Weiter geht's im Juli
73. Bekleidung 26.06.2017
Bei einer Online-Unterhaltung mit meiner Freundin und Mitleidenden Marion kamen wir auf das Thema „Anziehen“. Bei uns beiden sind die Hände schon so in Mitleidenschaft gezogen, dass Knöpfe und Reißverschlüsse langsam alleine nicht mehr zu bewältigen sind. Marion ist in dieser Hinsicht noch ein klein wenig fitter – sie hat die bulbäre Form, heißt: Sprechen hat sich bei ihr erledigt und sie kann auch nur noch pürierte Nahrung zu sich nehmen, dafür kann sich noch etwas besser laufen. Bei ihr geht es von oben nach unten und bei mir eben genau andersrum.
Apropos Sprechen: diese Woche habe ich mich zum ersten Mal kaum selbst verstanden und wie ich an den Gesichtern meiner Freunde erkannte hatten sie auch Probleme. Das kommt momentan zwar noch sporadisch aber wenn es einmal angefangen hat weiß ich was die Uhr geschlagen hat. Dingdong- die nächste Runde ist eingeläutet. Was eine Kacke!
Als ich bemerkte, dass ich Probleme beim Zuknöpfen meiner Hosen bekam setzte ich mich an den PC und schaute in der wunderbaren Welt der Ulla Popken nach Schlupfhosen – praktisch denken konnte ich ja schon immer und im Rollstuhl sitzend ist es im Grunde scheißegal was man anhat. Da denkt doch eh keiner mehr „boah – was ne geile Alte“ da denken viele eher „arme Sau“ oder alternativ noch „wie komm ich am schnellsten hier weg“.
Nun hatte ich zum Zeitpunkt des Bestellens ja noch einige Pfund mehr auf Lager und da ich sicher gehen wollte, dass diese Hosen auch ganz bequem über meinen verlängerten Rücken fluppen, habe ich sie vorsichtshalber mal in Größe 50/52 bestellt. Oben war ja ein Gummizug mit Kordel – kein Problem.
Nun habe ich mittlerweile 9 kg abgenommen und diese Hosen fallen im freien Fall von der Taille zu den Füßen sobald ich mich in die Vertikale begebe. Da ich ja stehend immer an Matthias‘ Hals hänge ist die Reihenfolge ungefähr so:
Ich: „Arggghhh… verdammte Hose!“ – ich bücke mich so weit es geht – komme aber nicht ran.
Matthias (stöhnt leise): „Maus… lass mich mal“ – bückt sich auch. Jetzt muss ich ein stückweit mit runter und wir hängen wie 2 Affen auf halb acht. Er zieht die Hose hoch und meine linke Hand krallt sich um den Hosenbund um sie ja oben zu halten. Dann lehne ich mich mit dem Kopf an seine Schulter und versuche mit den Händen den Bund fest zu ziehen und eine Schleife zu binden. Das gelingt mir aber in 99% der Fälle nicht. Also tänzeln wir zum nächsten Stuhl und ich binde die Schleife im Sitzen. Da bekomme ich die Hose aber nicht eng genug – also: Beim nächsten Aufstehen beginnt das Spiel von vorn.
Schön ist auch mit dem Teil ins Auto zu steigen. Matthias setzt mich bei offener Autotür im rechten Winkel zur Fahrtrichtung ab und ich drehe meine Füße dann in die Fahrkabine. Nun rutscht mir diese Hose beim Drehen entgegen des Uhrzeigers nach rechts und ich sitze mehr oder weniger mit dem halben Hintern auf der Unterbux dafür befindet sich das linke Hosenbein und der Zwickel auf dem rechten Oberschenkel. Ja Himmelarschundzwirn…..
Heute habe ich 3 Hosen 3 Nummern kleiner bestellt! Wehe die passen nicht!!!!!
72. Krankenkassengespräche 24.06.2017
Um es vorne weg zu nehmen: gerade kam die Bewilligung der Krankenkasse für unseren Badewannenlifter. Aber das Gespräch, welches Matthias zu diesem Thema hatte, war wirklich zu schön!
Montag klingelte mein Handy! Das ist lustig, denn ich habe von der Kasse schon einen augengesteuerten Computer genehmigt bekommen, weil – wie bekannt – Sprache am Telefon und auch sonst anstrengend und unverständlich ist. Aber die Kasse scheint halt gerne mit mir zu telefonieren. Grundsätzlich völlig in Ordnung, so können Dinge gleich und persönlich geklärt werden und in diesem Fall hatten wir alle Glück, denn Matthias war in der Nähe und bekam mein Handy in die Hand gedrückt.
Als ich die Diagnose ALS erhielt sind Matthias und ich in eine hektische Betriebsamkeit verfallen um nicht über die Konsequenzen nachdenken zu müssen und so wurde der Treppenlift, über den ich ja schon umfangreich berichtet habe geplant, wir planten ursprünglich das Bad umzubauen – und Matthias plante seinen Ausstieg aus dem Berufsleben. Und DAS war uns das wichtigste überhaupt. Zeit kann man nicht in Geld aufwiegen. Die Zeit, die uns verbleibt noch zusammen verbringen zu können, morgens gemeinsam zu frühstücken, Einladungen zu jeder Tageszeit annehmen zu können, Reisen zu unternehmen, die uns noch möglich sind…..
Dieser Ausstieg bedeutete aber auch einen finanziellen Engpass in 2 Jahren, wenn die Freistellung von Matthias endet, ihm bis zur Rente aber noch 16 Monate fehlen. Und so rechneten wir vorwärts und rückwärts und ich suchte nach Alternativen zum Badezimmerumbau, der ein Komplettumbau geworden wäre und wenn ich dann die Radieschen von unten betrachte steht Matthias allein in einer riesigen Behindertendusche…. Alles irgendwie doof.
Also kam ich – wie schon berichtet auf die Idee eines Badewannenlifters. Die Verordnung zu bekommen war überhaupt kein Problem… ABER: wir haben ein Fertighaus und die Badewanne steht halbrund unter einer Dachschräge. Statisch können wir nicht in Außenwand (ist ja nicht gemauert) und so hampeln wir seit Februar /März mit diversen Firmen an unterschiedlichen Lösungen. Leider winkte eine Firma nach der anderen ab – Problem nicht lösbar.
Letztendlich haben wir dann doch mit der ersten Firma, die bei uns war mit viel Getüftle eine Lösung gefunden und jetzt – 4 Monate später konnte der Kostenvoranschlag bei der Kasse eingereicht werden.
Und schon klingelte mein Telefon! Ob wir denn auch über andere Möglichkeiten – zum Beispiel die eines Duschbettes nachgedacht hätten? – Äh…nein! Duschbett? Ja – ein mobiles Plastikbett mit Hebevorrichtung. Ich hab mir das im Internet angeschaut, sieht in der Tat nicht blöd aus, hat halt die Größe eines Bettes und bei allem was Recht ist, ein Bett hätten wir jetzt beim besten Willen nicht ins Bad bekommen. Ja…. sprach der Sachbearbeiter – vielleicht in einem Gästezimmer? Ja klar, Platz wäre da – aber wie kommt das Wasser rein und wieder raus? Das sah er ein, das ist in der Tat ein kleines Problem. Ich sah mich schon abends vor dem Fernseher im Wohnzimmer in meiner neuen Badewanne planschen und Matthias kippt eimerweise heißes Wasser rein – und was noch lustiger ist – anschließend wieder raus. Am besten bleib ich den ganzen Sommer gleich drin hocken, das macht man doch nur einmal! Ich kicherte etwas ungläubig vor mich hin….
Danach wurde dann noch über den eingereichten elektrischen Antrieb meines Leichtrollstuhls diskutiert. Billiger wäre natürlich ein kompletter Elektrostuhl. Nur was soll ich mit dem riesen Teil. Das bekommen wir nicht ins Auto (gut, das ist der Kasse jetzt Banane) und im Haus dötze ich vermutlich auch überall an – geschweige denn komme ich den 18.000 Euro-Plattformlift rauf. Ich könnte damit ein bisschen in der Nachbarschaft rumfahren und die Nachbarn voll krächzen. OK – ich könnte selbstständig auf unserem Bauernhof Eier einkaufen fahren – aber damit hätte sich der Sinn eines reinen großen, schweren E-Rolli auch schon erledigt.
Aber ich habe eine tolle Krankenkasse. Heute war die Bewilligung für den Wannenlifter in der Post und für die Umrüstung auf den E-fix bin ich auch guter Dinge!
...so...alle alten Gästebucheinträge "gerettet" und auf die Seite "Gästebucheinträge" gepackt. Unten gehts halt von vorne los!
71. …und was mach ich jetzt? 19.06.2017
Seit mehr als einem halben Jahr planen meine Freundinnen und ich zusammen mit dem Vorstand des Aschaffenburger Golfclubs das Turnier: Preis des Vorstandes – „ALS Charity“ und die Planung nahm in den letzten Wochen zunehmend Fahrt auf. Wir hatten unglaublich tolle Sponsoren, die zum Teil wirklich viel Geld an den Verein „Chance zum Leben ALS e.V.“ oder an die ALS Forschung der Charité Berlin gespendet haben. Wir hatten Sponsoren, die unsere Tombola bestückt haben und wir hatten einen Puttwettbewerb, der allen Teilnehmern nicht nur viel Spaß machte, sondern der uns auch über 1000 Euro einspielte! Das alles musste organisiert werden, die Sponsorenwand musste gestellt werden, ein Zelt wurde aufgebaut, Schilder bemalt, Kuchen gebacken, Tee-Geschenke für über 100 Personen gepackt und Tombola Preise abgeholt werden. Wir hatten großartige Musiker mit einer sensationellen Sängerin und ein bekannter hiesiger Moderator führte unterhaltsam durch die Tombola.
Wir standen morgens um 9 Uhr Gewehr bei Fuß und ich habe mich sehr gefreut, fast jeden Turnierspieler einzeln begrüßen zu können und die Tee-Geschenke überreichen zu dürfen.
Bei der Ansprache unseres Präsidenten musste ich dann zum ersten Mal das Pipi in den Augen niederkämpfen. Aber nur kurz und als das Turnier los ging suchte ich mir ein schattiges Plätzchen und verbrachte dort den ganzen Tag. Von lieben Golffreunden, die direkt am Golfplatz wohnen bekamen wir einen Schlüssel, damit ich dort auf Toilette gehen kann, die Klos des Clubs waren für mich im Keller unerreichbar. Darüber war ich sehr froh – und es hat wieder mal gezeigt was Matthias und ich für ein Team sind. Beim ersten Gang wollte ich unbedingt die Gästetoilette benutzen, ich finde man dringt im Bad immer so sehr in die Privatsphäre ein. Wir haben es auch hinbekommen, da ich aber beim Laufen (wenn man das denn überhaupt noch so nennen kann) an Matthias‘ Hals hänge und wir nach einer inneren, nur uns bekannten Melodie ans Ziel tänzeln blieben wir erstmal in der etwas schmalen Tür stecken. Danach plumpste ich im freien Fall auf ein „normal“ hohes Klo. So tief saß ich schon Monate nicht mehr und ich kam mir vor wie eine 2-jährige auf dem Töpfchen. Und auch wenn ich etwas abgenommen habe, bin ich immer noch weit von einem Leichtgewicht entfernt und Matthias leistete Schwerstarbeit, mich wieder auf die Beine zu bekommen. Zurück ploppten wir dann mit etwas Schmackes wieder durch die Tür und ich dachte – scheiß auf die Privatsphäre, das nächste Mal nehmen wir die breitere Tür ins Hauptbad. Der Weg ist hier zwar weiter – aber da müssen wir beim Hintänzeln halt die Melodie verlängern….. geht schon!
Unter meinem schattigen Baum mit freiem Blick auf das Grün des Lochs 18 konnte ich 17 Jahre Golferfahrung hervorragend anwenden und hatte bei vielen Annäherung die sichere Erkenntnis es vermutlich besser zu können – wenn ich es denn überhaupt noch könnte (zum Glück seht ihr alle nicht wie ich gerade beim Lügen rot werde) und ab und an konnte ich auch bewundernd applaudieren. Auf jeden Fall war ich über den ganzen Tag keine 5 Minuten allein und da ich die Klappe erst halten kann, wenn irgendwann kein Ton mehr rauskommt, war ich irgendwann nachmittags fertig mit Reden. Es tat alles weh, der Hals fing an zu krampfen und es musste dringend ein Entspannungsbier her 😉. Ich musste nur aufpassen, zu viel durfte es nicht werden, sonst hätte ich Matthias‘ Rücken mit zu häufigen Pieselgängen endgültig ruiniert.
Die Abendveranstaltung war großartig! Obwohl es an ALS nichts gibt, was man in irgendeiner Form schönreden kann und ich auf keinen Fall wollte, dass die halbe Veranstaltung nachher heult, ist es unserem Präsidenten in seiner Ansprache gelungen sachlich und doch persönlich zu sein.
Als ich ganz am Ende allerdings einen Blumenstrauß bekam und alle aufstanden und ich minutenlang stehende Ovationen bekam, war es mit meiner Fassung vorbei! Da kullerten die Tränen.
Am Ende des Abends war ich platt. Da war die New York Reise ein Spaziergang dagegen. Aber jede Sekunde hat sich gelohnt, ich bin glücklich, dass alles sooo gut geklappt hat und jetzt empfinde ich eine merkwürde Leere…..
Ich brauche langfristig eine neue Aufgabe!
....oh...ganz toll!!! Habe gerade alle meine Gästebucheinträge gelöscht :(
70. Alkohol 16.06.2017
Zeitlebens habe ich mir gerne mal einen geschnasselt. Ich bin jetzt nicht stolz drauf und es war auch nie so, dass ich dauerbeschickert in der Gegend rumgetorkelt bin – ich hatte feste Grundsätze: Kein Bier vor Vier (Ausnahmen genehmigt) aber abends ein /zwei Gläser Wein waren Standard. Und irgendwann hat mal ein Arzt zu mir gesagt, wenn man 2 Gläser Wein zugibt sind es nicht selten eher 3 oder mehr. Seither gebe ich nie mehr als 2 zu …
In den ersten Jahren unserer Ehe war sonntags Sektfrühstück Pflicht. Und dann konnte es durchaus passieren, dass ich ein Mittagsschläfchen brauchte, wenn wir lange bei Frühstück saßen war die Flasche nämlich auch schon mal leer. War aber egal, außer einer Katze hatten wir ja niemanden zu versorgen. Als die Kinder kamen wurde es dann schon weniger und als wir anfingen jeden Sonntag auf den Golfplatz zu rennen war es vorbei mit Sekt zum Frühstück, dieses kleine weiße Scheisserchen von Kugel zu treffen bestimmte von da ab unser Leben. Die Kinder wurden zu Golf-Waisen (zum Glück gab‘s davon noch mehr im Club und sie konnten eine „Selbsthilfegruppe“ gründen) und wir versuchten anfangs sogar im Winter bei geschlossener Schneedecke zu spielen. Wir dachten, mit bunten Bällen wird’s schon gehen. Ja… tat es! Genau einen Schlag, dann kullerte der rote Ball unter den Schnee und tauchte erst beim nächsten Tauwetter wieder auf.
Dass ich an ALS erkrankt bin habe ich zwar ab Sommer 2015 gemerkt – aber für ein Jahr hatte ich noch die Hoffnung an den Nebenwirkungen der Krebs-Chemo zu leiden – und das hätte geheißen, die Beschwerden wären irgendwann auch wieder weg gewesen oder hätten sich zumindest nicht verschlimmert. Ab Juni 2016 fing aber meine Sprache schon an schleppender zu werden und da kam Freund Alkohol wieder ins Spiel – einige Freunde dachten sich: Oh…die hat heute aber schon früh zugeschlagen. Irgendwann wurde mir das im Büro unangenehm, und ich hatte das Gefühl, ich müsse meinem Chef erklären, keinen Flachmann in der Schreibtischschublade zu haben.
Mit zunehmender Krankheit ist sowohl mein Appetit als auch die Fähigkeit wirklich mehr als 2 Gläser Wein zu schaffen, abhandengekommen. Wichtig ist allerdings abends ein kleines Bier. Im Gegensatz zu früher kann ich danach nämlich besser sprechen. Scheinbar entspannt das Bier meine Muskulatur und besonders am Hals ist sie völlig verkrampft und somit klingt mein Sprechen extrem gepresst.
Gestern habe ich allerdings noch eine neue Erfahrung gemacht Es war den ganzen Tag sehr warm, ich konnte über Tag schlecht atmen und als es mir abends besser ging und Matthias eine Flasche kühlen Rosé Wein aufmachte schmeckte mir das so gut… also was soll ich sagen – ich hatte beim Zubettgehen eine ganze Flasche intus, ich war super lustig drauf, kippte im Bett einfach um, lachte mich dabei tot – und habe so gut wie lange nicht mehr geschlafen.
Die ganze Zeit habe ich bedauert auf unserer Kreuzfahrtreise meinen Reisepreis nicht mehr abessen oder -trinken zu können – aber vielleicht geht da doch noch was!
Pina Cõladas…..ich kommmmeeeeeee
69. Optik 12.06.2017
Heute war ich seit ziemlich genau 2 Monaten das erste Mal wieder auf der Waage. Und natürlich ist passiert, was meine Löcher in den Beinen und Händen vermuten lassen – ich habe ca. 3,5 kg abgenommen. Und – wohl wissend, dass es falsch ist – ich kann nicht anders: ich freu mich drüber. Allerdings hat die Freude einen fahlen Nachgeschmack, was da weg ist, ist nämlich überwiegend Muskelmasse. Mein Hintern zeigt mir beim Thema „schlanker werden“ wieder mal den Stinkefinger und durch meine Rumpfschwäche sitze ich überwiegend wie eine bucklige Schildkröte rum – was echt total beschissen (und irgendwie fett) aussieht. (Leider sehe ich mich immer im Schlafzimmerspiegel und frage mich ob die bucklige, zusammengesunkene Alte dort im Spiegel wirklich ich bin). Wenn ich Bilder von mir von vor 10 oder 15 Jahren betrachte kann ich gar nicht glauben, dass dieses Wesen das ich heute bin noch irgendwas mit der attraktiven und vor Leben strotzenden Frau von damals zu tun haben soll. Und noch etwas stinkt mir gewaltig. Wenn ALS schon meine Beine stilllegen kann – warum müssen dann die verdammten Haare noch drauf wachsen? Und warum stören die mich überhaupt noch?
Ich schminke mich schon seit Wochen nicht mehr. Nicht dass ich jemals einen Farbtopf benutzt hätte – aber ein bisschen Kajal und Wimperntusche gehörten Zeit meines Lebens zum festen morgendlichen Ritual. Heute würde ich mir die Wimperntusche vermutlich im ganzen Gesicht verschmieren – also lass ich es lieber. Ist schon lustig, dass die Eitelkeit auch nicht tot zu kriegen ist.
68. ALS Charity 07.06.2017
So langsam bekomme ich immer mehr Verständnis für höfliche Menschen. Menschen, die andere ausreden lassen und ihnen nicht bei jedem Gedankenblitz übereifrig ins Wort fallen. Gut, höflichen Menschen sollte es nichts ausmachen, wenn ihre Gedanken nicht zum Tragen kommen oder alternativ müssen sie Atempausen der anderen schnell zu nutzen wissen.
Ich hatte bisher keine Ahnung wie das ist. Ich gehörte immer zu den Zwischenreinbrüllern. Ab und an hab ich mir einen Rüffel meines Mannes eingehandelt, manchmal auch nur einen resignierten Blick – aber egal, ich wurde immer los, was ich zu sagen hatte und da ich auch eine gewisse Lautstärke aufs Parket schmeißen konnte, konnte ich mir sicher sein, auch gehört zu werden.
Die Zeiten sind vorbei! Ich habe weder Lust noch Kraft alles zweimal zu sagen und ich kann mich mit Lautstärke auch nicht mehr durchsetzen. Und die SprachApp auf meinem Handy hört im Eifer des Gefechts erst recht kein Mensch. Nun, wer mich kennt, kann sich schon denken, dass mir das ÜBERHAUPT nicht passt. Mein Plan sind Bluetooth-Lautsprecher! Dann werden mich schon alle wieder hören – oder besser gesagt, mein Handy!
Und noch was ist doof! Ich war ziemlich gut im Gebrauch bissiger Kommentare, die ich aber so verpacken konnte, dass der andere nicht zwangsläufig beleidigt sein musste. Auch das geht – verdammt noch mal – nicht mehr! Ein gekrächzter frecher Kommentar kommt wie eine Beleidigung rüber (ich fürchte da wird auch der Lautsprecher für die SprachApp nichts ändern können). Und da bissige Kommentare, die als solche nicht erkannt werden, rüberkommen als wäre man bösartig frustiert und da ich eine Erklärung dann noch peinlicher finde, sollte ich das tun, was meine Logopädin immer von mir fordert: Einfach mal die Fresse halten! (Gut, sie drückt es jetzt wesentlich gepflegter aus…. )
All diese Erkenntnisse kamen mir am Wochenende bei einer der letzten Besprechungen zu meinem ALS Charity Golfturnier. Ich bin so mächtig aufgeregt. Was als kleine Idee von mir startete hat eine große Dimension angenommen. Dank Manuela, die mir zu einer so lieben und engen Freundin wurde, und einer Handvoll weiterer Helfer wurde das Ganze eine wirklich große Geschichte. Meine Mädels aus der Mannschaft und vom Damengolf backen und kochen was das Zeug hält um das Halfwayhouse zu bestücken, wir haben abends live-Musik, es gibt eine Tombola und ich kann kaum glauben, dass wir knapp 80 Preise dafür haben. Wir haben einen Puttwettbewerb mit einem tollen Preis – eigentlich 6 tollen Preisen und einen aus Rundfunk- und Fernsehen bekannten Moderator, der die Tombola moderiert.
Mein Trainer-Ehepaar bietet einen Schnupperkurs zum Preis von 35 Euro für 3 Stunden Golf an und spendet das Geld zugunsten ALS (es sind noch Plätze frei….. bitte anmelden!! Macht Spaß, ist für einen guten Zweck und alle Teilnehmer des Kurses sind zu Kaffee und Kuchen eingeladen – Anmeldungen entweder über mich per E-Mail oder direkt im Sekretariat des Aschaffenburger Golfclubs).
Eine ganze Menge Geldspenden sind schon beim Verein „Chance zum Leben ALS e.V“ und bei der Charité in Berlin eingegangen und ich bin einfach überwältigt von der Hilfsbereitschaft und der Unterstützung von Menschen und Firmen, die mich persönlich gar nicht so gut kennen – aber auch der Menschen, die mich viele Jahre bei meinem Lieblingshobby begleitet haben.
Und um den Bogen zu meinem Sprachproblem wieder zu spannen – diese Besprechungen verlangen mir sprachliche Höchstleistungen ab – denn natürlich habe ich wie immer meinen eigenen Kopf und den gilt es durchzusetzen…. Krächz…..LAUT KRÄCHZ!
67. Alltag 03.06.2017
Wieder zuhause hat der ganz normale Trott einen schnell wieder im Griff. Ich hetze von Physio zu Ergo zu Logopädie. Donnerstag wurde mein Fuß geröntgt und ich darf endlich nachts den schweren Schuh aus lassen. Aber wie schon befürchtet hat es sich mit dem Laufen weitestgehend erledigt. An Matthias' Hals hängend gehen ein paar Schritte aber ich knicke zu oft plötzlich und ohne Vorwarnung ein um noch alleine zu laufen. Ich hab auch keinen Bock mehr auf Brüche und Prellungen. Und so schiebt Matthias mich auf dem rollbaren Toilettenstuhl in der Gegend rum und wenn er mal grad nicht hinschaut schubse ich mich allein in der Gegend rum. Das ist dann quasi mein Sportprogramm.
Gestern hat meine Logopädin festgestellt, dass ich ziemlich schlecht spreche. Das weiß ich zwar selber aber ich höre es nicht gern. Tatsache ist trotzdem, dass ich die Luft nach draußen presse und mein Sprechen wahnsinnig anstrengend ist und klingt wie eine Maschine. Jetzt hat sie mir einen Trick gezeigt, wie ich mich selbst vom Pressen ablenken kann. Indem ich mit der rechten Hand beim Spreche wedele geht das Sprechen leichter. Also… es würde leichter gehen, wenn ich vor lauter Lachen was rausbekäme. Ich muss nur Matthias‘ Gesicht sehen, wenn ich anfange zu wedeln und schon bekomme ich einen Lachflash.
Noch etwas Anderes hat mich diese Woche extrem erheitert. Momentan beziehe ich ja noch Krankengeld. Das gefällt der Krankenkasse verständlicherweise nicht und sie würde mich gerne in die Rente abschieben. Da ich die Krankenkasse als Solidargemeinschaft verstehe, habe ich dafür auch Verständnis. Allerdings darf die Krankenkasse mich nicht in diese Richtung schubsen – was sie aber darf ist, mich zu einer Reha aufzufordern. Wird diese vom Rentenversicherungsträger abgelehnt, muss dieser mich automatisch berenten. Also bekam ich irgendwann im Frühjahr die Aufforderung eine Reha zu beantragen. Und zwar nicht nur eine Reha für ALS sondern es sollte auch geprüft werden, ob eine onkologische Reha zu beantragen wäre. Nun hatte ich 2015 die Anschlussheilbehandlung in Freiburg und letztes Jahr zusammen mit Matthias 3 Wochen Schönhagen an der Ostsee, mir würde theoretisch noch eine Reha zustehen – aber onkologische Rehas zielen ausschließlich auf Konditionsaufbau auf. Also: Muckibude, Walken, Schwimmen, Gymnastik – ein bisschen Ernährung, ein bisschen Entspannung ein bisschen Psychologie……
Ich habe dem Antrag ein ausführliches Schreiben beigefügt, dass ich mit meiner ALS Erkrankung dazu wohl eher nicht mehr in der Lage bin.
Hat wohl keiner gelesen – fällt ja aus dem 08/15 Programm. Prompt liegt im Briefkasten ein Fragebogen für den behandelnden Arzt – nur für eine onkologische. ALS kannte der Sachbearbeiter entweder nicht oder er/sie war der Meinung, da ist eh nix mehr zu retten.
Hat schon mal jemand versucht bei seinem zuständigen Sachbearbeiter bei der Deutschen Rentenversicherung in Berlin anzurufen? Und? Durchgekommen? Also entweder liegt der Hörer daneben oder die kommen zu nichts anderem als zu telefonieren. Deshalb können Begleitschreiben vermutlich auch aus Zeitmangel nicht gelesen werden.
Ein kleiner verschmitzter Teil in mir würde es gern drauf ankommen lassen. Die würden extra Personal für mich brauchen – zum auf Toilette gehen, zum Duschen, zum ins Bett heben und wieder raus, zum Essen schieben und natürlich zum umfangreichen Sportprogramm bei dem ich mich gemütlich mit dem Rollstuhl in den Schatten stelle und bei einem Krimi schwitze. Was für ein Schwachsinn!
Und überhaupt – ich hab keinen Bock mehr auf Reha. Ich habe alle Therapien hier vor Ort. Das Essen ist dort geschmacklich auch reine Glückssache. Freiburg war super, Schönhagen war überwiegend so lala…. Ich hab auch keine Lust 3 Wochen jeden Morgen um 7 oder früher aufzustehen, nur weil sich das Personal weigert später anzufangen. Die sollen mich meinetwegen in Rente schicken, ist mir egal – aber sie sollen mich mit dem Scheiß in Ruhe lassen. Ich mach lieber Reisen, die mir Spaß machen! Jawolllll!
66. Quantenkybernetik 01.06.2017
Über Dagmar, eine Leidensgenossin, die ich in einer ALS Gruppe auf Facebook kennengelernt habe, wurde ich auf einen Heilpraktiker im Chiemgau aufmerksam. Dagmar erzählte, dass Andreas (der Heilpraktiker) mittels Quantenkybernetik einen Prozess auslöst, der die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren kann. Sie arbeitet bereits mehrere Jahre mit ihm und seitdem hat sich der Verlauf der Krankheit bei ihr nach eigenen Aussagen drastisch verlangsamt. Ich bin jetzt kein leichtgläubiger Mensch und ich habe schon mal darüber geschrieben, dass ich nicht verstehe warum manche Menschen Medikamente, die zwar nicht heilen können aber zumindest durch Studien bewiesenermaßen eine Verlangsamung in Gang setzen, ablehnen um irgendwelches anderes Zeug zu schlucken, das mindestens genau so wenig bringt. Aber… der Glaube versetzt bekanntermaßen Berge und wenn man mit dem Rücken an der Wand steht, sind manchem die Mittel egal.
Und da ich ein offener Mensch bin, der auch an Dinge glaubt, die sich außerhalb meines Intelligenz- und erlernten Bereiches befinden (und mit dem Begriff „Quantenkybernetik“ konnte ich nun wirklich nichts anfangen) und da auch ich mit dem Rücken zur Wand stehe, dachte ich: DAS probiere ich jetzt mal aus.
So habe ich Andreas also angerufen und mit ihm eine Therapiewoche Ende Mai ausgemacht – und die habe ich gerade absolviert. Seit gestern sind wir wieder zuhause und ich bin noch damit beschäftigt zu verarbeiten, was ich in über 15 Stunden Therapiesitzung über mich erfahren und gelernt habe.
Andreas hat uns eine wunderschöne Ferienwohnung vermittelt, deren einziger Pferdefuß das etwas sehr niedrige Bett war. Matthias hat wirklich Schwerstarbeit geleistet um mich da immer raus zu bekommen. Um es ihm etwas leichter zu machen robbte ich mich erst auf eine Sitzerhöhung. Das war wirklich derart anstrengend, dass ich nachts überlegte, ob ich tatsächlich aufs Klo muss. Aber die Sauerei, die es verursacht hätte, nicht zu gehen stand dann doch in keinem Verhältnis zu meiner Anstrengung. Auf der anderen Seite hatten wir einen wunderschönen Garten und traumhaftes Wetter, es war einfach schön.
Andreas brachte mir bei in die Tiefen meiner Seele zu tauchen und zu verstehen warum ich bestimmte Verhaltensmuster in meinem Leben angenommen habe, er half mir meine falschen Schlussfolgerungen, die gewisse Erfahrungen in meinem „Stresshirn“ manifestiert haben, aufzuspüren und umzuprogrammieren und ich lernte, dass es funktioniert. Dass ich für mein Leben und alles was mit mir passiert selbst verantwortlich bin, nicht in dem Bewusstsein mir selbst zu schaden, sondern um zu überleben… oder wie in meinem Fall als Konsequenz meines Glaubens in einigen Teilen meines Lebens derart versagt zu haben und es nicht wert zu sein dafür etwas anderes als meinen eigenen Absturz verdient zu haben (An dieser Stelle empfinde ich immer Empörung .. sollte das tatsächlich stimmen – und der Skeptiker in mir ist noch nicht geneigt zu glauben …wie kann ein Mensch derart selbstzerstörerisch auf sich einwirken).
Aber egal was mich so weit gebracht hat in dieser Krankheit zu enden - ich habe mit dieser Therapie den Schlüssel erhalten, in meinem Leben aufräumen zu können. Mich selbst zu akzeptieren und meinen Frieden mit mir selbst machen zu können. Ich habe gelernt, dass die Kränkungen anderer Menschen ihren Ursprung in deren eigenem Drama haben und gar nicht zwangsläufig mit mir zu tun haben.
Mein Fazit nach dieser Woche: Nein, Andreas kann mich nicht heilen! Aber er hat mir beigebracht, dass nicht alles was mein Stresshirn glaubt auch unmittelbar mit ALS zu tun hat. Ich muss keine Atemprobleme bekommen, nur weil ein Arzt mich nach meiner Atmung fragt und mein Hirn einen Tag später der Meinung ist, dass dieses Symptom doch hervorragend zu der Krankheit passt. Er hat mir einen Weg gezeigt, nicht in dieser Krankheit zu versinken und sie mein Leben dominieren zu lassen. Er hat mich wieder daran erinnert, dass man nicht vor dem Tod sterben sollte. Und insofern war diese Woche extrem wichtig für mich!
65. Urlaub zu viert 21.05.2017
Seit meinem Sturz mussten wir uns ja wieder mal neu sortieren. Da ich nicht mehr laufen kann bin ich mehr denn je auf Matthias angewiesen. Heißt wenn ich mal muss rufe ich: „Schaaatz, ich muss mal!“ Da kommt mein Göttergatte angelaufen, hievt mich aus dem Sessel, wackelt mich mehrere Mal in der Gegend rum (zwecks Bewegung) dann tanzen wir stehbluesmäßig eine viertel Drehung Richtung Toilettenstuhl, dann zieh ich mir die Hose runter, dann bekomme ich einen Anschiss, weil ich immer nach hinten gucke (was ich nicht soll) und dann bugsiert er mich auf den Stuhl, fährt mich Richtung Klo, schiebt mich über die Schüssel und anschließend geht das ganze Retour.
Das mit dem Hochhieven klappt meistens sehr gut (vor allem nachdem ich kapiert habe wo ich mich am besten an ihm festhalte) manchmal – an meinen schlechten Tagen – hänge ich allerdings im Arm wie ein nasser Sack Sand und dann hat er ganz schön seine Last mit mir. Prompt hat er im rechten Arm auch schon eine Überlastung. Hilft aber nix…. aufs Klo muss ich ja trotzdem.
So, nun hatten wir an der Nordsee ja ein wunderschönes Ferienhaus mit Elke und Volker und irgendwann fiel mir ein….hoppla…. wenn ich auf die Keramik muss, muss Matthias mich entweder 2 mal mehr hoch heben – Sessel – Toilettenstuhl – vor der Toilette nochmal hoch und Hose runter und wieder retour. Oder – einmal weniger – Hose gleich runter und meiner Schwester und meinem Schwager meinen nackten Hintern präsentieren. Eieiei…… Würde vs. Verschleiß meines Pflegers! Ich habe mich für die Schonung von Matthias‘ Arm entschieden, bedauert, keinen J.Lo – Hintern zu haben und Volker hat freundlicherweise immer interessiert die Schafe draußen betrachtet, wenn ich mich entblößt habe.
Meine Freundin Christiane, mit der ich seit 43 Jahren befreundet bin und die gerade aus Canada eingeflogen ist um uns zu besuchen, muss da übrigens auch gerade durch. Und ich muss wirklich sagen – Schamgefühl wird völlig überbewertet und man muss es sich leisten können. Manchmal muss man einfach die Arschbacken zusammenkneifen und durch. Und es wird mit jedem Mal einfacher!
Achso und noch was. Meine geliebte Schwester Elke hat sich beschwert, dass ich noch kein Bild von ihr im Blog habe…. Das geht ja gar nicht, wird sofort geändert!
64. kurz mal daheim 19.05.2017
Manchmal wird mir bewusst, wie mir die Zeit unter den Fingern davon fließt. Schon wieder ein Urlaub vorbei – Dinge auf die ich mich freue kommen und sind schneller
vorbei als bis 3 zählen kann und dabei schreitet diese Krankheit unbeirrt voran und es interessiert sie einen Scheiß, dass ich noch so viele Pläne habe und nicht weiß, ob ich das alles noch so
realisieren kann. Aber manchmal muss ich mich auch selbst in den Arsch treten und einfach sehen was noch geht.
Einzig mein Fuß hat eine eigene Zeitrechnung. Er dümpelt gemütlich in seinem Plastikschuh vor sich hin und ärgert mich jede Nacht, wenn ich mich umdrehen will….
Nicht genug, dass ich eh schon kaum noch von rechts nach links komme…nein, ich habe auch noch ein Gewicht dranhängen – da würden sich alle Mafia–Killer freuen, die mich versenken wollten – Beton
gespart! Und ich habe noch weitere 2 Wochen mit dem Ding – seufz!
Ja und die Woche im Norden war toll. Das Klima ist appetitanregend – soll heißen ich habe gut gegessen. Ist für mich immer noch extrem komisch, nicht abnehmen zu
dürfen. Wenn ich mich auf Bildern sehe denke ich regelmäßig wie schön so 10 kg weniger doch wären. Auf der anderen Seite…. wen zum Teufel interessierts? Gut – ich gehe auch noch zur Kosmetikerin.
Könnte ich mir theoretisch auch sparen. Die Eitelkeit stirbt scheinbar langsamer ….
Gestern waren meine Freundinnen Elke und Sabine hier. Sie hatten mir angeboten, mir die Haare zu schneiden und mir Strähnchen zu machen. Nun ist es ja nicht so, dass die beiden das nicht können. Sie haben es beide mal gelernt. Trotzdem hatte ich leichte Bedenken. Mit Frisören habe ich schon die eine oder andere interessante Erfahrung gemacht und hier hätte ich im Falle eines Misserfolges gleich ein doppeltes Malheur gehabt. Eine doofe Frisur und 2 Freundinnen, die ich in meiner unnachahmlichen Weise angepupst hätte. Aber – au contraire – die beiden habens echt drauf und jetzt natürlich das Problem, dass sie einen neuen Job haben. Super gemacht Elke und Sabine!!! Wenn meine Hoffnung auf die Therapie am Chiemsee erfüllt wird, dann haben die beiden hoffentlich noch viele Jahre mit mir zu tun!!!
63. Dagebüll 13.05.2017
Vergangenen Mittwoch haben wir uns Richtung Norddeutschland auf den Weg gemacht. Eigentlich wollten wir mit Elke und Volker ein paar Tage auf Sylt verbringen. Aber finde mal eine barrierefreie und vor allem bezahlbare Unterkunft für nur 4 Tage auf Sylt. Die einzige, die wir gefunden haben hat uns 2 Stunden nach Buchung wieder abgesagt. Denen waren wir wohl nicht lange genug da. Und so wurde es statt Sylt halt Dagebüll. Das ist jetzt zwar nicht auf einer Insel – aber wir wohnen direkt hinterm Deich und gestern Abend haben uns die Schafe eine Peepshow geliefert. Ein Bock war wohl schwer verliebt und versuchte verzweifelt auf seine Angebetete zu kommen. Die hatte aber offensichtlich entweder ihre Tage oder Migräne und legte sich – nachdem er nicht abzuschütteln war - einfach hin und damit wars das dann wohl für ihn. Und dann passierte, was gelegentlich auch bei den Menschen passiert – bevor das Mädel daneben sich versah, sprang er halt auf die….. das war jetzt nicht unbedingt ein Beispiel für die wahre Liebe.
Dieser Urlaub hier im Norden ist aber nicht das einzige Highlight dieser Reise. Seit 7 oder 8 Jahren habe ich eine Facebook-Freundin, sie heißt Rosi und wir kennen uns noch von der Plattform „Wer-kennt-wen“. Rosi hat mich schon während meiner Krebstherapie treu begleitet und das hat sich auch bei ALS nicht geändert. Und Mittwoch haben wir uns nach all den Jahren zum ersten Mal getroffen. Das ist normalerweise nicht ganz unproblematisch. Wir kennen uns zwar extrem gut und wissen wie die andere tickt – aber man kennt die Stimme nicht, den vielleicht ausgeprägten Dialekt und auch die ganz persönliche Ausstrahlung kommt bei Facebook möglicherweise anders rüber. Aber nichts davon war der Fall! Das war meine Rosi wie sie leibt und lebt. Und so wie ich sie in meinem Kopf hatte!
Und mit Marion war es genauso! Marion hat ALS wie ich und wir sind extra einen Tag früher gefahren, um Marion in Hamburg zu treffen. Mit Marion (und Michelle – die ich noch nicht kenne – auch ALS) kann ich lachen! Ein schwarzer, sarkastischer böser Humor verbindet uns. Wir sind die „Ins-Gras-Beißer-Bande“. Michelle ist unsere Gründerin. Das wir uns bald eine Etage weiter oben treffen versuchen wir so gut es geht zu ignorieren. Wir versuchen nicht darüber nachzudenken, wer die erste ist, die sich vom Acker macht und wer sich von wem als erstes verabschiedet. Ich habe das schon mal erlebt. Soulmate Lisa aus dem Odenwald. Ich hatte sie Ende Dezember besucht. NIEMALS hätte ich damals gedacht, das es das erste und einzige Mal bleibt. Im März ist sie gestorben und ich war einfach nur geschockt. Aber so ist das nun mal mit dieser Scheißkrankheit. Die wenigstens haben einen wirklich langsamen Verlauf der sich ala Hawkings über mehrere Jahre hin zieht.
Das erinnert mich daran, dass ich diese Firma in den USA anschreiben will – die dieses neue Medikament gegen ALS in den USA produzieren, welches von den US Behörden frei gegeben wurde. Leider ist es für den europäischen Markt noch nicht zugelassen. Ich könnte es besorgen aber die Behandlungskosten müssen selber getragen werden und belaufen sich auf 130 000 Euro pro Jahr. Wenn es heilen würde, wäre mir das egal - dann würden wir das Haus verkaufen und es probieren. Aber auch dieses Medikament zögert die Krankheit nur hinaus. Und dafür sind mir 130 000 € pro Jahr einfach zu viel. Ich habe nicht vor, meinen Mann mit meiner Krankheit in den finanziellen Ruin zu treiben. Aber ich kann ja mal ein bisschen rum jammern und nachfragen, wann sie gedenken den Antrag zu stellen, das Medikament für den europäischen Markt zuzulassen. Außerdem hege ich immer noch große Hoffnung auf meine Selbstheilungskräfte, die ich mit Hilfe von Andreas Jell Ende Mai zu aktivieren hoffe.
So und jetzt werden wieder Schafe geguckt…..
62. Schiffsreise 12.05.2017
Jetzt hatte ich tatsächlich ein paar Tage einfach keine Lust zu schreiben. Mir ist auch nichts eingefallen. Das Hickhack um unsere Schiffsreise im Juli ans Nordkap hat so genervt, dass ich überhaupt keine Lust hatte, mich damit im Blog auseinander zu setzen. Das ist nämlich alles irgendwie doof. Es ist deshalb doof, weil keiner – auch nicht ich selbst – in der Lage ist, mir zu sagen, wozu ich im Juli noch fähig bin. Dieser Scheiß Beinbruch hat mich krankentechnisch derart nach vorne katapultiert, ich vermute mal, dass es mit dem Laufen vorbei sein wird. Wichtig wäre jetzt zu wissen… kann ich dann noch alleine stehen? Das ist nämlich essentiell für unsere Schiffsreise.
Gleich nach meinem Sturz habe ich gedacht, dass die gebuchte Verandakabine auf der MeinSchiff1 hakelig werden könnte. Sehr schmale Türen und ins sehr kleine Badezimmer auch noch eine Stufe…eieiei…. das könnte schief laufen. Also haben wir sofort im Reisebüro angefragt, ob noch eine behindertengerechte Kabine frei ist. Und JA …. es waren sogar noch 2 frei. Wir konnten unser Glück gar nicht fassen und füllten sofort den Antrag aus. Da wir eine knappe Woche nichts hörten gingen wir davon aus, dass alles in Butter wäre. Als unser Reisebüro aber vorsichtshalber nachfragte, hieß es ällerbätsch, Spaß Spaß, die Kabinen sind weg und zwar nicht an uns ….
Nun sind die behindertengerechten Kabinen auch nicht unbedingt unsere Wunschkategorie – von Veranda auf Außenkabine ohne Balkon zu gehen – das ist schon ein Rückschritt. Aber – ich werde diese Reise auf keinen Fall zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können. Ich habe den blöden Verdacht, bald wieder zur Überprüfung der Atmung in Rummelsberg zu landen – und ich fürchte dass ich dann mit einem Beatmungsgerät – zumindest für nachts – nach Hause komme. Und all inklusiv macht auch nicht wirklich Spaß, wenn die Nahrung überwiegend püriert oder durch den Bauchnabel aufgenommen werden muss. Wobei - ich habe schon darüber nachgedacht, die PinaColadas mit der Spritze aufzuziehen und sie ebenso durch den Bauch direkt zu konsumieren. „Gehen Sie sofort in den Magen, gehen Sie nicht über Los – ziehen Sie nicht 4000 Mark ein“. Könnte auf dem Schiff eine Schockwelle auslösen – sehr reizvoller Gedanke!
Unser erster Gedanke war, zu stornieren …. aber…. wo ein Wille ist, ist ein Gebüsch. Ich nenne ja seit kurzem nun auch einen Toilettenstuhl mein eigen und der ist
wesentlich schmaler als der Rollstuhl – und auch wendiger. Wir haben uns also von der Reederei sämtliche Kabinenmaße geben lassen und – es wird eng aber es müsste gehen. Voraussetzung: ich bleibe
von alleine stehen, wenn Matthias mich an die Wand lehnt! No risk no fun…. Wir probieren das jetzt einfach! Wir bräuchten höchstens einen Möbelwagen für die Anreise – aber selber schuld, wenn die
Kabinen anderweitig vergeben wurden!
Ja und im Moment sitzen wir in einem wunderschönen Ferienhaus an der Nordsee und beobachten Schafe vor dem Deich vom Wohnzimmerfenster aus…..määäähhhh!
61. Umstellungen 05.05.2017
Es ist ja nun nicht so, als ob wir nicht in den letzten Monaten bewiesen hätten, wie wahnsinnig flexibel wir sein können. Aber irgendwann ist auch mal gut! Schlimm
genug, dass diese Scheiß-Krankheit viel zu schnell voranschreitet – nein, irgendwer schüttet uns auch noch Brandbeschleuniger über die Rübe. Von einem Tag auf den anderen kann ich nun nicht mehr
laufen…und nicht nur das! Ich kam mit einer Blasenentzündung nach Hause und jeder der das schon mal hatte, weiß was das bedeutet. Zum einen Antibiotika (ich hasse Antibiotika –aber welche
schnelle Alternative hatte ich?) von denen war mir permanent schlecht. Zum anderen – alle 45 Minuten aufs Klo… auch nachts. Und da ich ja keinen Schritt alleine machen kann, schob mich mein armer
Mann ununterbrochen im Haus rum. Dazu kamen Kreislaufprobleme und Probleme mit dem dämlichen Schuh am Fuß eine einigermaßen bequeme Schlafposition zu finden.
Nach der ersten Nacht waren wir beide völlig fertig. Und immer, wenn es mir nicht gut geht verlässt mich mein Optimismus. Matthias war müde und schlecht drauf – ich
auch und da habe ich überlegt, wie lange wir das noch durchhalten. Ausgerechnet ich, die immer für durchhalten und stark sein und nicht unterkriegen lassen plädiert… ich habe Phasen in welchen
ich einfach keinen Bock mehr habe. Zu Wissen, man wird hilfsbedürftig und völlig unselbstständig und dann aber in der Situation zu stecken sind zwei völlig unterschiedliche Paar
Schuhe.
Nachdem ich die Blasenentzündung überstanden hatte stand schon ein Schnupfen in den Startlöchern und rief freudestrahlend: Hatschi – da bin ich! Grundsätzlich kein
Problem, ist ja keine tödliche Männergrippe. Ich machte mir nur Sorgen, dass sich das Ganze auf die Bronchien schlägt und das hätte ein wirkliches Problem mit der Atmung werden können. Also:
Literweise Ingwer-Zitronen-Honig-Tee und eine Überdosis Schüssler 3! Und hey!! Ich hab’s geschafft und bis auf eine wunde Nase ist wieder alles gut. Seit gestern schmeckt mir das Essen wieder und
Halleluja… nach 14 Tagen Alkoholabstinenz schmeckte sogar ein kleines Bier. Und heute habe ich doch tatsächlich Lust auf ein Glas Sekt!
Was habe ich also wieder mal gelernt? Scheinbar ist meine Stimmung stark von meiner Fähigkeit Essen und Trinken zu können abhängig. Nur noch schwer sprechen zu können empfinde ich zwar auch als belastend – aber bis jetzt krächze ich mich noch recht verständlich durch die Landschaft – und wenn das gar nicht mehr geht muss meine Umwelt halt warten bis ich getippt habe was ich sagen will! Müssen sich halt alle disziplinieren….lach!
60. Krankenhaustage 2 01.05.2017
Das Gespräch zwischen Mutter und Sohn begann so:
Er: „Mami, weißt Du warum Du auf dem Gang lagst?“
Sie: „Die mögen mich nicht“
Er: „Nein, Du hast versucht aufzustehen, das darfst Du aber nicht – Dein Bein ist gebrochen!“
Sie (völlig entrüstet): „Mein Bein ist doch nicht gebrochen! Wer sagt denn sowas?“
Er: „Doch Mami, Dein Bein ist gebrochen, es wurde geröntgt“
Sie: „Wann soll das denn passiert sein, das weiß ich ja gar nicht“
Er: „Heute Nacht vermutlich“
Sie: „Ich muss zur Toilette – hilf mir mal raus“
Er: „Mami, Du hast einen Katheder Du kannst es laufen lassen“
Sie: „Laufen lassen – also wirklich nicht“
Er fotografiert den Katheder, den sie nicht sehen kann und zeigt ihr das Bild.
Sie: „Dann muss ich groß – hilf mir auf die Toilette“
Er: „Nein, Du darfst nicht aufstehen, Du hast Dein Bein gebrochen!“
Sie: „Ich hab mein Bein gebrochen? Wann soll das gewesen sein und wer sagt das?“…..
Diese Unterhaltung brachte in den nächsten 2 Stunden keine nennenswerte neue Erkenntnisse – nur dass ich irgendwann anfing schallend zu lachen. Als mich der irritierte Blick des Sohnes traf habe ich mich sofort entschuldigt, irgendwas von Situationskomik gemurmelt und versucht mich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren, sonst wäre ich lachend aus dem Bett gefallen.
Lustig war dann auch die nächste Sequenz.
Sie: „Die Dame neben mir möchte schlafen“ (nein – wollte ich nicht)
Er: „Die Dame heißt Frau Bohn und ist supernett“ (wir hatten uns zwischenzeitlich nett unterhalten)
Sie: „Wie? Supernett? Die Dame heißt Supernett?“
Ich nickte heftig mit dem Kopf!!!
Er versuchte Sie dann noch zu überreden 20 Euro in die Kaffeekasse der Station zu werfen, damit die Schwestern ihr vielleicht wohl gesonnener wären. Da wurde sie auf einmal ziemlich klar und meinte „10 reichen ja wohl auch!“. Er hat ihr trotzdem 20 aus dem Geldbeutel genommen und behauptet das wäre der Wunsch der Mutter. Die Schwester hat versucht es liegen zu lassen – hätte aber auch blöd ausgesehen und so steckte sie es seufzend ein.
Das Ende vom Lied – sie hatte auch lichte Momente und war im Grunde eine sehr liebe, verwirrte und sehr anstrengende ältere Dame. So hielt sie sich und mich für 88 Jahre alt– nur ich war scheinbar geliftet. Was übrigens zu der Praktikantin passt, die meinen Mann als meinen Sohn bezeichnete. Wenn Blicke hätten töten können wäre die Welt um eine Praktikantin ärmer. Zum Glück funktioniert das nicht – das Mädel war sonst top!
Außerdem gibt es in dem Altersheim meiner Bettnachbarin tatsächlich eine Mitbewohnerin, die schon 214 Jahre alt ist!!! Donnerwetter!
Irgendwann forderte sie mich auf, sie im Altersheim besuchen zu kommen. Das fand ich ja total süß! Aber da die Chancen gut stehen, dass sie dann keine Ahnung hat, wer ich überhaupt bin, macht das wohl wenig Sinn.
Ja und nach 5 Tagen war es dann soweit. Nachdem sich der Pflegedienst bei Matthias erkundigt hat, dass ich zuhause gut versorgt bin, durfte ich auch Freitag nach Hause. Und das war dann wieder eine ziemliche Umstellung in unserem Leben.
59. Krankenhaustage 1 30.04.2017
Das Aschaffenburger Klinikum kenne ich zur Genüge als Besucherin meiner Mutter. Während ihrer Krebstherapie verbrachte Sie einzelne Wochen dort um ihre Chemotherapie zu absolvieren und später musste sie zur Nachsorge immer wieder einzelne Tage dort verbringen. Und sie lies nicht ein einziges gutes Wort über das Klinikum fallen.
Nun – ich kannte meine Mutter gut und dachte oft: Wie es in den Wald reinruft, schallt es zurück. Trotzdem hat sie mich mit ihrem permanenten Genöle natürlich negativ beeinflusst und so war ich nicht amused Sonntagnacht dort zu landen.
Ich hatte aber schon mal das große Glück, dass in der Notaufnahme so gut wie nichts los war. Ich wurde sofort geröntgt und alle waren wirklich super lieb zu mir. Ebenso auf der Intensivstation, ich wurde von vorn bis hinten gepampert, das Frühstücksbrötchen wurde geschmiert und ich fühlte mich bestens aufgehoben! Für 11 Uhr war meine Verlegung auf die Station geplant.
Als ich hier ankam, war das Zimmer noch nicht fertig und ich dachte „Oh, jetzt Mutter – jetzt geht es mir wie Dir – stundenlang auf dem Gang liegen und kein Mensch hat Zeit“. Aber auch hier wurde ich eines Besseren belehrt – es dauerte keine 10 Minuten, da war ich in meinem Zimmer und fand eine sehr nette ältere Dame vor, die leider am nächsten Tag entlassen wurde.
Ihre Nachfolgerin war dann echt der Hammer! Wieder eine ältere Dame die flach im Bett lag. Auf mein: „Hallo, ich bin Eva Bohn! „kam ein „ich verstehe sie nicht“…. Ich also – räusper räusper und dann ganz langsam und so deutlich ich konnte: „mein Name ist Eva Bohn“…. Wieder ein Blick als ob ich Esperanza spreche „Ich verstehe nicht!“. Gut, dachte ich – rutsch mir den Buckel runter, dann sag ich halt nix, ist eh besser für mich.
Im Laufe des Nachmittags bekam ich mit, dass die Dame in ihrem Altersheim gestürzt war und sich den Oberschenkel gebrochen hat. Leider konnte sie sich daran weder erinnern, noch glaubte sie es. Genau wie mir hatte man ihr einen Katheder gelegt, da sie das Bett nicht verlassen durfte aber auch das hatte sie nach kürzester Zeit vergessen und versuchte in regelmäßigen Abständen aufzustehen um auf die Toilette zu kommen. Dabei entstand jedesmal die Diskussion um ihren Oberschenkelhalsbruch und sie musste regelmäßig den Katheder sehen um zu glauben, dass sie einen hatte.
Außerdem musste ich ihr gefühlte 100 mal erklären mit welchem Knopf sie die Schwester rufen kann (was sie auch regelmäßig tat) und als Matthias kam versuchte sie ihn zu ihrem persönlichen Adjutanten zu machen was bei Matthias ja wunderbar klappt – alle die ihn kennen wissen wovon ich spreche!!! Irgendwann war es dem Pflegepersonal zu viel. Die permanenten Ausbruchsversuche meiner Bettnachbarin hielten die halbe Station auf Trab und irgendwann wurde sie auf den Gang geschoben, damit man sie besser im Blick hat und weitere Unfälle vermieden werden konnten. Ich schickte ein freundliches „die dürfen sie gerne behalten“ hinterher und weg war sie.
Leider nur ungefähr eine Stunde! Dann kam der Sohn, machte Rabatz und schwupps, hatte ich sie wieder am Hals. Allerdings …. Hätte ich die nun folgende Unterhaltung zwischen Mutter und Sohn nicht mitbekommen – ich hätte etwas verpasst! Ich habe fast ins Kissen gebissen vor Lachen……aber darüber mehr beim nächsten Mal!
58. Mannomann! 28.04.2017
Das es immer anders kommt als man so plant, bin ich zwischenzeitlich ja gewohnt. Aber – zum Kuckuck – es könnte ja auch mal positiv anders kommen. Obwohl, ich darf nicht undankbar sein, Matthias‘ Abschlussuntersuchung war perfekt! Endlich eine Baustelle geschlossen.
Ja – und wer mich vergangenen Mittwoch auf RTL „Punkt12“ gesucht hat, wird festgestellt haben, dass ich wohl nicht da war!
Ich meinte nämlich Sonntag Nacht beim Zubettgehen mal wieder stürzen zu müssen. Trotz Rollators knickte mein linkes Bein weg, machte eine hässliche Drehung und ich knallte mit voller Power mit dem Hinterkopf auf die Badezimmerfliesen. Ich war selber so geschockt, dass ich zähneklappernd einfach liegen blieb. Matthias und Elke machten die Erstversorgung und dann rief Matthias den Notarzt und so wurde ich mitten in der Nacht ins Klinikum Aschaffenburg transportiert. Im Rettungswagen hatte ich kurzfristig die Hoffnung, dass ich mir „nur“ ein Band gerissen hätte aber nach dem Röntgen stand fest: Sprunggelenk ist gebrochen – muss sofort operiert werden.
Na toll! Vor Narkose habe ich einen Heidenschiss. Sagt man doch, dass danach bei ALS wieder mehr ausfällt als notwendig gewesen wären. Also besprach ich mit der Anästhesistin eine spinale Betäubung vorzunehmen. Ja….und dann lag ich da. Konnte ab Bauch nix mehr bewegen und hatte das Gefühl, dass beide Beine auf dem OP-Tisch lagen. Allerdings sah ich ab und an ein rot eingepinseltes Bein in der Luft schwenken und fragte mich wo DAS denn bitteschön her kommt.
Da ich äußerst unbequem lag, zappelte ich mit allem was ich bewegen konnte unaufhörlich rum und irgendwann rutschte der Vorhang, der mich daran hinderte meiner eigenen OP zuzusehen, runter. Ich zog noch ein Stückchen daran und schaute den beiden Operateuren interessiert zu. Nach ein paar Sekunden fragte ich, ob sie denn gut zurecht kämen? Fanden sie wohl nur mäßig witzig und zogen den Vorhang wieder hoch. Nach einer knappen Stunde war ich um 2 Schrauben und einen Nagel im Fuß reicher und wurde wegen meiner nachlassenden Atemleistung zur Überwachung erstmal auf die Intensiv geschoben.
Ich sehe gerade, daß ich eine neue Schrift habe - das war der erste Test mit meinem neuen Laptop. Jetzt kann ich im Wohnzimmer mit Fuß hoch arbeiten!
57. Bye bye New York 23.04.2017
Nachdem Iris also heraus fand, dass wir uns im falschen Appartement befanden, griff sie gleich zum Telefon und rief den vermeintlichen Mr. Hoon an. Iris ist mir in vielen Dingen ziemlich ähnlich! Heißt: wenn sie sauer ist, ist sie sauer und das kann man unmöglich ignorieren! Der falsche Mr. Hoon ging ans Telefon und Iris schnauzte erstmal: „Mit wem spreche ich überhaupt!“ Dummerweise wusste Fake-Hoon wohl mit wem er es zu tun hat und antwortete: „Iris? – here is Hoon!“ Als Iris ihm die Sachlage erklärte holte Moonyhoony tief Luft und fing an zu erklären. Iris schaltete auf Lautsprecher und wir saßen beide vor dem Handy und lauschten andächtig und mit hochgezogenen Augenbrauen den wirren Erklärungen von….Wemauchimmer! Es hatte was mit 25 Appartements zu tun und behindertengerecht und er dachte und er wollte und und und….. Und am Ende bot er uns ein paar Weinflaschen und eine Käseplatte – quasi als „farewell“ für den letzten Abend an, wir beratschlagten welchen Wein wir gerne hätten und verblieben, dass er uns „George“ schickt, der uns den Snack vorbei bringen sollte.
Das hätte er mal lieber tun sollen! Fake-Hoon versprach Fake-Wein und Fake-Käse… OK … bei dem neuen Präsidenten in den USA dachte er vielleicht, das gehört so…..
Jetzt hat Iris eine offizielle Beschwerde bei Airbnb laufen und fordert den Mehrpreis zum anderen Appartement zurück….
Ach… hätte er nur den Käse…. Aber zu spät!!!
Ja.. und Montag ging es dann auch schon wieder heim. Wenn Iris und Frank gekonnt hätten – sie hätten sich an meinen Rollstuhl gekettet! JEDER… wirklich jeder, der irgendwie mit unserer Heimreise zu tun hatte musste schwören!!!! sich persönlich um den Rollstuhl zu kümmern und am Ende machte Iris auch Fotos von den Personen um sie gegebenenfalls vor Gericht zu zerren, sollten sie einen Meineid geleistet haben!!!
Ja.. und Dank dieses unglaublichen Einsatzes war mein Rollstuhl in Amsterdam auch da! Allerdings völlig verbogen. Das nächste Mal müssen wir alle unterschreiben lassen, dass sie sorgfältiger damit umgehen!!!
Nun hatten wir in Amsterdam ziemlich lange Aufenthalt und so machten sich Frank und Matthias auf den Weg um das Ganze zu Reklamieren. Bin gespannt, was dabei herauskommt!
Ja.. und nun sind wir wieder daheim und so langsam bekomme ich auch die Anstrengung aus meinen Muskeln. Aber es war jede Aufregung und jede Anstrengung wert – es war eine unvergessliche, großartige, wunderschöne Reise!
Und weil es so schön ist fahren wir nächste Woche gleich wieder weg – solange ich das noch kann müssen wir es einfach ausnützen. Ich glaube nicht, dass ich mich noch lange innerhalb des Hauses bewegen kann. Wir müssen schon ständig die Einstellungen des Toilettensitzes ändern und von einem normalen Stuhl komme ich trotz Sitzkeil leider auch nur noch hoch wenn ich extrem ausgeruht bin.
Achso… und morgen kommt RTL. Vielleicht bin ich nächsten Mittwoch in „Punkt12“ im Fernsehen. Es geht zwar nicht um ALS sondern um pflegende Angehörige – aber egal, mir ist jede Form Recht um auf diese „AllerLetzteScheisse“ aufmerksam zu machen!
56. New York – Big Apple 21.04.2017
Nachdem Eligio uns verlassen hat wurde Iris nervös. Das Taxi – man muss erst mal eins finden, in welches 4 Erwachsene mit Gepäck und ein Rollstuhl rein passen – war eigentlich auf 20.00 Uhr bestellt – jetzt war es dank dem eigenmächtigen Egotrip des Rollstuhls um einiges später und das mit unserem Appartement war auch noch so eine Geschichte. Wir hatten über Airbnb ein Appartement mitten in Manhatten gebucht – irgendwo ganz oben mit bodentiefen Fenstern – nur die Kommunikation mit dem Host klappte irgendwie nie so gänzlich. Auf gefühlte 100 Mails von Iris kam eine widerwillige Antwort und was uns etwas Sorgen machte war, dass sich die Adresse ständig änderte. Zum Glück antwortete der vermeintliche Mr. Hoon (wie sich später heraus stellte befand sich dieser seit Wochen in Korea – also – keine Ahnung mit wem Iris da Kontakt hatte) nun aber prompt – mit einer abermals neuen Adresse und diversen Verhaltensregeln (nicht die Wörter Airbnb benutzen, auf dem Gang leise sein….etc). Uns war das in dem Moment wurscht – wir wussten wo wir hin sollten und das war erstmal Prio1.
Das Appartement war wirklich der Hammer. Im 45 Stock – Blick auf Hell’s Kitchen und den Hudson. Unser Schlafzimmer mit bodentiefen Fenstern (nochmal Danke Iris und Frank dafür, dass wir das haben durften) – nur das Schlafzimmer von Iris und Frank (Bett im Wohnzimmer hinter einem Bücherregal) kam mir zwar irgendwie bekannt aber komisch vor. Ansonsten war alles relativ sauber – die Betten hatte ich von den Bildern auch breiter in Erinnerung – aber EGAL – Bilder täuschen ja auch oft! Wir waren da! Und wir bekamen die Geräuschkulisse New Yorks in voller Wucht mit – Polizei, Feuerwehr, ununterbrochenes Gehupe (damit geht es in New York anscheinend schneller als anderswo) – für uns Landeier extrem gewöhnungsbedürftig (allerdings schliefen wir nach 2 Tagen schon bei offenem Fenster – geht alles).
Wie üblich mit Jetlag ist man morgens früh wach und ich bekam von Iris den Kaffee ans Bett…..NIE WIEDER WOLLTE ICH VON HIER WEG!!! (Wobei – Elke verwöhnt mich da auch so….) wir hatten diesen hammermegasupertollen Blick aus dem Fenster – und ein Diner direkt neben dem Hochhauskomplex wo morgens ein typisch amerikanisches Frühstück auf uns wartete. Was ich an Frank und Iris unter anderem auch so liebe…die futtern genau so gerne wie wir. Die Tatsache, dass ich nicht mehr viel essen kann auch wenn ich gerne möchte, ändert nichts an der Tatsache, dass essen einfach geil ist!!!
Um 10 Uhr hatten wir einen deutschsprachigen Stadtrundgang mit Uli durch Soho, Little Italy und Chinatown, danach liefen wir weiter zum Ground Zero und irgendwann hatten wir rund 14 km hinter uns und ich war platt! Im Rollstuhl sitzen scheint extrem anstrengend zu sein – nach einer Bestellung im Diner lag ich gegen 20.00 Uhr in der Kiste und schlief durch bis kurz vor 7.
Am 2.Tag hatten wir eine Schifffahrt rund um Manhatten gebucht. Wir hatten vorsichtshalber wieder eine Priority Karte gebucht für bevorzugten Check-in und einen eigenen Sitzbereich. Dummerweise erwischten wir die Schlange mit dem Rookie (erster Tag am Kartenschalter) und standen immer noch als alle anderen Schlangen fertig waren und der bevorzugte Sitzbereich war in der ersten Etage. Zum Glück hatten Matthias und ich das „Hintern-rauf-Schieben“ noch nicht verlernt und so wurde ich mit vereinten Kräften die Treppe rauf – und später wieder runter buggsiert und ich war stolz wie Bolle, dass ich wirklich überall mit konnte, mit ein bisschen Mühe zwar – aber Resultate zählen.
Abends ging es noch auf das Rockefeller Center Top of the world – und danach konnten wir sogar noch einen gemütlichen Whisky-Cola schlürfen, bevor wir wieder ins Bett fielen. Ich hatte zwar gar nicht vor, mich wegen 4 Tagen an die neue Zeit zu gewöhnen – aber es ließ sich offensichtlich nicht vermeiden.
Unser letzter voller Tag war der Ostersonntag und auch gleichzeitig der wärmste. Wir verbrachten ihn im Central Park und hier muss ich wirklich mal meinen Mann bewundern. Wir sind es ja gewohnt, viel zu laufen (ja – auch ich kann mich noch erinnern). Aber einen Rollstuhl bei fast 30° vor sich her zu schieben und im Park war es jetzt nicht überall ganz flach, ständig den Schlaglöchern ausweichend (er hat nur einmal versucht mich aus dem Rolli zu schnicken) und ab und an mal einem Chinesen in die Hacke fahrend (ich bin ja sonst nicht so – aber DIE hatten es zum Teil verdient!) das war schon eine großartige Leistung! Er hat nie gemurrt, war noch nicht mal genervt – Schatz DANKE …Ich liebe Dich – Du bist das BESTE in meinem Leben!!!
So und den krönenden Abschluss bildete ein Broadway Musical. „Waitress“ mit Sara Bareilles (ich kannte sie nicht – aber dem Gejodel der Zuschauer nach eine ganz große Nummer) war wirklich MEGA!!! Nach ein paar Minuten merkten Matthias und ich, dass wir die Story unter dem Film „Jennas Kuchen“ vor kurzem im Fernsehen gesehen haben aber das ganze Flair, dieses kleine alte Theater, die Musik, die Darsteller…. Ich war und bin immer noch überwältigt. Ich glaube nicht, dass wir uns das ohne ALS so geleistet hätten – das sind Erinnerungen für alle die dabei waren, die man nie wieder vergisst und dafür danke ich diesem Scheiß ALS. Ein Herzinfarkt macht sowas nämlich nicht möglich und auch bei Krebs ist man durch die dauernden Therapien viel zu sehr angebunden und durch die Chemos geht’s einem auch meistens irgendwie schlecht!
Am letzten Abend fiel Iris dann auf einmal auf….. Herrschaftszeiten – wir sind im falschen Appartement. Dieses hatten wir uns zwar mal auf Airbnb angeschaut – aber gebucht hatten wir ein anderes – und auch etwas teureres….
Aber das erzähle ich beim nächsten Mal!
55. New York – Die Anreise 19.04.2017
Och manno….. jetzt ist New York schon wieder vorbei! Schaaade!!!!
Bis 2 Tage vorher hatte ich irgendwie gar nicht realisiert, dass eine größere Reise auf mich wartet. Irgendwie hatte ich
auch ein bisschen Schiss davor. Ich hatte ja keine Ahnung, wie alles funktionieren wird – wie klappt das „Zum-Toilette-gehen“ im Flieger – ich komme ja von alleine nicht mehr hoch – und wie hoch
sind die Betten im Appartement in New York, muss ich meinen Mann nachts mehrmals bitten mich aufs Klo zu transportieren - und wie kommt mein Körper mit der Zeitumstellung klar, klappt meine
Atmung?
Also habe ich bis 2 Tage vor Abreise nur „theoretisch“ darüber nachgedacht und das war vielleicht auch der Grund warum mir
erst ganz kurz vorher einfiel – Stützstrümpfe wären nicht ganz blöd! Vom vielen Sitzen bekomme ich dicke Beine und außerdem verringert es die Thrombose-Gefahr. Irgendwo hatte ich noch
Kniestrümpfe von der letzten längeren Flugreise, die ich selbstverständlich NICHT finden konnte und so fuhren wir ins Sanitätshaus unseres Vertrauens um welche zu erwerben.
Ich muss jetzt erklären: ICH wollte Kniestrümpfe! Da mein Mann nach einer Thrombose und 2 Venen-OPs aber eindeutig der Spezialist von uns beiden ist, hat er mir glaubhaft versichert, dass Kniestrümpfe nix bringen und ich die langen Dinger bräuchte. Nun kennt keiner meine anatomischen Grenzen so gut wie ich selber. Einzelne lange Strümpfe haben Ähnlichkeit mit halterlosen Strapsen. Oben ein Gummiband und das soll halten. Alle Versuche in meinem Leben mich für meinen Mann „sexy“ aufzustrapsen endeten an diesen anatomischen Grenzen. Meine Oberschenkel sind nämlich zu dick. Soll heißen: Gummiband rollt sich oben ein und wandert in gerolltem Zustand Richtung Knie – oder hält von vornherein nicht und klebt irgendwo knapp oberhalb des Knies und schlägt nach unten Falte um Falte. Das ist nur für Fans von „Sex-im-Dunkeln“ erotisch!
Nun haben Stützstrümpfe eher wenig mit Erotik zu tun, auch wenn das System ähnlich ist, sie werden ja extra ausgemessen und ich hatte eine kleine Hoffnung, dass es vielleicht klappen könnte.
Im Sanitätshaus wurde ich dann fachmännisch vermessen und bestrumpft – mein Mann stand daneben und schaute sich das alles genau an. An den Oberschenkeln wurde es leicht peinlich, weil mir der Mitarbeiter ständig daran rumfummeln musste – weil sich das Gummiband nicht so anlegte wie es sollte (HA!!!). Aber nach ein paar Minuten und ein paar theoretischen Tipps schien es zu klappen und ich nahm Abschied von den Kniestrümpfen.
Am Abflugtag haben wir schon extra etwas mehr Zeit morgens für das Anziehen eingeplant – und das war auch gut so. Bis über die Knie ging es genau so wie gezeigt – aber dann kam das Ankleben des Gummibandes an den Oberschenkel. Kaum hatte Matthias das rechte Bein einigermaßen fest, kringelte das linke abwärts. Er fummelte gut 15 Minuten an mir rum mit immer schlechterem Erfolg, zumal diese Scheiß-Strümpfe beim Einkringeln so saueng wurden, dass es irgendwann echt weh tat.
Das Ende vom Lied: Ich fing an zu heulen! Nicht sehr hilfreich – aber es hatte sowas von: VERDAMMTNOCHMAL – ich hab‘s doch gewusst! Der Vorschlag meines Mannes, die Strümpfe dann halt weg zu lassen verstärkten das Frustheulen in ein Wutheulen – immerhin brauchte ich diese Strümpfe um mir im Flugzeug die Schuhe ausziehen zu können und hinterher auch wieder rein zu kommen.
Wir schlossen den Kompromiss: Die Strümpfe bis zu den Knien und das Gummiband baumelte mir am Sprunggelenk. (Hoffentlich
guckt mir keiner auf die Füße)
Am Flughafen warteten Iris und Frank schon auf uns und da das morgendliche Fiasko überstanden war bewegten wir uns aufgeregt
und freudestrahlend zum Schalter der Air France. Wir haben für diese Reise zum ersten Mal in unserem Leben Business Class gebucht. Nicht, dass wir noch nie so geflogen sind, wir wurden
schon ein paar Mal upgegradet – aber gebucht hatten wir es noch nie. Und um die Kosten im Zaum zu halten hatte Frank tolle Flüge Frankfurt-Paris-New York und zurück New York-Amsterdam-Frankfurt
gebucht. Dieser kleine Zwischenaufenthalt sparte uns pro Flug ca. 1000 Euro - viel Geld für eine 5-tägige Reise. Einen Dukatenscheisser hat schließlich keiner von uns im
Keller.
UND… Business Class bedeutet Business Class – egal wie man fliegt. So profitierten wir vom Priority Check-in und ließen uns
vom Rollstuhlservice in die Lounge der Air France bringen um erst mal in aller Ruhe zu frühstücken.
Pünktlich zum Check-in kam eine nette Dame und schob mich an allen Passagieren vorbei Richtung Rollfeld. Ich hatte nämlich
doppelten Bonus. Nicht nur Business Class –nein Rollstuhl-Class! Das schlägt alles und führte zu einem absoluten Sonderprogramm nicht nur für mich sondern auch für alle die mich
begleiten.
Die Maschine nach Paris stand auf dem Rollfeld – also ab in den Aufzug! Äh… wenn er denn freundlicherweise auch gekommen
wäre. Nachdem Matthias, Frank und Iris feststellten, dass die Tür des Aufzugs weiter unten auf stand und der Fahrstuhl auf halben Weg mitten drin steckte bekam meine Rollstuhlbegleitung
einen leichten Ausdruck der Ratlosigkeit. Aber HEY!!! Ich bin Eva, die Starke!!! Großkotzig behauptete ich – runter geht immer, ich brauch nur meinen Mann und so eierten wir tatsächlich eine
ziemlich lange Treppe nach unten und als der Fahrer des Spezialtransportes sah, dass ich zu Fuß ankam sollte ich doch auch am besten gleich in seinen Bus hüpfen….. das habe ich dann aber
doch Dankend abgelehnt.
Der Transporter hatte eine Hebebühne und wir wurden zum hinteren Eingang der Maschine gefahren – was ein bisschen blöd war,
da unsere Sitze ganz vorne waren. Nun wurde ich von meinem Rollstuhl in einen sehr schmalen kleineren umgebettet, der mich durch das ganze Flugzeug nach vorne transportierte. Vom meinem eigenen
Rolli nahm ich Abschied allerdings nicht ohne mich zu versichern, dass dieser in der Maschine mitfliegt und ich ihn in Paris wieder zur Verfügung habe. So sei es – versicherte man mir
…..
Nach einer knappen Stunde landeten wir in Paris . Der französische „Behindertendienst“ stand schon brav vor der Tür. Ein hübsches junges Mädchen das roch wie 6 Monate nicht gewaschen. Iris meinte später, ich hätte Glück, dass die junge Frau hinter mir lief, ihr wäre fast schlecht geworden. Ich konnte ihr versichern, dass die Duftwolke kreisrund um uns herum wehte – es grenzte schon an Körperverletzung.
Die Frage meines kleinen „Iltis“ ob ich denn meinen eigenen Rollstuhl dabei hätte, beantwortete ich mit einem
fröhlichen „natürlich“! Und so standen wir ca. 20 min auf dem Rollfeld (zum Glück an der frischen Luft….) und warteten auf meinen ziemlich neuen, schönen, blauen Rollstuhl. Der aber nicht
auftauchte. Irgendwann kam der Master der Auspacktruppe und erklärte uns, der Rollstuhl sei nicht dabei.
Genau in diesem Moment wurde mir schlecht! Wie zum Teufel soll ich New York ohne Rollstuhl bewältigen? Wir hatten für den
nächsten Tag einen Stadtspaziergang gebucht – 2 Stunden – wie sollte das funktionieren? Wir standen alle vier – nein, gestanden haben 3 – ich saß – auf dem Rollfeld und Iris fand als erstes die
Sprache wieder! Ihr scharfes: „Und jetzt?“ führte dazu, dass uns alle möglichen Leute erklärten, dass sie ja nichts dafür könnten.
Duftschnecke fuhr uns dann zum Air France Schalter wo eine Angestellte im Computer eine Notiz fand, dass mein Rolli einsam
und allein aber dafür mit einem Direktflug der Lufthansa nach New York unterwegs wäre und dort auf uns warten würde. Hallelujahhhhh…. Das glaub ich erst, wenn ich ihn sehe!!!
Da wir aber weiter nichts machen konnten, beschlossen wir doch den überaus bequemen Flug zu genießen und ich muss leider
sagen – toll gemacht Frank! Ich bin für den Rest meines Lebens grenzenlos versaut was die Holzklasse angeht. Wenn Fliegen – dann nur noch so!!!
In New York bekamen wir wieder den Behindertenbonus. Wir wurden an kilometerlangen Schlangen bei der Einreise vorbei
geschoben und noch nie war ich in die USA so schnell eingereist.
Natürlich war mein Rolli nicht da! Aber das lag daran, dass die Lufthansa – Maschine nicht da war. Und mit ca.
2stündiger Verspätung saß ich müde aber glücklich in meinem eigenen Rolli.
Und einen neuen Freund habe ich auch noch gleich. Mein Rollstuhlfahrer am JFK erklärte mir „God loves you!“ – OK - ich bin mir da manchmal nicht so sicher – aber warum soll ich einem 1,90-Kasten von Latino widersprechen! Ich weiß nicht ob Gott mich liebt – Eligio (so heißt mein „Rollischieber“ fand mich offensichtlich interessant genug um mich auf Facebook zu suchen und mich zu abonnieren….. ich find‘s irgendwie nett!
54. Hoffnung 12.04.2017
Wer mich kennt, weiß – ich bin skeptisch! In den ALS Gruppen habe ich mich schon mit dem einen oder anderen selbsternannten „Ernährungsguru“ angelegt (alles selbst Erkrankte). Ich bin zwar der Meinung, dass jeder machen kann was er will und wenn jemand meint, er müsse kolloidales Gold und Silber futtern – nur zu. Aber wenn man dann so weit geht alle anderen verächtlich nieder zu machen, die diesen Weg nicht gehen oder die – wie ich – der Meinung sind, sich Gold und Silber bevorzugt um den Hals zu hängen anstatt es wieder auszuscheiden – geht mir das zu weit. Auch wenn das einzig zugelassene Medikament (Riluzol) als „Zeug“ bezeichnet wird und neu Erkrankte mit einem Pseudowissen verunsichert werden – das ist schwer fahrlässig. Gut, ich bin allerdings auch der Meinung, wer auf das Geflöte eines Rattenfängers reinfällt ohne sich selbst schlau zu machen, ist irgendwie ein stückweit auch selbst schuld.
Trotzdem stehe ich nicht allen alternativen Heilmethoden ablehnend gegenüber. Sonst wäre ich auch keine glühende Anhängerin meines Hausarztes, der neben der Schulmedizin auch pendelt und Homöopath ist. Und ich glaube an Selbstheilungskräfte. Nur habe ich keinen Plan wie ich diese aktiviere. Mit den Healing Codes habe ich es ja schon monatelang versucht – ohne irgendeinen Erfolg. Ich bin aber auch nicht sehr diszipliniert, was die „Meditationen“ angeht.
Manchmal läuft einem im Leben aber ein Satz – oder in diesem Fall ein post – von Dagmar aus der Gruppe über den Weg. Sie erzählte von einem Mann am Chiemsee, der ein Konzept erarbeitet hat, Selbstheilungskräfte zu aktivieren (um es mal einfach auszudrücken – vieles von diesem Konzept habe ich noch nicht wirklich verstanden – aber ich denke das werde ich im Laufe der Zeit). Und es war mehr ein Gefühl als eine Verstandsache, die mir sagte – nimm doch mal Kontakt auf! Und das habe ich getan und jetzt werden Matthias und ich Ende Mai eine Woche im Chiemgau eine neue Erfahrung sammeln in die ich große Hoffnung lege. Vielleicht nicht unbedingt die Hoffnung ganz gesund zu werden, das wäre ein neurologisches Wunder. Es würde mir völlig genügen, meinem Hirn klar zu machen, dass es jetzt bitteschön an der Zeit wäre, mit diesem Scheiß aufzuhören! Ich will noch 60 werden! Und zwar wenn möglich in einem einigermaßen passablen Zustand – also –noch weitestgehend alleine atmend und Champagner trinken könnend.
Ich habe ja nichts zu verlieren….. also testen wir das mal.
Und ach… morgen geht’s mit Frank und Iris nach New York. Seit heute bin ich mega aufgeregt! Ich werde also frühestens nächste Woche wieder schreiben können!
53. Trauerfeier und Friedwald 08.04.2017
Als vor einigen Jahren der Vater meiner Schwester starb, erlebte ich zum ersten Mal eine nicht christliche Trauerfeier und ich muss sagen – es hat mir sehr gut gefallen. Es ist so persönlich. Er hatte einen Trauerredner, der nur über ihn sprach und Musik, die zu ihm passte. Und genau das wollte ich für unsere Mutter – und für mich übrigens auch.
Und es wurde genau so – oder nein – es wurde noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte. Irgendwie war die Trauerfeier für mich sowas wie eine „Generalprobe“. Nicht, dass ich vorhabe so schnell das Handtuch zu werfen (obwohl – heute Nacht hatte ich eine halbe Stunde extrem Probleme Luft zu bekommen und heute Vormittag auch wieder – das macht mir Angst) aber ich habe schon so meine Vorstellungen, wie mein Abgang abzulaufen hat.
Wir hatten riesengroßes Glück mit der Trauerrednerin, die das sehr abenteuerliche Leben meiner Mutter liebevoll und interessant Revue passieren ließ. Anfangs spielten wir Hildegard Knef „Für mich solls rote Rosen regnen“ ein Lied, welches wie kein anderes zu ihr passte und die Textpassagen wurden passend in die Rede eingearbeitet. Es kamen Freunde von weit her um ihr die letzte Ehre zu erweisen und abends lag ich im Bett und spürte ihre Zufriedenheit über den Ablauf.
Und so - oder so ähnlich hätte ich es auch gern. Ich möchte die selbe Trauerrednerin, den Baum im Friedwald haben wir heute reserviert und nur mit der Musik bin ich mir noch nicht so ganz klar. Da ich ein großer Fan von Barbra Streisand bin – muss natürlich „The way we where“ mit dazu. Aber ich liebe auch Country und Garths Brooks „The Dance“ steht auch ganz oben auf der Liste. Andreas Gabalier mit „Amoi seg‘ ma uns wieder“ wäre auch schön….. ach …. Nehmt Euch einfach viel Zeit mit - ich mach ein Konzert draus!
Heute wurde Mutter dann im Friedwald „verpuddelt“ – wie ich meinen Enkeltöchtern erzählt habe. Das war auch sehr schön, im allerengsten Familienkreis und mit Urne immerhin 4 Generationen anwesend.
Ja – und auf dem Heimweg hatte ich den nächsten Anfall von Luftnot. Heute Nacht habe ich Matthias und mir selber schon einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich konnte für fast eine halbe Stunde nur noch mit viel Gestöhne ein- und ausatmen und je panischer ich wurde, umso schlimmer wurde es. Es war ein Gefühl als ob sich der Hals zusammen zieht (was er vermutlich auch tat) und irgendwann zwang ich mich, mich ruhig hin zu legen zu versuchen zu entspannen. Gar nicht so leicht, wenn man sich vor Angst und Panik fast ins Hemd macht. Zudem klang mein Gestöhne noch haargenau wie das meiner Mutter – eieiei…. das hätte es jetzt wirklich nicht gebraucht. Ist aber vermutlich die Strafe dafür, dass es mir immer auf den Keks gegangen ist. Ich werde im Moment aber auch für jede noch so kleine Sünde bestraft. Wenn das so weitergeht werde ich noch gezwungenermaßen zu Mutter Theresa bevor ich abtrete!
Montag kommt mein Hustenassistent! Er war der Grund warum ich in Rummelsberg der Abholzung des Amazonas beigewohnt habe. Vielleicht hilft mir das Teil ja auch bei den Anfällen. Vielleicht sollte ich auch einfach mehr meine Klappe halten. Gestern habe ich in der Palliativstation stundenlang darüber referiert wie es mit geht, wie es mir mit dem Tod der Mutter geht und zwar alles in mehrfacher Ausführung (Psychologin, Arzt, Therapeuten) Vielleicht hatte mein Hals danach keinen Bock mehr.
Aber Klappe halten ist für mich nach wie vor schwer….sehr schwer.
52. Erinnerungen 01.04.2017
Montag ist die Trauerfeier unserer Mutter. Und ich freue mich unglaublich, dass sich so viele ihrer Freunde auf den teilweise sehr weiten Weg machen werden, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Sie würde (oder vielleicht wird) sich sehr über die tiefe und viele viele Jahre andauernde Verbundenheit ihrer Freunde freuen.
Die Beisetzung der Urne im Friedwald Gelnhausen wird im engsten Familienkreis stattfinden. Gestern sind wir bei strahlendem Wetter hin gefahren um den Baum zu begutachten. Ein wunderschöner Baum. Sie wird die erste Urne an ihm sein hat damit schon mal das „Hausrecht“. Find ich gut! Außerdem fing Elke an zu lachen – der Baum sieht ihr ähnlich. Kein junger Baum sondern eine hochgewachsene Birke mit den Kerben der Jahre. Passt!
Und weil es uns so gut gefallen hat, haben Matthias und ich uns gleich einen Partnerbaum ausgesucht. Ca. 10 Meter von Mutter entfernt – in Hör- und Sichtweite aber nicht zu nah um sich auf den Keks zu gehen. Wie im Leben werden wir auch im Tod vereint sein. Und es hat mich ungemein getröstet und gefreut, dass mein Mann einen Baum nur mit mir allein ausgesucht hat. D. h. wer auch immer nach mir kommt….. am Ende gehört er wieder zu mir!!!! BASTA!
Seit Mittwoch sind meine Schwester und mein Schwager hier und es tut wirklich ungemein gut, diese Trauer teilen zu können. Gestern war der erste Tag seit ihrem Tod an welchem meine Wimperntusche bis abends durchgehalten hat. Wir lachen viel, erzählen uns Anekdoten aus unserem Leben und wie wir unserer Mutter das Leben zum Teil schwer gemacht haben.
Dazu muss man u. a. auch unsere unterschiedlichen Charaktere während unserer Pubertät kennen. Wir haben uns heute früh fast tot gelacht, bei dem Versuch uns zu beschreiben ohne uns selber völlig in die Pfanne zu hauen.
Als erster Gedanke morgens im Bad kam mir: Das Flittchen und die Kriminelle. Aber bei allem Humor und aller Fähigkeit über mich selbst zu lachen – das Wort „Flittchen“ blieb mir dann doch irgendwie im Hals stecken. Und Elke konnte sich über die „Kriminelle“ auch nicht wirklich amüsieren. Wir versuchten es mit „Das leichte Volk der Bettler und Hausierer“ – das löste zwar einen Lachkrampf aus – traf es aber auch nicht so ganz.
Als beim Frühstück die Herstellung von Hagebuttenmarmelade und der Verwendung der Körner als Juckpulver zur Sprache kam (mein Mann und mein Schwager verwendeten es früher um es den Mädchen in den Ausschnitt zu werfen, damit diese sich auszogen) meinte Elke: na, Du brauchtest dazu ja kein Juckpulver….. ha ha … auch witzig!
Also um zum Ende zu kommen: ich war die, die ziemlich früh mit Jungs rummachte und Elke nahm es mit der Wahrheit und ab und an auch mit den Eigentumsverhältnissen nicht so genau!
Und genau das brachte uns und unsere Mutter mal in böse Schwierigkeiten!
Mutter liebte in ihren 30ern die Schrotkur in Oberstaufen. Einmal jährlich fuhr sie in diesen Kurort und lies sich figürlich und entschlackungstechnisch wieder auf Vordermann bringen. Sie besuchte immer die selbe Pension und mit Hanne, der Inhaberin verband sie bald eine herzliche Freundschaft. Meistens besuchte ich sie dort übers Wochenende, ich war zu dieser Zeit schon nicht mehr in Liberia sondern besuchte das Internat in Sigmaringen. Und da ich immer sehen musste wo ich so kurze Ferien wie Ostern, Pfingsten oder Herbst verbringe, lud mich Hanne ein, eine Woche bei ihr in Oberstaufen zu verbringen, was ich auch gerne annahm.
Hanne war eine wirklich sehr attraktive Frau Ende 20. Sie lebte mit ihrem noch attraktiveren Mann zusammen, von dem sie eigentlich geschieden war, weil er die Finger nicht von anderen Frauen lassen konnte – aber sie hatten ein gemeinsames Kind und irgendwann ist er reumütig zurück gekrochen gekommen und sie hat ihn wieder aufgenommen.
Ich war damals knapp 16, er wurde gerade 30 (ich weiß gar nicht mehr wie er hieß) und er fing an heftig mit mir zu flirten. Waren wir abends aus, presste sich sein Knie an meins und ich fühlte mich natürlich geschmeichelt zum Jagdrevier eines solchen gutaussehenden erfahrenen Mannes zu zählen.
An meinem letzten Abend wartete er, bis Hanne ins Bett ging und schleppte mich in eins der Zimmer (ich muss zugeben, ich habe mich nicht gewehrt) aber noch bevor irgendetwas „sündiges“ passieren konnte, hatte Hanne schon Lunte gerochen und stand vor der Tür und ich flog im hohen Bogen mitten in der Nacht raus. Er brachte mich für den Rest der Nacht bei seinen Eltern unter, die – so hatte ich den Eindruck – das ganze gelassen aufnahmen und fuhr am nächsten Morgen zurück zur Schule.
Zum Glück war Mutter weit weg in Liberia und bis zu unserem nächsten Treffen hatte sie sich doch zumindest soweit beruhigt, dass mir die die schallende Watsche, die ich sonst zu erwarten gehabt hätte, erspart blieb.
Einige Jahre später lud Hanne meine Schwester zu sich nach Oberstaufen ein. Sie war wohl der Meinung, eine missratene Tochter in der Familie wäre genug und noch ein Desaster bliebe ihr erspart. Wie man sich doch irren kann, denn auch Elke flog im hohen Bogen aus der Pension. Diesmal allerdings weil sie in den Weinkeller eingebrochen war und versuchte den Wein zu klauen.
Ganz ehrlich – ich bekomme heute (40 Jahre später) Schnappatmung vor Lachen wenn wir diese Story erzählen. Mutter konnte nie darüber lachen. Wir haben diese Geschichte nie mehr erwähnt, sie wurde auch viele Jahre danach immer noch wütend. Aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehbar. Ich habe Hanne nie wieder getroffen obwohl ich Mutter noch einige Male in Oberstaufen besucht habe.
Bei einem dieser Besuche (ich war damals schon im Allgäu auf dem Internat) wurde ich von Stefan und meiner Freundin Lisa begleitet. Stefan hatte damals schon ein Auto und hat sich bereit erklärt mit uns diesen Ausflug zu machen.
Im Auto erzählte ich so nebenbei, dass sich Mutter dieses Mal einen Kurschatten namens Theo zugelegt hatte. Stefan fragte was denn ein Kurschatten sei – und da Stefan auch kein Kostverächter auf dem Gebiet der Weiblichkeiten war, hielt ich das für einen Witz, klopfte ihm lachend auf die Schulter und klärte ihn nicht weiter auf.
Später saßen wir im Restaurant und auf einmal wendet sich Stefan an Theo und fragt: „Und Sie sind hier also der Chefanimateur?“ Es folgte ein ratloser Blick in allen Gesichtern und Stefan schaut mich an und sagt: „ja, Du hast doch gesagt, er wäre der hiesige Kurschatten!“
MAUSELOCH –tu dich auf! Auf Mutters Gesicht machte sich erst Entsetzen breit – aber als Theo anfing zu lachen, fiel der Rest der Gesellschaft mit ein und die Situation war gerettet.
Eine weitere Geschichte, über die Elke und ich immer wieder gerne lachen, fand viel später in Abu Dhabi statt. Alkohol war in den Emiraten ja nicht so ohne weiteres zu beschaffen und auch ziemlich teuer. Und unsere Mutter war durch und durch Schwäbin. Sie konnte durchaus sehr großzügig sein aber wer sie gut kannte – und das tun Elke und ich – bemerkte in jeder Lebenslage ihre schwäbische Sparsamkeit. Und so gab es einen Wein für jeden Tag (aus der Tüte, trinkbar und bezahlbar) aber natürlich standen auch immer gute Weine irgendwo rum.
Eines Abends kamen Elke, Matthias und ich spät nach Hause und wollten vor dem Zu-Bett-Gehen noch gerne ein Glas Wein als Absacker trinken. Leider fanden wir den „Hauswein“ nicht und so machten wir uns mit sehr schlechtem Gewissen über eine der besseren Flaschen her. Alle Gläser waren bereits gefüllt als ich in einer Ecke der Küche den zuvor gesuchten Hauswein fand. Man mag es kaum glauben – aber wir suchten einen Trichter, kippten den „guten“ Wein zurück in die Flasche und tranken brav den billigeren – wie es sich für gute Töchter gehört.
Darüber wenigstens konnte sie am nächsten Tag auch lachen – wenn auch nicht so herzlich, wie Matthias, Elke und ich es seit Jahren tun.