Heute Morgen (14.01.2018) hat meine geliebte Eva die Augen für immer geschlossen und ist friedlich eingeschlafen. Damit ist ein ungleicher Kampf mit der Krankheit ALS zu Ende gegangen. Ich weiß du wirst immer bei uns sein.Wir sehen uns irgendwann wieder - versprochen.
111. Weihnachten 24.12.2017
Ich habs geschafft! Es ist Weihnachten und ich bin noch da! Das liegt meiner Meinung nach an 2 Dingen: 1. Ich hab noch keine Lust und 2. Ich hab Schiss vor Matthias. Er kann ziemlich maulig
werden wenn ihm etwas nicht passt und da mir keiner mit 100 %iger Sicherheit sagen kann, dass ich das nach meinem Tod nicht mehr mitbekomme möchte ich das Risiko lieber nicht eingehen. Ich
bekomme allein bei dem Gedanken, dass er vor sich hin schimpft und ich nichts erwidern kann schon einen dicken Hals.
Aber....ich muss leider anfangen mich von einigen Dingen zu verabschieden, denn Weihnachten 2018 werde ich sicher nicht erleben. Und ich glaube auch nicht, dass ich das will. Jeden Tag ein
bisschen mehr unbeweglicher zu sein ist schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Ständig juckt es irgendwo und ich komme nicht ran oder ich sitze auf einer Falte und es fängt an weh zu
tun, nur Matthias findet nirgends Falten. Und für die kleinste Bewegung brauche ich Morphin Nasenspray...das alles will ich nicht mehr noch viele Jahre ..aber ein bisschen halte ich noch durch
(siehe oben Punkt 2)
So habe ich dieses Jahr zum letzten Mal den "Kleinen Lord" geguckt, von Fondue und Gänsebraten musste mich letztes Jahr, ohne es zu wissen, schon Abschied nehmen. Was mich im Moment am meisten
ärgert ist, dass ich ziemlich viel abgenommen habe aber nicht mehr auf die Waage komme und somit nicht weiß wieviel. ..hach...schade :(
So, jetzt wünsche ich allen Familienangehörigen, Freunden , Bekannten und all den vielen Menschen die ich nicht kenne und die dennoch so treu meinen Blog lesen ein friedvolles
Weihnachtsfest. Ich bin immer noch völlig überrascht darüber wie viele Menschen ihn lesen. Vielen Dank dafür!
110. Lahme Finger 15.12.2017
Ihr habt es alle schon bemerkt! Schreiben fällt mir zunehmend schwer. Ich tippe mit dem rechten Zeigefinger auf der kleinen Tastatur meines Handys. Den
richtigen Buchstaben zu treffen ist Glückssache zumal Mittel- und Ringfinger irgendwo runterfallen und der Cursor sich plötzlich mitten im Text befindet. Und die Hand längere Zeit hoch zu
halten geht auch nicht mehr. Der Blog neigt sich also ganz langsam dem Ende zu, was mir sehr leid tut...mein Hirn rattert genau wie immer und eigentlich hätte ich schon genug zu erzählen. Nur der
ganze Rest rattert nicht mehr. Aber ich will nicht jammern - den Umständen entsprechend geht es mir immer noch gut.
Gestern habe ich allerdings völlig neidisch auf Matthias' knusprige Chicken Wings geschaut und dabei meine pürierte Blumenkohl -Brokkoli Suppe geschlürft...zum
Glück war die auch sehr lecker.
Da sich feste Nahrung offensichtlich von mir verabschiedet hat, habe ich abends einen weißen Belag auf der Zunge, den mir Matthias jeden Abend runter kratzt. Dabei
muss ich dann aufpassen, dass ich mich von der Miniportion an Abendessen nicht gleich wieder verabschiede.
Solange es geht werde ich weiter schreiben...es wird nur kürzer und die Abstände werden länger.
109. Gelalle 04.12.2017
Noch im August war ich der Meinung, dass ich Weihnachten nicht mehr erlebe. Und zack...ist Dezember. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher zumal ich a) Matthias
nicht so gerne kurz vor einer solch emotionalen Zeit sitzen lassen will und b) ungern im gleichen Jahr wie meine Mutter den Löffel abgebe.
Dieses Wochenende waren Elke und Volker zu Besuch. Die sind mit meinem Gelalle nun nicht so vertraut wie Matthias aber als ich allen erzählen wollte, dass
unser Lieblingsrestaurant jetzt auch Salat mit Chicken Wings anbietet, hat mich trotz großer Mühe keiner verstanden. Also hab ich mit den Ellenbogen geflattert und ohdockdock gerufen. Jetzt
habens alle kapiert...lagen aber fast auf dem Boden vor Lachen.
Und genau so möchte ich in Erinnerung bleiben. Ich habe Zeit meines Lebens jeder Situation etwas Witziges abringen können. Manchmal mit viel schwarzem Humor
der nicht jedermanns Sache war. Und ich kann auch über mich selbst lachen … das hat mir vieles im Leben erleichtert.
108. Langeweile 25.11.2017
Dafür, dass ich mich eher in der letzten Phase von ALS befinde, geht es mir erstaunlich gut. Ich habe ab und an meine Tiefphasen, die kommen aber überwiegend,
wenn mich jemand mit der Nase drauf stupft was für eine schreckliche Krankheit ich habe. Das ist nie böse gemeint aber da ich es ganz gut schaffe diese Tatsache meistens zu verdrängen, geht
es mir ordentlich auf die Nerven wenn andere ihr Mitleid raus kramen.
Eins muss ich allerdings trotzdem los werden. Wenn mein Leben in dieser Form noch 20 Jahre weitergehen würde, wäre nicht ALS mein Problem, sondern grenzenlose
Langeweile. Es ist ja nicht so, dass ich nichts machen will. Ich kann einfach nicht mehr. ..wenn ich zwei vollständige Sätze von mir gebe, hechel ich nach der Atemmaske. Genauso wenn
ich einen Ausflug aufs WC mache.
Und scheinbar habe ich doch abgenommen.. .am Rücken. Ich habe im Bett eine Gleitmatte damit Matthias mich leichter in die Mitte des Bettes schieben kann. Auf
der bleib ich nachts liegen auch wenn sie etwas verknautscht ist. Hat mich bisher nie gestört. Heute Nacht bin ich mit Schmerzen im Rücken aufgewacht und hatte eine
Druckstelle.
Wenigstens wird es Matthias nicht langweilig - er muss sich ständig mit neuen Problemlösungen beschäftigen.
107. Verlust 15.11.2017
Gleich zu Beginn meiner Diagnose habe ich mich in allen Selbsthilfegruppen auf facebook
angemeldet. Ich habe viele neue Menschen kennen gelernt, die meisten davon ebenfalls mit ALS. Manche davon passten - andere nicht, ALS ist keine "Freundeschmiede". Die meisten passten
jedoch und mit Michelle, Nick und Marion verband mich etwas mehr, vielleicht weil deren Humor genauso schräg sein konnte wie meiner.
Eine besondere Freundschaft verband mich mit Marion. Wir haben uns im Frühjahr auch persönlich
kennen gelernt und wir waren so etwas wie Seelenverwandte. Wir haben stundenlang über unsere Ängste, Träume, Mann und Kinder gechattet und wir hatten immer die gleiche Wellenlänge und am Ende
jeder "Unterhaltung " haben wir beide schallend gelacht.
Michelle hat aus uns vier die "Ins-Gras-Beisser-Bande „ gemacht.
Sie war auch die erste die uns verlassen hat, im September. Nick folgte, für mich völlig überraschend, im Oktober und heute habe ich erfahren, dass auch
meine Marion mich verlassen hat. Jetzt bin ich die letzte Überlebende unserer Bande und ich muss endlich aufhören zu heulen sonst krieg ich keine Luft mehr.
106. Windeln 12.11.2017
Auch wenn ich momentan nicht wirklich unzufrieden bin, ich bemerke jede Veränderung. Heute Nacht z.B. hab ich mich zum 2. mal eingenässt ohne es zu bemerken. D.h. es wird Zeit über
Windeln nachzudenken. Das ist nicht ganz einfach obwohl mir immer klar war, dass der Zeitpunkt kommen wird.
Ich habe Momente -nicht oft aber ab und an - in denen ich es immer noch nicht fassen kann was gerade mit mir passiert. Ich bin im Kopf völlig klar (ok...dazu mag es unterschiedliche Ansichten
geben) ich habe so gut wie keine Schmerzen, ich spüre jede Berührung. ...Aber ich habe keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Er bewegt sich immer weniger oder ich plumpse in eine
Richtung in die ich gar nicht wollte. Und das Wissen, bald zu sterben fühlt sich völlig falsch an. Aber es ist nicht aufzuhalten..verdammter Mist.
Und diese Texte zu tippen wird auch immer schwieriger, ich treffe einfach zu oft die falsche Taste und bin überwiegend mit Korrigieren beschäftigt.
Dieses Wochenende wollte eigentlich meine Schwester kommen aber einen Tag vorher hat sie sich einen Magen-Darm Virus eingefangen. ..und allein der Gedanke, sie könnte mich anstecken, hat sofort
Panik in mir ausgelöst. Also ist sie nicht gekommen.... Es ist im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen
105. Gummibeine 06.11.2017
Ich bin heute schwer angepisst. Heute Morgen wollten meine Beine nicht so wie ich. Ich konnte zwar noch stehen und mit Matthias Hilfe 3 Schritte rutschen aber dann sackte ich ohne
Vorwarnung in den Knieen durch. Ich landete unsanft auf dem Toilettenstuhl aber in einer Position in der ich es leicht geschafft hätte, meine Füße anzupieseln. Also mit Hauruck nochmal hoch.
Leider plumpste ich sofort zurück und saß noch dööfer. Nun ist es ja nicht so dass das Hochheben so leicht wäre. Matthias geht es in die Arme und in den Rücken und da mich Matthias sehr
fest halten muss damit ich nicht falle, drückt es mir den Brustkorb ab und ich bekomme keine Luft mehr.
Davor dass es mit dem Umsetzen nicht mehr klappt, fürchte ich mich schon länger und ich bin heilfroh als es heute Nachmittag wieder ganz gut klappte. Diese kleine Restfreiheit noch aufs Klo
zu kommen und meinen Tag im Sessel zu verbringen, will ich unbedingt behalten. Allerdings weiß ich auch, dass ich heute früh wieder einmal einen Vorgeschmack auf das was mich erwartet bekommen
habe.
Wenigstens geht es Matthias Rücken und auch seiner Stimmung nach einer Thaimassage und Fitness mit Sauna wieder besser. Ich bin so froh, dass wir Isabel haben und er wenigstens ein paar Stunden
in der Woche eine Auszeit hat.
104. Herbst 01.11.2017
Wieder einen Monat geschafft…oder besser gesagt "überlebt" Meine Tage haben einen festen Rhythmus. Um 9 klingelt morgens der Wecker und ich wache aus tiefstem
Schlaf auf und freu mich seit einer Woche darüber, nachts nicht mehr raus zu müssen. Das ist für uns beide eine riesen Erleichterung. Danach hat Matthias richtig zu tun. Alle 2 Tage ist
Badetag. Er muss mich mit dem Lifter in den Whirlpool transportieren, mich waschen auch die Haare. Danach folgt Haare föhnen, eincremen (mittlerweile schuppe ich mich am ganzen Körper) und
anziehen. Er schwitzt - ich friere.
Danach werde ich im Wohnzimmer in meinen Sessel gehievt, Beine hochgelagert, Tee und ein hochkalorischer Drink in Reichweite und so warte ich auf die Caritas zum
Beine wickeln. Danach folgt das übliche Ritual: Matthias zählt auf, was alles Essbares im Haus ist und ich grunze ablehnend vor mich hin.
Ab jetzt beginnt der gemütliche Teil nur unterbrochen von Physiotherapeutinnen oder liebem Besuch - ach ja und seit dieser Woche einer Hospizbegleiterin die mir
meine Bücher vorliest - ich kann mein ebook leider nicht mehr selber halten.
Ansonsten läuft ab 12 der Fernseher mit einer festen Reihenfolge an Sendungen. Neulich hat Kabel 1 die Serie "Mein Lokal - Dein Lokal " aus dem Programm
genommen. ..man war ich sauer...
Gegen 19 Uhr gibt's Abendessen, davor 0,16 l Bier als Aperitif, um 22.45 Uhr wickelt Matthias meine Beine wieder ab...und Guats
Nächtle!
Nicht besonders spannend aber für mich genau richtig, keine Anstrengung, kein Stress. Wenn ich in meinem Sessel sitze bemerke ich kaum wie bewegungslos ich
geworden bin und dass der Kopf, wenn er einmal nach vorne geplumpst ist, von sich aus keine Anstalten mehr macht sich aufzurichten.
Alle die mich regelmäßig sehen wissen, dass meine Zeit nur noch in Wochen - wenn ich Glück habe in (wenigen) Monaten bemessen ist. Aber Matthias und ich
genießen diese Zeit ganz bewusst und ich bin glücklich darüber. In Anbetracht der Umstände geht es mir wirklich ganz gut....wegen mir kanns noch lange so gehen!
103. Familie 27.10 2017
Jetzt reicht‘s aber langsam! Gestern ist schon wieder eine ALS-facebook Freundin gestorben. Zwischenzeitlich habe ich 4 Tote in meiner Freundesliste. Das Schlimme
daran ist, diese Nachrichten fressen meinen Optimismus. Im August war ich noch der Meinung ich würde Weihnachten nicht erleben aber im Moment geht's mir so gut, dass ich durchaus glaube,
meine Familie wird ein Problem mit meinem Geschenk bekommen. Ähnlich wie der 90. Geburtstag meiner Großmutter. Oma wurde ein Gutschein für einen Farbfernseher geschenkt. Da musste am
Ende niemand mehr in die tiefe Tasche greifen. Sie starb vor der Einlösung des Gutscheins. Unter diesem Aspekt kann ich mir ja wünschen was ich will - in Form eines Gutscheins ist alles
möglich.
Da ich aber bei Lisa, Marla, Nick und Sigi gesehen habe wie schnell es vorbei sein kann möchte ich meiner engsten Familie auf diesem Weg noch einmal sagen, wie sehr
ich sie liebe. Allen voran mein Matthias - vor 33 Jahren meine beste Idee den Nürnberger Tierpark mit ihm zu besuchen. Meine beiden Töchter Sina und Lisa mit denen ich -vor allem mit Lisa-
kriegsähnliche Pubertätskämpfe ausgekämpft habe. Am Ende haben wir aber zum Glück alle begriffen, dass wir EINE Familie sind und das gibt mir das Gefühl keine Baustellen zurück zu lassen.
Sina hat uns die zauberhaftesten Enkeltöchter geschenkt die man sich nur wünschen kann. Mia und Emma ich liebe Euch bis zum Mond und zurück. Und meine Sis Elke. Meine Güte, was haben wir
uns früher gestritten aber ich könnte mir keine bessere Schwester wünschen. Ich liebe euch alle. Und wenn ich nicht mehr da bin werde ich nie wirklich weg sein. Immer wenn ihr herzhaft
lachen müsst bin ich in der Nähe.
102. #AllerLetzteScheisse 25.10.2017
Ich bin völlig schockiert. Das nächste Mitglied unserer "Ins Gras Beißer Bande" ist plötzlich und für mich völlig unerwartet gestorben. Rest in peace
lieber Nick.
Keiner aus unserer Gruppe hat scheinbar bemerkt, dass es ihm nicht gut ging und es ist niemandem aufgefallen, dass er sich seit dem 11. Oktober nicht mehr auf
facebook geäußert hat. Er war Admin in unserer Gruppe und hatte für jeden ein offenes Ohr und immer praktische Hilfe parat. Ich werde ihn, ebenso wie Marla, sehr vermissen. Und meine Marion macht
mir ebenfalls große Sorgen. Ich habe allerdings eins gelernt - das Ende kommt manchmal schnell und unerwartet.
Gestern konnte ich zum ersten Mal meinen Löffel nicht mehr normal halten. Er war einfach zu schwer. Ich fange also an das Besteck wie ein Kleinkind zu halten.
Lätzchen brauche ich schon länger und es ist auch immer mit Brei vollgesabbert. Sprechen geht tagsüber noch allerdings versteht mich Matthias am besten und nach 2 Sätzen bin ich völlig außer
Atem. Trotzdem geht es mir gut...versteh ich selbst nicht aber ich bin froh darüber. Wäre doch blöd, wenn ich meine letzte Zeit auf Erden trübsinnig rum sitzen würde.
101. Nix neues an der Front 21.10.2017
Mein Tag spielt sich zwischen Bett und Fernsehsessel ab. Und ich bin damit
zufrieden. Gut, mir tut gelegentlich der Hintern vom rum sitzen weh - aber es gibt schlimmeres. Wegen mir könnte es so bleiben aber ich fürchte so gnädig wird ALS nicht sein. Beim
Umsetzen auf den Toilettenstuhl und zurück hat Matthias jetzt eine Taktik entwickelt die meistens gut funktioniert. Er schiebt meine Füße mit seinen in die vorgegebene Richtung. Das
funktioniert aber leider nur noch solange ich mit durchgestreckten Knien stehen kann und genau da liegt der Hund begraben.
Und wir haben beide keine Lust auf einen Pflegedienst. Ich muss - nachts mit gerechnet - 5 - 7 mal zur Toilette und allein dafür bräuchten wir Hilfe. Für alles andere sind wir ein
eingespieltes Team.
Gestern allerdings kamen wir von einem Toilettengang zurück, ich landete ohne größere Vorkommnisse in meinem Sessel und dachte nach ein paar Minuten: Herrschaft tut mir auf einmal das Steißbein
weh. Ich rutsche vor und mit Matthias Hilfe wieder zurück aber es wurde nicht besser. Ich hatte auch das Gefühl irgendwie anders zu sitzen als sonst und Matthias fragte mich dauernd was er denn
tun soll… als ob ich das gewusst hätte. Nach ca. 2 Stunden fragte er mich ob er meine Beine bewegen soll - ja klar, da sag ich nie nein.
Und so lief er durchs Wohnzimmer und suchte die Abdeckung des Toilettenstuhls um sich drauf zu setzen - fand sie aber nicht. Irgendwann fragt er mich: sag mal, sitzt du zufällig drauf? Ich
taste nach unten und tatsächlich hatte er die Platte auf meinem Sessel abgelegt - deshalb saß ich auch so unbequem. Er konnte noch etwas herzlicher lachen als ich!
100. Sonne 14.10.2017
Seit dem 22. September habe ich keinen Schritt mehr vor die Tür gesetzt. Und ich habe es auch nicht vermisst. Völlig unbegreiflich, wenn man mich von vor ALS
kennt. Ich war immer unterwegs und davon überwiegend auf dem Golfplatz. Vor allem bei einem Wetter wie heute. Letztes Jahr im September habe ich sogar noch ein Turnier gespielt...ich war
zwar mit dem Cart unterwegs und hatte am Abschlag leichte Gleichgewichtsstörungen aber das einzige was mich gestört hat war, daß ich bei den par 3 einen
Driver brauchte - und das war mir wirklich peinlich.
Nun, wie gesagt heute haben wir Traumwetter und Matthias bestand darauf heute mit mir spazieren zu gehen. Und was soll ich sagen...mir fiel einfach nix
plausibles ein um abzulehnen. Und ich bin froh, daß mir nichts einfiel. Es war einfach mal wieder schön, die bunten Bäume, die Sonne auf der Haut...und gut, daß ich im Rollstuhl sitze,
meine gewickelten Füße passen in keinen Schuh. Das Wickeln ist aber nötig wegen meiner Wasserablagerungen in den Füßen. Naja, wenn man nix mehr bewegen kann fällt der Rest auch peu a peu aus.
Aber mein multitalentierter Mann ist nicht nur Krankenpfleger, Friseur, Koch, Putz- und Wäschehilfe sondern auch Physiotherapeut. Er bewegt meine Beine mehrmals täglich -
großartig! Nur beim Fönen meiner neuen Frisur muss ich ihm manchmal reinpfuschen, ich habe immer Sorge ich sehe gleich aus wie Prinz Eisenherz aber am Ende passt auch das und ich bin
wirklich glücklich einen so tollen Mann zu haben, der in kürzester Zeit all diese Dinge gelernt hat.
Gestern und heute habe ich übrigens hochkalorische Zusatznahrung herzhaft aus der Apotheke von Hipp probiert. Würg...einfach widerlich! Da bleib ich doch
lieber bei süß.
Aber heute freu ich mich auf Königsberger Klopse die Matthias super lecker machen kann!
99. 32 Ehejahre 11.10.2017
Morgen haben wir unseren 32. Hochzeitstag. Es wird unser letzter, das wissen wir beide. Wie in jeder Ehe hatten wir unsere Höhen und Tiefen aber ich hätte mir
niemals ein Leben ohne Matthias vorstellen können.
Am Anfang meines Blogs hatte ich mal geschrieben ich würde ihn keiner anderen Frau gönnen. Aber wie in so vielem habe ich auch hier meine Meinung
geändert. Ich wünsche mir für ihn nochmal eine Frau mit der er all die Dinge tun kann, die wir nicht mehr geschafft haben.
Es ist unglaublich was er alles für mich macht. Ich habe Pflegegrad 5 - also den höchsten den es gibt und er macht immernoch alles alleine.
Es wird nicht mehr lange dauern und ich werde Windeln brauchen. Wobei Pipi dabei nicht das Schlimmste ist worin ich sitzen werde. Wir erwägen langsam den
Einsatz eines Pflegedienstes. Wir wissen nur nicht wie oft und wie lange. Ich muss 5 mal am Tag aufs Klo und nur dabei brauchen jemanden. Ansonsten sitze ich brav in meinem Sessel.
Und man hat ständig fremde Menschen um sich.
Naja...vielleicht geht's noch eine Weile .
Und meiner Freundin Marion geht es nicht gut. Ich habe schreckliche Angst dass sie vor mir stirbt. Ich weiß das egoistisch ist aber sie ist meine engste ALS
Vertraute, wir lachen und weinen über die gleichen Dinge und jammern uns gegenseitig die Hucke voll aber meistens lachen wir am Ende wieder. Es wäre schrecklich wenn sie auf einmal weg
wäre.
98. Narkose 07.10.2017
Gestern klingelte das Telefon und die Palliativstation informierte uns, daß ab Montag ein Bett frei wäre und Dienstag der Eingriff stattfinden könnte. Da ging mein
Allerwertester sofort auf Grundeis. Zumal ich Montag rein soll, Dienstag soll die PEG gelegt werden und Mittwoch oder Donnerstag darf ich wieder heim. Also mindestens 2 Nächte - so hatten wir
nicht gewettet. Aber der Hammer kam erst noch: da ich im Liegen nicht mehr atmen kann wäre eine Intubationsvollnarkose nötig. Eine Vollnarkose legt aber immer Muskeln lahm und man weiß vorher
nicht, welche davon anschließend ganz ihren Geist aufgegeben haben. Zu Deutsch: es besteht ein großes Risiko, daß ich danach nicht mehr selbständig atmen kann. Und da ich in meiner
Patientenverfügung bestimmt habe, keine invasive Beatmung zu wollen, könnte ich Dienstag durchaus abnippeln. Da hab ich aber im Moment noch keinen Bock drauf. Im Moment geht's mir einigermaßen
gut und da wäre mir Dienstag einen Ticken zu früh. Zumal wir Donnertag unseren 32. Hochzeitstag feiern und der Champagner schon kalt steht. Da beißt man doch nicht 2 Tage vorher ins
Gras!
Jetzt gibt es halt keine PEG. Ich kann ja auch noch ziemlich gut schlucken. Und was ich ziemlich witzig finde: die ganze Zeit jammer ich rum, dass mein
Hintern nicht dünner werden will. Ich glaube ganz am Ende wird mich mein verhasster dicker Poppes ernähren.
Alles im Leben hat seinen Sinn! Manchmal dauert es nur ewig bis man ihn erkennt.
97. Oktober 04.10.2017
So! Den September hab ich schon mal überlebt! Nächstes Ziel: Oktober - und so wie es mir momentan geht könnte das klappen. Montag rief die Palliativstation
an. Sobald ein Bett frei wird, wird die PEG gelegt. Seit dem Anruf habe ich einen Anflug von Panik. Nicht so sehr wegen dem Eingriff selbst - wenn alles gut geht soll das nur 20
Minuten dauern, nein ich mache mir Sorgen wie ich im Liegen ohne Maske atmen soll. Sobald ich ohne Atemgerät nach hinten gehe fange ich an zu japsen. Naja...irgendwie muss es gehen.
Und auch gestern hatten wir Stress. Wir haben gemeinsam mit meiner Schwester den Patienten Lifter ausprobiert bzw. wie die Hose runter und wieder rauf zu
bekommen ist. Zuerst versuchten wir es mit dem Tuch des Badewannenliftes, weil da der Rücken frei ist. Das ging aber nur sehr kurz gut. Mit Klamotten rutschte ich erst in Zeitlupe aber immer
schneller werdend durch die Schlaufen und Matthias konnte mich in letzter Sekunde auf dem Sessel platzieren. Natürlich hing meine Hose jetzt auf halb acht und er musste mich noch mal
hinstellen. Das hab ich aber nicht geschafft. Er fragte also verzweifelt was er tun soll und ich lallte verzweifelt was ich will, was er aber nicht verstehen konnte. Am Ende fing ich an zu
heulen und hätte am liebsten wild um mich geschlagen.
Eine Stunde später - neuer Anlauf mit dem original Lifter Tuch. Diesmal stellten wir den Sessel auf Liegeposition und Matthias zog mir im Liegen die Hose runter,
dann wurde ich in die Affenschaukel verfrachtet. Das Ganze dauerte ungefähr 15 Minuten...also ich müsste mir zukünftig hellseherische Fähigkeiten aneignen um rechtzeitig aufs Klo zu
kommen.
Beim Ablassen auf den Toilettenstuhl stellten wir allerdings fest, daß es unmöglich ist mich richtig auf dem Stuhl zu platzieren. Ich saß immer zu weit vorne
und hätte über den Rand gepieselt.
Fazit: das Teil ist völlig unbrauchbar um aufs Klo zu kommen und nur dafür brauchen wir es eigentlich.
Wenn Abnehmen nicht so kontraproduktiv wäre würde ich einfach noch mal 20 kg in Angriff nehmen. Die ersten 20 sind ja schon weg aber für Matthias bin ich
immer noch zu schwer. Mit 172 cm bin ich ja auch nicht wirklich klein.
Es bleibt schwierig!