stellte ihres diskret wieder ins Regal und am Ende sind wir beide mit ca. 300 Euro Kosmetika lachend aus der Parfümerie gedappelt und ich überlegte wie ich meinem Mann ein Wasser für 80 Euro erklären werde.
1. Icebucket Challenge 16.12.2016
Wie konnte mir DAS passieren?
Vor 2 Jahren habe ich als lebhafte Facebook-Userin kleine Filmchen gesehen wo sich mehr oder weniger bekannte Menschen einen Eimer Eiswasser über die Rübe geschüttet haben. Als dann auch meine Schwester und diverse Freunde nass wurden habe ich mal vorsichtig nachgefragt, worum es hier überhaupt geht. Elke (meine Schwester) informierte mich kurz über ALS – Amyotrophe Laterealsklerose – eine sehr seltene neuromuskuläre Erkrankung für die es keine Heilung gibt. Da aber eine Person aus ihrem Bekanntenkreis daran erkrankt wäre, würde sie sehr gerne mitmachen. So weit so gut – es gibt ja einige furchtbare Krankheiten. Und selten klingt ja auch gar nicht schlimm – selten ist auch ein Lottogewinn und da war man trotz dem Risiko mitzuspielen auch noch nie dran. Damit hatte ich von ALS gehört, die Kampagne fand ich prima, die Aktion fand im Sommer 2014 statt, ich war kerngesund und freute mich auf einen Urlaub in Cornwall.
Vor diesem Urlaub bekam ich wieder mal die zweijährige Aufforderung, mich zur Mammographie einzufinden, was ich in der Vergangenheit sehr gerne ignorierte. Das war vielleicht ein bisschen leichtsinnig, war doch meine Oma daran gestorben und meine Mutter mit Mitte 50 ebenfalls daran erkrankt – aber MIR passiert sowas doch nicht. Ich ernähre mich streng nach den Regeln der Weightwatcher (was natürlich erkennen lässt dass ich mein Leben lang mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte – es gibt 2 große Unternehmen deren Hauptverwaltungen ich mitfinanziert habe: immer im Wechsel Weightwatchers oder Ulla Popken) – ich rauche nicht…äh… fast nicht…also nur manchmal … im Sommer….über meinen Alkoholverbrauch schreibe ich nichts!!!! Der Schuss ginge nach hinten los.
Aber egal, ich war ja gesund und fit, mir tat nichts weh und ich hatte gerade mal wieder 15 kg abgenommen und fühlte mich ausgesprochen attraktiv.
Irgendetwas hat mich dann aber doch veranlasst nach dem Urlaub zu dieser Mammographie zu gehen und als eine Woche später Post im Briefkasten war hatte ich erst überhaupt keine Lust diese aufzumachen. Umso mehr traf mich der Schlag als ich lesen musste, ich solle mich doch bitte in Würzburg zur genaueren Abklärung einfinden und nachdem man mir am Telefon sagte, ich solle eine Begleitperson mitnehmen, da ich nach einer möglichen Biopsie nicht selber fahren kann, habe ich dann doch die linke Augenbraue hoch gezogen.
Da mein Göttergatte keine Zeit hatte, mich nach Würzburg zu fahren fragte ich meine Freundin Karin, die sich auch sofort bereit erklärte.